Faszination Dividalen und Rhokunborri
Der Ruhetag in Kilpisjärvi tut richtig gut und all meine Batterien sind vollgeladen. Die nächste Etappe nach Narvik gehört sicher nicht zu den anspruchsvollsten, da die Wege sehr gut sind und das Terrain relativ einfach zu begehen ist. Doch die Distanz ist nicht zu unterschätzen und es gibt sehr viel zu sehen unterwegs. Es macht sicher Sinn, die ganze Etappe nicht im Eilzug zu machen, sondern sich Zeit zu lassen und auch zu geniessen. Narvik wäre wohl in rund sechs Tagen zu erreichen, doch da ich von Hütte zu Hütte gehe, werden es für mich zwischen acht und neun Tage sein.
Tag 19 / Kilpisjärvi-Gappohytta DNT

Es ist wohl das erste Mal, dass mir beim Frühstück ein ganzes Hotelpersonal eine gute Weiterwanderung wünscht. Vom Zimmermädchen über die Rezeptionistin, die Hotelmanagerin und die Küche erscheinen alle kurz am Frühstückstisch und wünschen mir viel Glück. Die Menschen im Cahkal Hotel sind einfach die Wucht und es rührt mich sehr, wie hier mit den Gästen umgegangen wird! Top Empfehlung!
Eigenartigerweise habe ich schon von Beginn weg die Fährfahrt über den Kilpissee vorgesehen und nicht den Weg entlang des Sees. 2015 war der Weg durch einen Murgang verschüttet und ich habe damals deswegen das Boot genommen. Irgendwie habe ich gar nicht daran gedacht zu laufen. Warum auch, wenn schon ein Boot rüber fährt. Ist ja beim schwedischen See Akkajaure und dem Namsvatnet im Børgefjell auch Usus.
Ich mache mich rechtzeitig auf den Weg, denn das erste Boot fährt um 10.00 los und jetzt in der Hauptsaison kann das ganz schön viel Leute haben.
Das Boot fährt bis vier Kilometer an den Dreiländerpunkt heran, an welchem sich Finnland, Norwegen und Schweden die Grenze teilen. Dieser Punkt ist ein richtiger Hotspot im Norden geworden und durch die Fähre und den sehr einfachen, vier Kilometer langen Wanderweg auch gut zu erreichen.
So mache ich mich auf den Weg der vom Hotel schnurgerade knappe sieben Kilometer der Strasse entlang verläuft.

Und ich bin definitiv nicht alleine unterwegs…NPLer unter sich 😉
Vollbeladen mit neun Tagen Proviant, zische ich ab wie eine Rakete und brauche nicht mal eine Stunde vom Hotel zur Fähre. Was ich für ein unbelehrbarer Vollpfosten bin, spüre ich gleich beim Boot. Mein linkes Bein schmerzt höllisch und ich werde sowas von sauer auf mich. Warum zur Hölle lerne ich nichts aus der Vergangenheit. Ich weiss doch genau dass das bei meinen Beinen nicht funktioniert. Langsamer, ein oder zwei Pausen, eine halbe Stunde länger und alles wäre vermutlich gut gegangen!
Naja, damit muss ich wohl leben und Dummheit wird bestraft. Dafür kann ich schon wieder schmunzeln, als ich die wartenden Menschen am Pier sehe. Ups…da ist was los heute!

Mit zwei voll beladenen Booten und somit 250 Menschen geht es die halbe Stunde rüber zum Dreiländereck. Kaum angekommen, zünde ich trotz Schmerzen den Turbo, um möglichst einen Vorsprung auf die Herde Fototouristen zu bekommen. Wenn ich schon ein Erinnerungsbild am Treriksrøysa (norwegisch), Treriksröset (schwedisch), Kolmen valtakunnan rajapyykki (finnisch) machen will, dann möglichst nicht inmitten einer Horde Menschen.


Wie 2015 ist es ein gutes Gefühl hier zu stehen. Damals wusste ich, dass mein Weg zwar noch weit ist, aber doch schon im letzten Drittel war. Heute wird mir hier sehr wohl bewusst, dass es noch sehr weit bis nach Lindesnes ist.

Als die ersten Leute am Stein ankommen, habe ich meinen Rucksack schon wieder am Rücken und beginne meine Wanderung nach Gappo.
Der offizielle DNT Wanderweg führt über die DNT Hütte Golda, westlich des Sees entlang. Ich nehme aber wie immer die Abkürzung an der Ostseite des Sees, die über ein paar Pfade und ATV Tracks führt.
Achja.. apropos Grenzübertritt.. deren gibt es hier an der Ostseite gerade ein paar!



Entlang des Goldasees, überschreite ich ein halbes Dutzend Mal die Grenze.



Der Weg ist mir schon fast so bekannt wie ein Wanderweg zu Hause. Meine Entzündung schmerzt zwar immer noch sehr, aber mittlerweile habe ich das Bein mit entzündungshemmender Salbe dick eingestrichen und zusätzlich eine Schmerztablette genommen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das morgen schon wieder vorbei sein wird, Asphalt weg-Entzündung weg!
Noch ein letztes Mal checke ich das Wetter auf meinem Smartphone, denn der Mobilfunkempfang wird gleich weg sein und nur noch morgen in Rosta sehr rudimentär vorhanden sein. Danach herrscht Stille.
Die Prognosen sehen sehr zuversichtlich aus, einzig übermorgen soll es einen Regentag geben und danach schnell wieder besser werden. Was für ein Motivator!
Ein paar hundert Meter vor der Gappohütte, fülle ich alle Behältnisse mit frischem Wasser, bevor es die Steilstufe hoch zur Hütte geht. Hier ist nämlich der offizielle Ort um sauberes Wasser zu holen und so spare ich mir den erneuten Weg hierhin zurück. Gut, wenn man sich schon so gut auskennt!

Vor der Hütte ist ein grosses Zeltlager voller Pfadfinder, Scouts. Diese tangieren mich allerdings nicht, denn die Hütten sind für die Kids tabu. Allerdings kann es auf dem Plumpsklo jetzt zu anderweitigen Stauungen kommen.
Ich geniesse nach meiner Körperpflege und neu eingekleidet in mein frisch duftendes Hüttendress, zuerst mal ein kühles, mitgebrachtes Bierchen und ein paar Salznüsse. In der Hütte ist momentan noch nicht viel los, aber es ist erst früher Mittag, das kann sich noch ändern.

Am Abend kommt noch ein älteres, schwedisches Paar aus Stockholm, und eine finnische Familie kocht in der Hütte und schläft dann aber im Zelt. Freudig überrascht über die fast leere Hütte, wird das ein gemütlicher Abend und eine ruhige Nacht. Morgen wird es auf der Rostahütte sicher anders sein, da dort die Strasse bis auf sechs Kilometer herankommt und es deswegen oft ziemlich voll ist.
Tag 20 / Gappohytta DNT-Rostahytta DNT

Die Nacht war definitiv sehr ruhig und nach einem guten und reichhaltigen Frühstück zieht es mich raus an die frische und kühle Luft. Hier oben weht fast permanent ein kühler Wind und es ist oft auch etwas rau. Es ist mein Klima und ich liebe es so unterwegs zu sein. Die Finnmarkhitze ist schon fast vergessen und Mücken? Fehlanzeige!







Gemütlich zieht sich der Weg langsam hoch ins Isdalen hinein. Die Schmerzen im Bein sind zum Glück weg und alles läuft wieder gut. Auch der Fersensporn bleibt stabil und nur wenig bemerkbar.






Der Pass ist ein einziger Geröllhaufen und bei Nässe nicht so angenehm zum laufen. Doch ich habe Glück und der stetige Wind hat die Steine schon abtrocknen lassen.


Das Isdalen beherbergt ab c.a. Mitte August rund 6000-7000 Rentiere, wenn die höher gelegenen Weiden nichts mehr hergeben. Jetzt aber sehe ich nur eine Renmutter mit ihrem Nachwuchs rumhoppeln.

Mein Plan auf den Moskángáisi zu gehen, muss ich trotz guter Wettervorhersage sein lassen. Dieses unglaubliche Geröll würde für meine angeschlagenen Schuhe wohl das Ende bedeuten. Ich bin ja so froh, dass meine Gorillaklebeaktion bisher so perfekt hält!
Irgendwann werde ich es mit dem Berg aber sicher noch schaffen.






Kurz vor der Hütte scheint ein Fjelljo etwas aufs Posieren zu geben. Kaum laufe ich weiter, höre ich ein leises „Krikri“ von einem Fjelljo und ein kleines, graues Federbällchen spurtet vor mir durch. Öha….schnell wird mir klar, was die Stunde geschlagen hat. Schon stürzt sich der fotografierte grosse Fjelljo wie ein Tornado auf mich runter. Er greift mich von allen Seiten an und ich spüre zwei-, dreimal seinen Flügelschlag an meinem Kopf. Ich wirble meine Stöcke über meinem Kopf und renne los. So schnell wie möglich weg von seinem Nachwuchs. Nach rund 100 Metern ergibt sich der Vogel und ich kann endlich durchatmen…pfühh…der hat einen Vogel, der Vogel!
Die Tierchen können ganz schön hartnäckig sein und haben eine enorme Ausdauer die Wanderer zu bearbeiten.
Der Weg zur Hütte ist nur noch kurz und schon von weitem sehe ich die grossen Häuser. Als ich zwischen den Hütten ankomme, ist es menschenleer und still. Komisch…jetzt ist Hauptsaison, bestes Wetter und die Wanderbedingungen könnten nicht besser sein. Klar, morgen ist Regen angesagt, aber gerade für die Einheimischen ist das absolut kein Grund, nicht raus zu gehen. Anders als bei uns, gibt es hier definitiv kein schlechtes Wetter bei den Menschen. Und selbst wenn es so richtig runterhaut, sind die Norweger/innen im Fjell unterwegs. Na mir soll es recht sein, so habe ich mehr als genug Platz und kann die Stille geniessen.


Nicht nur dass das Rostafjell ein wunderschöner Ort ist und phantastische Aussichten zu bieten hat, heute ist auch noch ein Wetter für die Götter! Die Sicht ist kristallklar und die Sommerstimmung ein Traum. Rosta ist aber auch für seine Mücken bekannt, doch auch hier…(zum Glück!) Fehlanzeige.





Schlussendlich kommt dann doch noch jemand. Ich habe die beiden im Isdalen überholt am Nachmittag, Uwe und seine Frau Sonja. Uwe ist am 9. Juni ebenfalls am Slettnes Fyr gestartet. Ich hatte einen Eintrag in der finnischen Kopmajokihütte gelesen.
(Jetzt ist mir auch endlich wieder der Vorname eingefallen ;-))
Sonja ist zu Besuch auf seiner Tour. Den ganzen Abend tauschen wir uns über die Touren aus und lernen uns kennen. Uwe ist pensioniert und hat daher keinen zeitlichen Fixpunkt für Lindesnes und kann so lange unterwegs sein, wie es ihm gefällt. Eine sehr schöne Voraussetzung!
Kurz vor dem Schlafengehen gehe ich nochmals rüber auf den kleinen Hügel abseits der Hütte. Dort hat es ganz wenig Mobilfunkempfang und ich kriege noch ein paar Fetzen Wetterprognosen rein. Tatsächlich ist morgen nun Regen angesagt. Allerdings erst nach 10.00 Uhr, danach aber ziemlich heftig. So entschliesse ich mich, sehr früh zur Dærtahütte zu starten, um möglichst früh über das geröllastige Fjell zu kommen. Zwischen Rosta und Dærta gibt es fast nur Steine und diese sind ziemlich mit Flechten überzogen. Bei Nässe wird das ganz schön rutschig. Dafür ist die Etappe mit knapp 16 Kilometer relativ kurz und eine wunderschöne Hütte wartet auch noch auf mich.
Zudem sehe ich durch das Paket Tracking der Post, dass meine neuen Schuhe schon in Oslo sind. Dann wird das wohl hinhauen bis Narvik.
Tag 21 / Rostahytta DNT-Dærtahytta DNT

Ich bin schon um 6.00 unterwegs und das Wetter sieht noch gar nicht so übel aus. Mein Plan könnte klappen und vielleicht kann ich die Hütte sogar noch mit wenig Regen erreichen. Zumindest die eine Watstelle bei Trockenheit zu überqueren, wäre schon wertvoll.


Mit dem Vogel Heilo (Goldregenpfeifer) ist nun auch mein Lieblingssoundtrack im Fjell gestartet. Viele Leute nerven sich wegen dem Gefippe dieses unscheinbaren Vogels, aber ich liebe es und es gehört für mich ins Fjell, wie das sehr typische „Krikrikri“ des Fjelljos oder Tyvjo. Es hat dieses Jahr aussergewöhnlich viele Vögel im Fjell. Es scheint, dass der frühe Frühling und die milden Temperaturen vorteilhaft sind.

Exakt 200 Meter vor der Watstelle über den Bach fängt es an zu regnen. Naja, die Etappe ist kurz und aufregen bringt nichts. Schnell ist der Bach überwunden und schon geht es hoch in die Steinlandschaft. Der Wind ist sehr kalt und sehr zügig, da brauche ich definitiv die Handschuhe



Als ich über die Hochebene drüber bin und es an den Abstieg geht, fängt es so richtig zu schütten an. Jetzt heisst es einfach Augen auf und durch. Ein richtiger Platzregen begleitet mich über die rutschigen Steine runter zu den Hütten.
Es ist noch nicht mal Mittag, als ich triefnass zur Hütte komme. Meine Gore Tex Schicht von Norrøna hält mich inwendig perfekt trocken und auch die Schuhe sind trotz den Flicken noch dicht.
Hach…wie schön ist es an einem solchen Tag, in eine solch wunderschöne Hütte zu kommen. Schnell ist der grosse Jøtul Ofen eingeheizt und heiss dampfender Kaffee und eine leckere Suppe stehen auf dem Tisch. Die nassen Kleider trocknen schnell über dem Ofen und ich geniesse die aufkommende gemütliche Wärme auf dem Sofa und nicke ein.

Nach rund drei Stunden kommt ein Paar aus Salzburg völlig durchnässt herein. Ich sah sie schon von weitem herankommen. Ich machte beim Ofen Platz an der Garderobe, heizte noch mal kräftig ein und setzte eine grosse Kanne heisses Wasser für die beiden auf. Sie würden sicher froh darum sein, da sie aus der Richtung Dividalen kommen und somit bei diesem Sche…wetter wohl schon 25 Kilometer in den Beinen haben werden.
Genauso ist es und die beiden sind ziemlich froh, jetzt hier in der warmen Hütte zu sein. Spät am Abend kommen noch Uwe und Sonja rein, die später gestartet sind. Wie immer gibt es eine gemütliche Gemeinsamkeit, gute Gespräche und einfach vollste Zufriedenheit, hier sein zu dürfen!
Als ich am Morgen erwache, sehe ich durch das Fenster immer noch ziemlich viel grau und es nieselt noch. Naja, es soll ja besser werden über den ganzen Tag gesehen und ich kenne die Strecke zur Dividalshütte bestens, da wird es keine Überraschungen geben. Es ist die sumpfigste Tagesetappe von Kilpisjärvi nach Narvik und nach diesem Regen gestern sind nasse Schuhe wohl vorprogrammiert. Doch die Wetteraussichten sehen danach absolut perfekt aus, da können mir ein oder zwei Regentage nicht viel ausmachen.
Tag 22 Dærtahytta DNT-Dividalshytta DNT



Wenn man vom Süden her Richtung Dærtahütte läuft, sieht man die Hütte schon über die ganze Ebene hinweg am Horizont. Es dauert dann noch etwa zweieinhalb Stunden bis man ankommt, was ziemlich frustrierend sein kann, da diese Tagesetappe auch die mit Abstand längste ist auf diesem Abschnitt. Läuft man gegen Süden, hat man aber schon fast einen Viertel des Tages hinter sich, wenn die Hütte hinter dem Hügel verschwindet.

Der Abstieg ins Djerttávuopmi ist schnell gemacht und nun folgt ein sehr sumpfiger Teil zwischen zwei Seen hindurch auf die andere Seite. Durch den Regen helfen auch die ausgewählten Schritte von Stein zu Stein oder ein paar Überreste von Holzplanken nicht mehr. Es ist zu viel Wasser und daher geht es jetzt nach dem Prinzip: Augen zu und durch!
Als ich das Gröbste hinter mir habe, treffe ich auf den Thürmerstein. Ich nenne den Stein mit dem Steinmann obendrauf so, weil ich vor ein paar Jahren hier Christine Thürmer über den Weg gelaufen bin. Sie war nordwärts unterwegs und ich, so wie heute, südwärts. Wir hatten einen langen „Schnack“ hier und genossen die Pause bei schönstem Wetter an diesem wunderschönen Ort.



Der Wanderweg, der jetzt auch wieder trockener wird, führt um den Berg Stuora Nanná herum und bringt mich zum Jerttáluoppal. Das Tal wird durch den grossen Bach Skaktarelva geteilt. Hier befindet sich eine der wohl breitesten Watstellen in Nordnorwegen. Die vielen Rentiere hier sind auch gespannt, wie ich diese Stelle meistern werde.



Der Skaktarelva ist zwar gross und breit, aber an dieser Stelle meist sehr seicht. Ich mache hier immer das Spiel: „Ohne Schuhe ausziehen drüber“. Werde ich es auch zum fünften Mal schaffen?
Es braucht ein paar Umwege und ein gutes Auge, aber auch dieses Mal ist es völlig problemlos und nach fünf Minuten stehe ich mit trockenen Schuhen auf der anderen Seite.
Nach der Bachquerung steigt der Weg sehr steil an und führt durch den kleinen und grossen Jerta hindurch auf die andere Seite ins Dividalen. Der Pass liegt heute in dickem Nebel und von Westen scheint eine kleine Regenfront zu kommen. So entschliesse ich nach der Bachquerung eine kurze Nuddelsuppenpause einzulegen, um den steilen Anstieg gut zu meistern.



Der Nebel hält sich allerdings in Grenzen und der aufkommende Wind vertreibt die Schwaden und ich bekomme etwas Sicht auf alle Seiten hin.



Kaum komme ich auf die andere Seite des Passes, öffnet sich der Blick grandios ins querliegende Dividalen und den Längseinschnitt direkt vor mir, das Anjavassdalen.
Auch wenn ich diesen Ausblick schon zum fünften Male zu Gesicht bekommen, verschlägt es mir erneut den Atem und ich staune minutenlang in diese wunderschöne Szenerie hinein.
Die ganze Wanderung von Kilpisjärvi südwärts oder umgekehrt, besticht immer wieder durch den phantastischen Wechsel der Landschaften von Tag zu Tag. Kein Tag ist wie der andere und macht die Wanderung zu etwas ganz speziellem. Das Dividalen gilt als der nördlichste „Urwald“ der Welt, da die Baumbestände hier so unendlich dicht sind und die Flora so vielfältig. Ein spezieller Punkt im Dividalen ist auch seine grössere Population Braunbären, von denen aber kaum jemand einen zu Gesicht bekommen hat.

Oben an der Kante, vor dem sehr steilen Abstieg zur Dividalshütte, habe ich etwas Mobilfunkempfang. Immer eine gute Möglichkeit neben dem Kontakt nach Hause, auch das Wetter zu checken. Man sollte sich nie an das Glück gewöhnen und es immer mit einer grossen Dankbarkeit entgegennehmen. Das tue ich sofort, als ich die Prognose für die nächsten Tage mit wunderbarstem Sommerwetter zu Gesicht bekomme. Bisher wurde ich nur verwöhnt damit und die letzten zwei Tage sind da kaum erwähnenswert mit dem „bisschen“ Regen.
Als ich den steilen Abstieg gemeistert habe, schliesse ich die Haupthütte auf und mache es mir in einem der beiden Zimmer bequem. Hier bin ich nun allerdings ziemlich sicher, dass ich nicht alleine bleiben werde. Es ist Wochenende, schönes Wetter angesagt und von der kleinen Stichstrasse in Frihetsli ist es ein knapp zweistündiger Aufstieg zur Hütte. Die Hütte ist bei Einheimischen sehr beliebt und an Wochenenden ist hier oft sehr viel los.



Bisher hatte ich ein riesiges Glück mit den Mücken und es erstaunt mich doch sehr, dass es hier trotz wenig Wind sehr erträglich, ja sogar sehr gut ist mit den Viechern 🦟🦟. Vielleicht habe ich aber auch einen anderen Standard aus der Finnmark mitgenommen!
Wie vorausgesagt, füllt sich die Hütte bis am Abend. Allerdings kommt der erste Besucher auch aus der Schweiz. Manfred erkennt mich gleich, da er schon vom NPL-Wandertänzer Pesche vorgewarnt wurde. Die beiden haben sich letztes Jahr bei Peters Tour unterwegs kennengelernt und kommen aus dem gleichen Ort. Ebenfalls ist eine Familie aus Karasjok in der Hütte, mit denen wir nette Gespräche führen können.
Einer der Hüttenbesucher arbeitet in der Finnmark als Wildtierbeauftragter der Provinz. Mit ihm rede ich lange über seine Arbeit und das Leben in Karasjok, wo es letzten Winter fast zwei Wochen permanent -50° kalt war! Als ich ihm von meinem Plänen mit der Gaissane und deren Durchquerung erzähle, hört er sehr aufmerksam zu. Er tröstet mich etwas darüber hinweg, diese Durchquerung nicht gemacht zu haben, denn sie haben seit einiger Zeit ein paar Problembären im Gebiet. Er musste diesen Frühling schon zwei Tiere erlegen, die sich zu nahe an die Ortschaften Karasjok und Tana Bru herangewagt hatten. Auch sei dieses Jahr das erste Mal ein Braunbär vor den Toren von Lakselv gestanden, den sie erfolgreich vergrämen konnten. Er sehe dies nicht zu kritisch, aber durch das vermehrte Erscheinen von Menschen in dessen natürlichen Habitat, sei der Bär mittlerweile nicht mehr so scheu wie auch schon. Wanderer, Mountain Biker, Hobbytierbeobachter seien vermehrt in sehr abgeschiedenen Regionen unterwegs, dort wo sich der Bär zurückziehen möchte. Diesen Hinweis nehme ich gerne zur Kenntnis und bin jetzt doch gerade etwas froh, nicht in die Gaissane gegangen zu sein, obwohl ich wohl kaum einem Bären über den Weg gelaufen wäre…wahrscheinlich!


Als ich am Morgen aufwache, kitzelt mich schon um 5.00 die Sonne an der Nase. „Ui…meine Butter“ kommt mir mit einem Schrecken in den Sinn! Ich habe immer eine Butter mit im Gepäck, da sich diese hervorragend hält ohne schlecht zu werden. Über Nacht hänge ich diese immer in einem Plastiksack raus, damit sie etwas gekühlt wird. Doch wenn die Sonne 24 Stunden scheint und sich vor allem um den Himmelszenit dreht, ist es nicht ganz einfach abzuschätzen, wo der beste und schattigste Platz für die Butter ist. Jetzt hängt sie voll in der Sonne und wird wohl ziemlich streichfertig sein!
Doch alles halb so wild. Es waren wohl erst ein paar Minuten und das hat der Butter nicht geschadet.
Ich stehe vor der Hütte und betrachte dieses unglaubliche Panorama vor mir. Mein Weg führt mich heute direkt ins Dividalen runter und dann vis a vis hoch ins Anjavassdalen rein. Eigentlich sehe ich heute meine ganze Tagesetappe auf einen Blick, ausser den rund letzten drei Kilometer.
So trete ich wieder in die Hütte ein, frühstücke gemütlich und dann geht es los in den Urwald.
Tag 23 / Dividalshytta DNT-Vuomahytta DNT






Als ich am Bach Hávgajohka und bei dessen Hängebrücke ankomme, mache ich einen kurzen Abstecher zur Anjavasshütte. Ich habe diese kleine Hütte noch nie gesehen aber immer wieder gehört, wie schön sie sei und was für eine wunderbare Lage sie hat. Sie gehört dem Statskog und ist verschlossen. Bei der Reservation und nach dem Bezahlen, bekommt man einen Zahlencode für das Schloss.



Über die Hängebrücke komme ich rüber ins Anjavassdalen. Heute ist für mich natürlich auch ein absoluter Glückstag, werde ich doch in irgendeiner Art den ganzen Tag von Anja begleitet.


Der Weg führt nun lange dem Bach Anjavasselva entlang. Es ist traumhaft schön und schon sehr warm heute Morgen. Was für ein Glück, dass ich hier dieses Jahr keinerlei Probleme mit den lästigen Mücken habe. Normalerweise sind hier Wolken von diesen Viechern unterwegs und können ziemlich an den Nerven reissen.
Als ich kurz eine Pause einlege, kommt mir spontan ein Bild in den Sinn, das exakt hier von mir aufgenommen wurde 2015.



Als ich zur Hängebrücke am Vuomajohka komme, entscheide ich mich dem DNT Wanderweg weiter ins Anjavassdalen zu folgen und nicht die weglose Abkürzung dem Bach entlang zu nehmen. Zeitlich macht es nicht viel aus und kilometermässig auch nicht die Welt. Zudem ist heute ein so wunderschöner und einfacher Wandertag, den will ich mit allen Sinnen geniessen.






Selten habe ich so viel Zeit für 18 Km gebraucht…aber wen wundert’s! Ich kann mich kaum satt sehen, es ist schlicht ein 150% Tag!
Mein Ziel ist die baugleiche Hütte wie in Dærta, die Vuomahytta DNT. Sie ist die neuste und modernste im Gebiet.




Einfach eine unglaubliche Hütte, in einer einzigartigen Landschaft.


Auf der Hütte treffe ich den Niederländer Alexander. Er ist am Nordkap zu seiner Norge på langs Tour gestartet und läuft nach Hause, in sein neues Zuhause, auf der südnorwegischen Insel Hidra. Wir finden schnell den Draht zueinander, da wir beide eine ziemlich gleiche Einstellung zur Tour haben, obwohl er sie das erste Mal läuft. Alexander erzählt mir viel von seinen letzten Wochen und auch von seinen grossen gesundheitlichen Problemen. Eine Entzündung im Beckenknochen, was sich sich später als eine Schleimbeutelentzündung herausstellen soll. Magenprobleme in der Finnmark, welche seine Leistungsfähigkeit heruntergeschraubt haben. Einmal mehr wird mir bewusst, was für ein riesiges Glück ich bisher hatte mit meinen kleinen Wehwehchen!
Am Abend bringt uns ein norwegischer Fischer, seine restlichen Vorräte an Essen. Er hat so viel Fisch gefangen, dass er den Proviant nicht mehr nach Hause tragen will.
Alexander und ich geniessen das zusätzliche Essen und können auch die Hütte für uns selbst erleben…niemand sonst da. Ich staune echt Bauklötze, denn ich habe hier definitiv mit einem ziemlichen Menschenauflauf gerechnet. Es ist Hochsaison, Ferienzeit, das Wetter immer wieder traumhaft, aber kaum jemand ist unterwegs. Nicht, dass mich das gerade sehr stört, im Gegenteil, doch es ist schon erstaunlich. Vielleicht haben auch die Norweger/innen nach der ganzen Coronazeit einfach mal genug vom Wandern?
Alexander und ich geniessen den phantastisch schönen Abend und philosophieren bis spät in die „Nacht“ hinein.
Für den nächsten Tag, plane ich eine Hütte zu überspringen (Gaskas DNT) und runter zur Husky Farm von Björn Klauer zu gehen. Dort arbeitet Alex Denk (Wanderbursche) seit ein paar Jahren. Er ist 2018 vom spanischen Tarifa bis ans Nordkap gewandert und unterwegs bei der Husky Farm vorbeigekommen. Er hat sich in den Ort verliebt und ist schlussendlich dort hängengeblieben. Ich hatte 2018 Alex via seinen Blog verfolgt und er ist mir sofort aufgefallen. Seine Art, sein Denken und seine Unbekümmertheit mit einer solchen Extremwanderung umzugehen, haben mich sehr beeindruckt. Immer wieder treffe ich in Hüttenbüchern auf seine Einträge, seine Zitate, seine Gedanken und ich komme nicht umhin, mich vom Wanderburschen ziemlich inspiriert zu fühlen. Es ist ganz grosses Glück, dass ich Alex noch treffen kann, denn er ist gerade in den Vorbereitungen zu seinem Urlaub. Durch den Vorsprung den ich auf meine Wandertabelle habe, klappt es nun doch noch, was mich super freut.
Nach einer kurzen Nacht bin ich auch heute wieder sehr früh unterwegs. Alexander startet kurz hinter mir und wahrscheinlich werden wir uns bis Narvik irgendwo wiedersehen.
Tag 24 / Vuomahytta DNT-Innset

Der Tag ist wieder eine absolute Wucht und…heiss, sehr heiss!





In den bisherigen Malen als ich diese Tour im Dividalen und Rohkunborri National Park gemacht habe, gab es eine Tagesetappe, welche ich noch nie bei schönem Wetter machen durfte. Auch diesen Punkt kann ich heute erfolgreich abhaken!

Die 16 Kilometer zur Gaskashütte sind bei diesen Bedingungen schnell zurückgelegt und so geniesse ich dort eine lange Mittagspause. Ab hier ist nun auch wieder Mobilfunkempfang und ich sehe kurz nach meinem Paket. Hmpf… es hängt tatsächlich immer noch in Oslo fest, obwohl es ein Priority Paket und der Zoll auch schon erledigt ist. Ich habe noch drei Tage nach Narvik und dort ist ein Ruhetag vorgesehen, das wird doch genügen? Ich bin zwar sehr erfreut, dass meine Schuhreparatur super geklappt hat und auch noch gut hält, doch weiter als Narvik wird das wohl nicht halten, gerade im sehr steinigen Narvikfjell!






Die Hitze ist echt fordernd, aber zumindest bläst ein laues Lüftchen, das die wenigen Bremsen und Mücken etwas von ihrer Arbeit abhält.







Alex hat mir angeboten, mich am Damm des Sees abzuholen, damit ich die vier Km Strasse nicht mehr laufen muss. Ich bin gerade überhaupt nicht enttäuscht über diesen Vorschlag, denn die 32 Kilometer bei dieser Wärme waren doch sehr zehrend!
Schon rauscht Alex mit seinem Jeep heran und ich freue mich sehr, ihn endlich zu treffen. In der Husky Farm werden wir gleich von 85 Huskys lautstark empfangen. Jedoch nicht zu meinen Ehren, denn Alex hat demnächst gleich eine Fütterung anstehen, die ich nicht verpassen will.





Ich bekomme ein gemütliches Zimmer im Gästehaus, kann duschen, meine Wäsche waschen und Alex kocht auch noch eine grosse Pfanne Pasta mit Gemüse. Genuss pur!
Die Farm ist sehr eindrücklich und Alex erzählt mir viel von seiner Arbeit, seiner Passion hier zu sein. Wir tauschen uns über unsere Reisen und unsere Leben aus und es wird ein wunderschöner Aufenthalt in Innset.



Ich bedaure schon fast, am nächsten Tag wieder weiterzugehen. Doch Alex ist ja auf dem Sprung in den wohlverdienten Urlaub und mein Plan ist, in zwei Tagen in Narvik zu sein.
Ich habe mich unheimlich wohlgefühlt in Innset und konnte nun endlich auch die grosse Gastfreundschaft und den super Service für NPL Läufer geniessen, von dem ich bisher nur immer gelesen habe. Vielen herzlichen Dank an die Husky Farm Innset.
Und natürlich ein ganz grosses Danke an dich Alex! Dieser Besuch und das persönliche Kennenlernen deinerseits, ist für mich ein absolutes Highlight auf der Tour und wird unvergessen bleiben.

Tag 25 / Innset-Tornevasslia

Am Morgen bringt mich Alex wieder zum Damm rauf, damit ich die vier Kilometer Strasse nicht laufen muss. Nach einer herzlichen Verabschiedung bringt mich mein Weg über den grossen Damm des Altevatnet und auf den ATV Track und DNT Wanderweg Richtung Lappjordhütte.
Schon jetzt um 8.00 am Morgen ist es unglaublich warm, eigentlich schon fast heiss. Beim Aufstieg ins Salvasskardet fliesst der Schweiss in Strömen. Weit vor mir sehe ich einen Wanderer und schon sehr bald erkenne ich Alexander, den ich in der Vuomahütte kennengelernt habe. Er hat wohl in der Altevasshütte übernachtet und ist jetzt auch wieder auf dem gleichen Weg wie ich unterwegs.




Schon bald habe ich ihn eingeholt und wir machen zusammen eine kurze Rast im einzigen Schatten hier, den ein kleines Kraftwerkshäusschen bietet. Auch er leidet unter der Hitze und wir hoffen beide auf etwas aufkommenden Wind, wenn wir höher kommen. Wie schon nach Vuoma, werden wir auch hier wieder getrennt unterwegs sein, damit jeder sein eigenes Tempo gehen kann. Provisorisch haben wir in der Lappjordhütte abgemacht, aber gut möglich, dass wir beide heute irgendwo noch am selben Ort campieren werden.

Was bin ich froh, als endlich ein bisschen Wind aufkommt. Die Hitze ist wirklich schon ziemlich schweisstreibend, vor allem, weil es eine feuchte Hitze ist.
Mittlerweile habe ich auch einen Gang rausgenommen und nehme es etwas gemütlicher.









Ich kann mir kaum mehr vorstellen, wie das damals war, als ich hier letztes Mal in einem heftigen Schneesturm Mitte August rüber musste!
Am Riksoelva gibt es zuerst mal ein ausgedehntes Bad. Es ist schon ein wahrer Luxus, wenn man baden und gleichzeitig das kristallklare Wasser trinken kann. Ich geniesse die Pause gerade sehr und da der Wind nur gemächlich bläst, entscheide ich, für heute einen Campspot zu suchen.
Als ich weiterlaufe, entdecke ich auf einem Firnschneefeld eine grosse Herde Rentiere. An die hundert Tiere tummeln sich darauf und weiter unten sind nochmals weitere einhundert bis einhundertfünfzig Tiere, die sich das Schneefeld teilen wollen.
Für die Rentiere sind solche Schneefelder nicht nur einfach ein Genuss, sondern lebensnotwendig. Rentiere verfügen über einen sehr empfindlichen Temperaturkreislauf und sind andauernd auf Kühlung angewiesen. Ohne diese Schnee- und Firnfelder erleiden die Tiere einen überaus qualvollen Tod. Ich erinnere mich nur zu gut an Terris Worte in Stabbursdalen, als er mir beschrieben hat, was mit den Tieren abgeht. (Es ist schlicht einfach zu grausam, dies hier in allen Einzelheiten zu beschreiben.)
Schon jetzt im Juli hat es nur noch wenige dieser kältebringenden Felder und die Tiere drängen sich auf kleinsten Räumen, um zu überleben. Der Klimawandel ist hier noch einmal viel deutlicher zu spüren und zu erleben als zuhause. Ob diese Tiere hier auf dem kleinen Schneefeld den Sommer überleben werden ist fraglich, denn diese Situation fördert auch immer mehr Krankheiten unter den Vierbeinern.
Es bewegt mich zutiefst und macht mich unendlich traurig. Gerade wenn man weiss, dass es Lösungen für diese Probleme gibt und doch ist der Mensch nicht dazu bereit etwas zu ändern. Ja, auch ich bin mit meinem Handeln mitverantwortlich und selbst Terri hat das unverantwortliche Handeln vieler Samis mit sehr markigen Worten verurteilt. Wir sind alle ein Teil des Problems, aber auch ein Teil der Lösung. Würden wir alle nur ein bisschen etwas dazu beitragen und damit sind keine Extrempositionen gemeint, würde sich die Situation auch für die Rentiere wieder verbessern. Doch wir halten uns lieber mit radikalen und populistischen Voten über Wasser, bis irgendwann das Schiff endgültig sinkt. Ein Moment, in dem ich an der Verbindung der beiden Worte: Mensch-Intelligenz, sehr stark zweifle.





Eigentlich hat es hier unendlich viele geniale Zeltplätze, doch das absolute Highlight finde ich keine zwei Kilometer vor der Lappjordhütte, oberhalb am Tornesvasslia.


Die Aussicht auf den riesigen Torneträsk, das dahinter liegende Abisko und die beiden Daumen des Lapportengebirges ist absolut einmalig. Es weht nur ein sanftes Lüftchen, gerade genug um die paar wenigen Mücken in die Flucht zu schlagen.




Kurze Zeit nach mir trifft auch Alexander ein. Er hält den Campspot auch genau richtig für sich… kein Wunder!



Noch lange sitzen Alexander und ich vor unseren Zelten und führen unsere philosophischen Gespräche von Vuoma weiter. Ich spüre gerade, dass mich diese Gespräche weiterbringen in meinem Denken über die Tour. Je länger die Wanderung anhält, je weiter entferne ich mich von Vorgaben, die ich mir in den letzten Jahren immer mehr gemacht habe. Die Frage, um was es hier wirklich geht, fördert immer mehr alternative Antworten zu Tage. Eine spannende Geschichte!
Tag 26 / Tornevasslia-Katterjåkk

Am nächsten Tag will ich runter an die E10 Strasse und versuchen nach Narvik zu trampen. Der Zug am Bahnhof von Björkliden, der am nächsten zum Wanderweg liegt, fährt erst am Abend und solange will ich nicht warten. Die Alternative ist aber die Strasse zum Bahnhof nach Katterjåkk. Hier eine Mitfahrgelegenheit zu finden, sollte eigentlich nicht schwer sein.
Auch Alexander hat seinen Plan verworfen, die 25 Kilometer Strasse zu laufen und auch er will den Daumen raushalten. Unser beider Ziel heisst: Narvik!








Als ich bei der alten schwedischen STF Hütte in Pålno vorbeikomme, staune ich nicht schlecht, dass die alte Müllhalde wieder in Schuss gesetzt wurde. Tack sa mycket STF!





Entlang des Torneträsk geht es im ewigen auf und ab zur Strasse. Dieser Weg ist definitiv nicht das ganz grosse Highlight und zieht sich oft sehr lange dem Torneträsk entlang. Aber dann ist es endlich geschafft und der Verkehrslärm deutet auf die Strasse hin.
Ja, wie das so ist mit Trampen. Man hat Glück oder nicht! Während Alexander, der nach mir gestartet ist, schon nach einer halben Stunde Erfolg hat und nach Riksgränsen kommt, wo er am Abend den Zug nach Narvik nehmen kann, muss ich ganze 21 Kilometer bis nach Katterjåkk laufen. Zum grossen Glück hat es neben der Strasse einen breiten Kiesstreifen, der meine Beine etwas schont.
Dann habe es auch ich geschafft und eine Stunde später kann ich im Hotel von Narvik einchecken.




Als ich mich auf das Bett werfe und auf meine Schuhnasen schaue, bin ich unendlich dankbar, dass die beiden Schuhe das ohne Probleme mitgemacht haben. Es hat tatsächlich geklappt und meine Sorgen waren überflüssig.
Und wo ist mein Paket? Das Paket mit meinen neuen Schuhen ist tatsächlich erst gestern in Narvik angekommen, aber somit passt es perfekt und ich bin sehr erleichtert.
Ich bekomme eine Nachricht von Alexander, der mittlerweile auch mit dem Zug in Narvik angekommen und zufälligerweise im gleichen Hotel abgestiegen ist wie ich. Somit freue ich mich auf ein tolles Feierabendbier in Gesellschaft!
Zuerst heisst es aber lange duschen, dann zu einem frühen Abendessen gehen und meine ersten 500 Kilometer feiern!

Die 500 Kilometer erreichte ich heute sehr unspektakulär auf der Hauptstrasse E10. Aber eigentlich sind mir diese 500 Kilometer auch gar nicht so wichtig. Bisher hatte ich ein unglaubliches Wetterglück, die Bedingungen hätten nicht besser sein können, meine Gesundheit macht mit ein paar sehr kleinen Ausnahmen bestens mit, ich liege super im Terminplan und lerne immer wieder sehr tolle Menschen kennen. Mit Narvik habe ich einen grossen Meilenstein meiner Tour erreicht und nun freue ich mich auf mein „Wohnzimmer“ Narvikfjell und den nachfolgenden Padjelanta National Park in Schweden.
Nach einem überaus guten Frühstück und einer sehr erholsamen Nacht, mache ich mich auf den Weg, um mein langersehntes Paket abzuholen. Endlich neue Schuhe, da freue ich mich wahnsinnig darauf! Mit Anja habe ich noch lange telefoniert gestern und ich bin ihr so sehr dankbar, dass sie mich so unglaublich toll unterstützt. Sie weiss genau was es auf so einer Tour braucht und wo die Schwerpunkte liegen und sie weiss aus eigener Erfahrung, was es persönlich braucht um sorgenfrei unterwegs zu sein.
In ihren Worten habe ich auch herausgehört, dass im Paket wohl noch eine Überraschung sein könnte und so bin ich sehr gespannt, was ich da vorfinden werde.
Als ich bei der Abholstelle eintreffe, wird mir das Paket zügig überreicht. Doch… das Paket ist sehr leicht… zu leicht! Ich schaue auf den Abholungsschein und mein Eindruck ist richtig, das Paket ist nur knapp über 1 Kilogramm schwer. Dies bei einem Nettogewicht der Schuhe von 1.2 Kilogramm. Dieses Gewicht ist mir schon im Online-Tracking des Pakets aufgefallen und hat Fragen aufgeworfen. Schliesslich arbeite ich bei der Post und habe damit Erfahrung, aber ich habe dies einem Wiegefehler zugeschrieben.
Nun bin ich gespannt wie ein Flitzebogen und mache mich rasch auf den Weg ins Hotel, ich will wissen was da drin ist!
Als ich im Zimmer ankomme, reisse ich das Paket auf und falle beinahe in Ohnmacht:

Unser gemeinsames kleines Stoff-Maskottchen, der kleine rota Panda „Mumu“, Gummibärchen, ein Deo, Nastücher und ein Körperpflegeöl!
„Wo sind meine Schuhe?'“…ich ringe um Fassung und kann es kaum glauben! „Was passiert da gerade?“
Doch eine Karte mit der Aufschrift: „Glaube nicht alles, was du denkst!“, bringt mir die Lösung. Auf der Rückseite sind ein paar Zeilen von Anja, die mich erneut nahe an die Ohnmacht bringen. Ich soll keine Angst über ihren geistigen Zustand haben und auch nicht an eine grosse Vergesslichkeit ihrerseits denken. Ich werde die Schuhe heute Abend in meinen Händen halten, jedoch nicht, weil sie mit einem Paket versendet wurden (ich ahnte schon, dass vielleicht ein zweites Paket unterwegs sein könnte), sondern weil sie mir diese heute Abend persönlich überreichen will!
In meiner geistigen Verwirrtheit versuche ich sofort Anja anzurufen, doch dies ist erfolglos, denn sie sitzt ja schon im Flugzeug nach Narvik. Sie hat sich ein paar Tage freigehauen, um mir einen unerwarteten Besuch abzustatten und dabei die Schuhe mitzunehmen. Ich kann es vor Glück kaum glauben und muss nun herzhaft lachen. Dass muss die Retourkutsche von letztem Jahr sein, als ich Anja völlig unerwartet vor Rjukan mit einem Kistchen Erdbeeren mitten im Wald aufgelauert habe, um sie zu überraschen.
Diese Überraschung ist nun definitiv gelungen und so ist auch klar, dass ich meinen Aufenthalt hier in Narvik von zwei auf drei Tage verlängern und das Einzel- auf ein Doppelzimmer upgraden werde!
Es folgt das nächste Kapitel: Mein „Fast-Zuhause“: Narvikfjell + Padjelanta