Norge på langs


Es gibt viele Langdistanzwanderwege auf der Welt, sei es in England der Coast to Coast , der Appalachian Trail und einer der längsten Pacific Crest Trail, beide in Amerika.

Norwegen hat seinen eigenen Weg….“Norge på langs“ oder zu Deutsch: Norwegen der Länge nach. Distanz je nach Ausführung c.a 2700 Km. Startort ist meist Kap Lindesnes im Süden und Zielort ist das Nordkap an Norwegens nördlichstem Punkt. Ob von Süd gegen Nord oder Nord gegen Süd liegt in der Entscheidung des Läufers, und richtete sich meist nach den saisonalen Bedingungen.

Anders als bei den meisten anderen Fernwanderwegen, existiert bei Norge på langs keine festgelegte Route, keine Zeit- oder Jahreszeitvorgabe. Dies führt dazu, dass sich die meisten Tourberichte voneinander unterscheiden und so jeder seine individuelle Tour begehen kann.

Bis 2013 wurde diese Tour im Jahr c.a. 30-50 Mal begangen. Ab da stieg die Anzahl zum Teil deutlich an und konsolidierte sich zu Beginn der 20 Jahre bei rund 200-300 Läufer/innen. Die Jahre 2020 und 2021sind allerdings Coronabedingt nicht sehr repräsentativ, da die Grenzen zum Teil über viele Monate geschlossen waren. Ab 2022 ist nun wieder ein deutlicher Anstieg feststellbar und auch für das Jahr 2023 werden wieder einige hundert Läufer/innen auf NPL erwartet.

Die Anzahl Läufer/innen pro Jahr weist aber keinen so extremen Anstieg auf, wie es zum Beispiel auf den nordamerikanischen Fernwanderwegen zu sehen ist. Die Gründe dafür liegen wohl an der Geographie, der Einsamkeit Norwegens, sowie der zum Teil rauen, meteorologischen Verhältnisse.
Wie der Namen der Tour ja schon andeutet, wäre es eine Tour welche Norwegen der Länge nach durchquert. Auf heutigen Touren werden aber bisweilen rund 10 – 15 Prozent der Strecke auf schwedischem, wie auch auf finnischem Boden zurückgelegt. Das Wanderwegnetz rund um die bekannten Fernwanderwege wie Kungsleden, Nordkalottleden oder Nordlandsruta ist heute gut ausgebaut, es befinden sich viele hundert Hütten entlang dieser Wege, Fähren fahren über grosse Seen und es führen zum Teil gut ausgebaute Strassen quer über die Hochfjells. Doch es ist nicht Bequemlichkeit die die NPL – Läufer dazu bewegt sich auf solche „Hilfsmittel“ einzulassen, es ist zum grossen Teil die Zeit und die Verhältnisse die den Weg bestimmen. Und warum soll man in 3-4 Tagen mühsam in dickem Buschwerk um einen See herumlaufen, wenn man es in einer halben Stunde per Fähre über den See haben kann, und sich so mehr Zeit für die phantastische Landschaft nehmen darf.

Über die Jahre hat sich auf der am meisten begangenen Route, ein durchschnittlicher Zeitbedarf von ziemlich genau 120 Tagen / 4 Monate herauskristallisiert. Wobei im Durchschnitt c.a. 110 Tage reine Laufzeit anfallen.

Ganz wenige Verwegene wagen sich an eine Tour, die zum Ziel hat, nur auf norwegischem Staatsgebiet zu laufen. Diese Variante ist allerdings eher sehr erfahrenen und wildnisbegeisterten Läufer/innen vorbehalten. Viele Routenabschnitte bewegen sich in zivilisationslosen und unerschlossenen Gebieten und weisen zum Teil sehr anspruchsvolles Terrain auf. Zusätzlich ist bei einigermassen guten Verhältnissen der Zeitbedarf um einiges höher und man muss mindestens 150-160 Tage auf der Rechnung haben.

Heute kaum mehr begangen wird die Variante Norge på Grensen. Ab und zu trifft man grenznah noch an die kleinen schwarzweiss gehaltenen kleinen Metallschilder, mit dem alten Emblem der Tour. Auf dieser Tour hält man sich innerhalb eines Korridors an die Staatsgrenze zwischen Norwegen und Schweden. Noch mutigere haben sich dann auch dem Grenzverlauf der beiden Länder angenommen. Dies ist dann allerdings ein sehr abenteuerliches Unternehmen. Ein Blick auf die Landkarte erklärt warum!

Routenwahl

Wie schon am Anfang betont, liegt die Routenwahl frei. Waren früher viele verschieden Varianten erwandert worden, hat sich in den letzten Jahren vieles vereinheitlicht und Planungen ähneln sich sehr stark.

Wie eine Planung aussehen kann, sieht man am Beispiel meiner Google Maps Karte. (Speziell an meiner Planung ist natürlich die Teilung über zwei Jahre!)

Oft werden Routenplanungen von Läufer/Innen untereinander ausgetauscht. Der Aufwand, ganz Norwegen und mögliche Proviantstellen durchzuplanen, erfordert viel Zeit und Geduld. Mit den heutigen, technischen Möglichkeiten ist es nahtlos möglich, die ganze Planung auf ein einziges Smartphone oder eine Smartwatch zu speichern. Wieviel Abhängigkeit es mit der digitalen Welt sein soll, wieviel Fantasie schlussendlich jedem vorbehalten bleibt, das muss wohl jede/r mit sich selbst ausmachen. Ich denke etwas Improvisation darf ruhig mit dabei sein, und….. ich durfte dies selbst miterleben, wie ärgerlich es ist, wenn eine exakte Planung schon am dritten Tag über den Haufen geworfen wird. Viel Arbeit geht verloren und kurzfristiges planen ist plötzlich angesagt. 

Ob es von Süden nach Norden, oder von Norden nach Süden geht, liegt wohl in der Präferenz, ob man von der Einsamkeit in die Zivilisation oder umgekehrt gehen möchte.
Ist bei der Frage des Startortes im Süden der Fall ziemlich klar mit dem Kap Lindesnes und dem Leuchtturm, so unklar ist diese Frage beim Ziel im Norden. Als erstes denkt man sicher an das Nordkap mit seinen hohen Felsen und der stählernen Weltkugel am Nordkapcenter. Hier ist der nördlichste Punkt Norwegens und somit Europas. Falsch, denn westlich neben dem Nordkap-Felsen, befindet sich eine kleine Landzunge mit dem Namen Knivskjellodden.
Bei der Erschliessung durch den Tourismus war die Landzunge Knivskjellodden weit weniger spektakulär als die hohen Felsen am Nordkap und so hat man den nördlichsten Punkt etwas versetzt.
Nun werden uns aber gerade die Norweger nochmals eines besseren belehren. Es fällt auf, dass vorallem norwegische NPL Läufer/innen ihre Tour am Nordkinn beginnen oder beenden. Kap Lindesnes ist der südlichste Festlandpunkt Norwegens und Kinnarodden am Nordkinn der nördlichste Festlandpunkt Norwegens. Denn, das Nordkap und Knivskjelodden befinden sich auf der Insel Magerøya und sind nur durch einen Strassentunnel mit dem Festland verbunden. Wer das Haar in der Suppe sucht, der findet es sicher hier….. Der Weg nach Kinnarodden ist allerdings gerade auf den letzten 25 Kilometer sehr beschwerlich, daher wählen doch einige den bequemeren Teil mit dem Nordkap und seinen Verkehrsmitteln für die Rückfahrt. (Kartenausschnitt Nordkap/Nordkinn)

Nordkap
Kartenausschnitt: ut.no

Wer einen ersten Einblick in die Planung haben will, soll sich mit den hervorragenden Online Karten von ut.no (Norwegen), Landmateriet (Schweden), Retikartta (Finnland) ein Bild machen.
Weiter wird die Liste der Touren (norgepaalangsinfo)von Odd Vinje, auf welcher in den letzten 10 Jahren viele Reiseberichte in Blogs und Webpages kreiert wurden, einen bunten Mix an Möglichkeiten und Eindrücken vermitteln.

Grundsätzlich unterscheidet man drei Varianten, wie man saisonal die Tour begehen kann (hier ist explizit die reine Lauf und/oder Skitour gemeint).

Wintertour    Ice_Skiing_Map_Sign_clip_art_small

Sie gilt als die einfachste Variante, das muss aber gleich mit einem grossen „aber“ versehen werden. Wer sich entscheidet Norwegen im Winter mit Laufskiern zu durchqueren, wird wohl ein Abenteuer besonderer Art erleben. Die grossen Vorteile im Winter liegen auf der Hand, wenn es um die topographischen Verhältnisse geht. Seen und Flüsse sind zugefroren, Sümpfe, Moore und Buschwerk sind tief unter dem Schnee versteckt, Aufstiege oft einfacher und Abfahrten umso schneller. Das Mehrgepäck im Winter lagerte auf einer Pulka (Schlitten) , so wird das Tragen von 25 – 30 Kg. überflüssig, hingegen ist eine 60 Kg schwere Pulka im Nasschnee auch nicht ganz ohne.
Mit dem „aber“ sind auch die z.T. heftigen Schneestürme, die eisigen Temperaturen und die gefährlichen White Outs (Sicht unter 10 Meter) gemeint, welche die Tour begleiten können. Es ist nur absoluten Könnern vorenthalten eine solche Tour alleine zu machen, hier empfiehlt sich dringendst einen oder mehrere Partner zu haben. Wer es liebt auch bei Kälte und Schnee zu campieren, wer sich nicht scheut mit viel Gepäck unterwegs zu sein, wird mit Sicherheit eine sensationelle Tour erleben können.

Winter/Sommer – Tour   Hiking_clip_art_small + Ice_Skiing_Map_Sign_clip_art_small

Diese Art der Tour ist wohl für Norweger/innen die am meisten begangene Variante. Der Grund liegt an der zeitlichen Unabhängigkeit der Jahreszeiten. Obwohl Norwegen ein sehr mildes Klima besitzt, sind aufgrund der geographischen Lage die Sommer relativ kurz, und die jahreszeitlichen Umstürze können oft nur wenige Tage dauern. Wie hat mir ein Sami in der Finnmark die Verhältnisse mal bildlich erklärt; „Der Winter dauert Wochen, ja Monate….der Frühling und der Herbst kann Tage oder sogar Wochen dauern…… der Sommer findet vom Vormittag bis Nachmittag statt!“ Wer Ende März / Anfangs April loszieht, wird den verbleibenden Schnee vom Winter in den höheren Lagen gut mit den Skis ausnützen können. Die Umstellung auf das Laufen wird dann meist ab c.a. einem Drittel der Distanz fliessend von statten gehen. Hier wird aber schon das grosse Problem mit der Ausrüstung ersichtlich und auch der Grund, warum zu 95% nur Norweger oder Schweden diese Variante wählen. Die Logistik wird für einen Nichtnordländer sehr umständlich und praktisch kaum umsetzbar, Ausnahme sind Bekannte oder Freunde innerhalb Norwegens, die die Aufgabe der Versorgung übernehmen. Norweger haben den Vorteil, oft über das ganze Land verteilt Familie, Freunde oder Bekannte zu haben, welche die Ausrüstung an gewünschte Orte bringen können. Denn, wer weiss schon wo der Wechsel von Ski zu Wanderstiefel stattfinden wird und ab welchem Punkt der Rucksack zum Einsatz kommt. Die Vorteile liegen darin, dass die Tour ohne weiteres fünf Monate und mehr dauern kann, man also mehr Zeit zur Verfügung hat und alle vier Jahreszeiten erleben darf.

Sommertour   Hiking_clip_art_small

Die Sommertour kann ruhig als die Königsvariante bezeichnet werden. Nicht nur dass man die Natur in drei Jahreszeiten erleben kann, man ist auch auf eine bestimmte Zeit beschränkt, und sollte tunlichst dem Winter nicht ins Angesicht sehen. Die Ausrüstung wird auf der ganzen Strecke getragen, sollte daher auch nicht zu schwer sein. Dies bedeutet aber auch, dass man sich beschränken muss, was zum Beispiel dicke und warme Kleider angeht. Ab 25 Kilogramm kann das Laufen schon zur Qual werden, gerade wenn die Verhältnisse nicht optimal sind.
Der zeitliche Druck ist nicht ganz zu vernachlässigen. Startet man zu früh im Frühling, kann  es noch viel Schnee haben, startet man spät, wird man vielleicht am Kap vom Winter überrascht. Es gilt dies gut abzuwägen und die Verhältnisse müssen oft etwas genauer unter die Lupe genommen werden. Die Vorteile an dieser Variante sind aber eindeutig in der Mehrzahl. Durch die lichtintensive Zeit, kann ohne weiteres auch in der „Nacht“ gelaufen werden. Die Infrastruktur entlang des Weges läuft in der Saison auf Hochtouren (bewirtete Hütten, Campings, saisonale Shops und Läden). Auch trifft man, wenn man Wert darauf legt, mehr Menschen entlang der Hauptrouten an. Dies kann in den vielen, einsamen Tagen auch etwas Abwechslung bedeuten. Hinzu kommt die ganze Bandbreite des Wetters, der Fauna und Flora.

Voraussetzungen

Die wichtigste Voraussetzung eine solche Tour zu machen, ist………. sie zu machen! Eine Langtour wie Norge på langs kann grundsätzlich jeder machen der über eine einigermassen gute Konstitution verfügt, ein paar „Fränkli“ oder Euros auf der Seite hat, und den Mut hat, es wirklich zu tun. 2700 Kilometer an einem oder mehreren Stücken zu laufen kann man getrost als eine tolle Leistung bewerten, aber es ist keine weltbewegende Tat. Vielmehr ist es die Entscheidung, diesen Schritt zu machen, mehrere Monate aus der Gesellschaft auszutreten, um ein ganz persönliches Ziel zu erreichen. Dies grenzt heutzutage schon fast ans Unmögliche. Gerade in dieser leistungsorientierten Welt kann dieser Schritt mehr Kraft benötigen als die höchsten Berge zu besteigen.
Ein/e jede/r der mit einem gepackten Rucksack am Nordkap oder dem Kap Lindesnes, oder sonst einem Punkt dieser Welt steht um eine Reise zu beginnen, hat schon gewonnen, egal wie das Resultat aussieht ! 

Es macht einen grossen Unterschied, ob man eine Langtour mit einem gewissen sportlichen Hintergrund angeht, oder ob „nur“ das Abenteuer zählt. Wer sich einen ganz bestimmten Zeithorizont vorgibt, wird nicht umhin kommen, zwischendurch Kompromisse einzugehen. So mancher wurde während der Tour schon von der Zeit überrascht, und musste vielleicht auf dem letzten Drittel alle verfügbaren Reserven aufbieten, um den Termin noch zu schaffen.
Wer nur darauf aus ist, ein Abenteuer zu erleben, sich treiben zu lassen und sich keine Gedanken machen will wann er ankommt, dem kann man sicher empfehlen Norge på langs in 2 oder 3 Etappen zu machen. Es gibt keine Vorgaben oder Ziellinien die unabdingbar erreicht werden müssen, obwohl es immer wieder welche gibt die das behaupten. „Der Weg ist das Ziel“ gilt auf einer Langtour wohl mehr als sonst irgendwo. Wer sich nicht allzu fest fixiert, kann schlussendlich auch nicht enttäuscht werden, wenn sich etwas in die falsche Richtung entwickelt. So jedenfalls erging es auch mir, als ich die Tour 2013 in der Mitte abbrechen musste. Die Vorfreude auf 2015 überdeckte jegliche negativen Gedanken.

Gefahren

Eine Langtour wie Norge på langs beinhaltet vor allem eine Gefahr: süchtig zu werden!! Sei es in der Vorbereitung, während der Tour oder in der Nachbearbeitung…..das Suchtpotential ist riesengross. Man wird gefesselt von der Idee „es“ zu tun, man träumt von Norwegen, man redet nur noch über Norwegen, man wird schon fast zum Norweger.
Selbst die Norweger/innen welche in ihrem eigenen Land, in ihrem Zuhause unterwegs sind, erliegen der Faszination von Norge på langs. Doch es ist eine „positive“ Gefahr die da lauert, und ab und zu gibt es sogar jene, die nach der Sommertour auch noch gleich eine Wintertour anhängen um dieser Gefahr nicht ausgeliefert zu sein.

Grundsätzlich kann man davon ausgehen dass, wer sich gut vorbereitet, einen gesunden Menschenverstand aufweist und sich über die lokalen Verhältnisse bewusst ist, keine grossen Gefahren lauern. Selbstverständlich muss sich jeder bewusst sein, dass die physischen und auch psychischen Belastungen und Probleme hoch sein können, doch sie sind lösbar. Mit einer Ausnahme: Das Essen!!

Ich habe schon einiges erlebt, wenn es um die Ernährung auf Touren geht, doch so etwas wie auf Norge på langs…… definitiv noch nie! Und es zieht sich wie ein roter Faden durch all meine Kontakte mit NPL-Läufern/innen und Fernwandern hindurch, das Essen kann zum Problem werden. Obwohl man sich im Vorfeld mit dem Thema auseinandersetzt, wird man während der Tour sehr schnell vor die harte Realität gesetzt. Der Hunger ist spätestens nach 1-2 Wochen ein dauerhafter Begleiter und, obwohl man z.T. enorme Mengen isst, lässt er nicht locker. Die Problematik gerade während der Sommertour, ist natürlich die beschränkte Kapazität im Rucksack und das Gewicht. Es ist sehr wichtig, auf der ganzen Route möglichst viele Orte ausfindig zu machen, um Proviant aufzufüllen. Wo es schwierig wird, können Versorgungspakete hingesandt werden, dies erhöht allerdings dann auch wieder die Orts-Abhängigkeit.

Von den voraussichtlichen Ausmassen etwas überrascht, liess ich vor der Tour an einem Leistungsportzentrum in der Schweiz eine Analyse der Tagesetappen machen, und wurde damit konfrontiert, dass der tägliche Kalorienverbrauch bei einer durchschnittlichen Tagesetappe von 25 – 30 Kilometer, bei c.a. 4000 – 5000 Kalorien liegt!
Dies hatte mich bewogen mein Nettogewicht des Rücksackes (ohne Proviant), noch einmal deutlich runterzuschrauben, um mehr Lebensmittel mitnehmen zu können.

Die Tour hat schliesslich zu einem Körpergewichtsverlust von stattlichen 9 Kilogramm geführt. Dieser Verlust liegt nach Rückfragen bei vielen anderen Läufer/innen im guten Mittelbereich.

Tiere

Nun, es ist immer wieder erstaunlich wieviel Unsinn und über noch unsinnigere „Tipps“ man im Internet liest, wenn es um Fauna und Flora geht. Im speziellen, wenn es um Wildtiere geht! Wer sich für viele Wochen in die norwegische Wildnis begibt, dem gestehe ich etwas Information und Interesse an der Umwelt zu, somit ist die grösste Gefahr schon gebannt. Es braucht weder Pfeffersprays noch Lachgas, oder wie auch schon in einem Forum gelesen, Elektroschocker oder sogar unerlaubte Waffen, um zu überleben. Selbstverständlich gibt es Bären in Norwegen und Schweden. So ein stolzes Tier jedoch zu sehen, ist zu fast 100% ausgeschlossen. Vielleicht mal ab und zu einen „Haufen“, eine Spur und dann hat es sich schon. Wer einen frischen Bärenhaufen findet, der tut sicher gut daran, die offene Salamipackung nicht als Kopfunterlage im Zelt zu benutzen, und die beabsichtigte Nahaufnahme der Elchkuh mit Kalb, wird wahrscheinlich auch nicht ohne Reaktion des Elchs bleiben. Der Viellfrass (Järv) gehört sicher auch zu den eher ungebetenen Gästen, da er doch sehr aggressiv sein kann. Doch auch hier ist eine Sichtung schon ein Glücksfall. Skandinavien kann bedenkenlos durchwandert werden, wenn der gesunde Menschenverstand mitläuft!

Die weitaus grösste Gefahr geht allerdings von anderen Tier“chen“ aus. Der Gefahr nämlich, dass man sich halb zu Tode ärgert: Mücken, Knots (Kleinstfliegen), Brämsen! Aber auch da, wird man sich nach der fünften zerstochenen Nacht nicht mehr so häufig aufregen, wie zu Beginn!

Wer weitere, persönliche Tipps und Infos von mir zur Tour sucht, dem lege ich gerne meine Rubrik: Martins A – Z ans Herzen. Diese Rubrik wird laufend ergänzt zu allerlei Themen rund um NPL und das wandern im nordischen Fjell.

Blog Empfehlungen zu Norge på langs

Die digitalen Medien haben heute einen extrem hohen Stellenwert in der Kommunikation und der Informationssuche eingenommen. Während ich 2011/2012 noch allergrösste Mühe hatte, irgendetwas zu Norge på langs im Internet zu finden, stösst man jetzt auf ein riesiges Sammelsurium an Infos, Wissen und Tipps zu dieser Tour. Per Zufall stiess ich damals auf Odd Vinjes Norge på langs Lista. Diese ermöglichte mir etwas detailliertere Infos zu der Tour zu finden. Heute wird man viel schneller fündig, da die meisten Läufer/innen einen Blog betreiben um ihre Tour zu dokumentieren. Leider verschwinden nach Beendigung der Tour viele dieser Blogs und Internetadressen wieder in den unergründlichen Weiten des World Wide Web.

Anhand von vier anderen Blogs, möchte ich zum Abschluss der NPL Info Rubrik einen kurzen Querschnitt dieser Fernwanderung aufzeigen. Schon nur aus diesen vier und meinem eigenen Blog, ist gut zu erkennen wie offen und vielfältig diese Tour sein kann und was für ein riesiges Potential vorhanden ist, um seinen eigenen, massgeschneiderten Traum zu verwirklichen.

– Simon pa tur / Simon Michalowicz (Deutschland) 2013

Es war Herbst 2012, als ich eine Mail von Simon bekam. Er war wie ich gerade in der Planung zu seiner NPL Tour 2013. Die Informationsmöglichkeiten waren zu dieser Zeit extrem dünn gesät und so tauschten wir unser Wissen aus und halfen uns gegenseitig mit Tipps aus. Simon startete drei Wochen nach mir und hatte vier Monate Zeit eingerechnet, so war ein Treffen untereinander unterwegs nicht geplant.
Die Bedingungen und Verhältnisse 2013 hätte nicht unterschiedlicher sein können. Während ich mit Unmengen Wasser zu kämpfen hatte, erwischte Simon ein paar Wochen später einen sehr guten Sommer und Herbst.
Wer in Simons Blog eintaucht wird sehr schnell feststellen, Simon hat Norge på langs nicht gelaufen, er hat Norge på langs gelebt und dies mit jeder seiner Zellen. Die Begeisterung für die Tour sprudelt, die Faszination seiner Einträge geben Anlass zum Träumen.
Simons Route durch Norwegen entspricht heute mit wenigen kurzen Etappen, der am häufigsten begangenen Variante von NPL.
Simons Buch : Norwegen der Länge nach , all seine vielen Vorträge zur Tour und die ganzen Arbeiten auf seinem Blog, bieten heute einen riesigen, wertvollen Fundus zu Norge på langs.
Man darf heute mit Sicherheit ohne grosse Übertreibung sagen, dass Simon und ich mit unseren Büchern, Vorträgen, den Blogs und den Kontakten in den nordischen Communitys, zu einem grossen Teil verantwortlich sind, dass Norge på langs, gerade in der deutschsprachigen Region Europas, einen grossen Aufschwung erlebt hat.
Gerade unsere beiden Touren im selben Jahr, mit der praktisch gleichen Planung und den fast gleichen Voraussetzungen zeigen deutlich auf, wie gross die Unterschiede schlussendlich sein können.

Transscandinavia / Willem Vandoorne (Belgien) 2012

2012 durchquerte Willem Norwegen als Sommertour. Für mich ist dieser Blog ( Englisch ) und diese Tour eines der absoluten Highlights zum Thema Norge på langs. Willem gehört zu den ganz wenigen in den letzten Jahren, der seine Tour komplett auf „Muskelkraft“ ausgelegt hat. Er hat keinerlei motorisierten Hilfen benützt und hat Norwegen an seinen ursprünglichsten Orten durchquert.
Um auch an die versteckten Orte Norwegens zu gelangen, nahm er ab der Hälfte der Strecke einen Leicht-Faltkanadier (Pack Canoe) mit, den ihn nun bis in den Norden begleitete. Dieses Boot auch noch mitzuschleppen, bedingte eine sehr rudimentäre Ausrüstung welche kaum Gewicht auf die Waage brachte. Doch es war nicht nur seine Idee, Norge på langs sehr ursprünglich zu durchqueren, er wollte diese Reise auch genaustens dokumentieren.
Mit seinem Blog ist Willem ein absolutes Meisterwerk gelungen, in welchem er sehr detailliert die Reise beschreibt, sich sogar Zeit nimmt über Geschichte, Geographie oder Geologie zu berichten. Ohne Zweifel, Willem kann getrost als „Profi“ angesehen werden. Seine Tourberichte von Grönland, Island, den Pyrenäen oder Schottland sind wahre Kunstwerke und lassen wahrscheinlich jeden in die Welt des Belgiers eintauchen.

berg-wärts / Miri & Flo (Deutschland) 2022

„Vier Wanderstiefel, zwei Rucksäcke und ein grosser Traum“ lautet die Überschrift in Miri und Flos Blogbeitrag zu ihrer Norge på langs Tour 2022. Und was, wenn der Traum plötzlich zu platzen droht?
Alles beginnt wie geplant und die Tour läuft trotz des katastrophalen Sommer rund, bis…in der Hardangervidda einer der Füsse nicht mehr so will wie erhofft. Miri hat schwere Probleme mit einer Ferse und der Achillessehne was sie beide zu einer langen zweiwöchigen Pause zwingt. Ein Fahrradausflug in dieser Zeit, bringt sie schlussendlich auf die Idee, einen Teil der Tour mit dem Fahrrad zu überbrücken, bis das laufen wieder möglich ist. Fahrräder werden angeschafft, die Ausrüstung angepasst und los geht es. Nach 43 Tagen und über 1200 Kilometer auf dem Fahrrad, wechseln die beiden wieder auf die Wanderschuhe und beenden Ende Oktober erfolgreich ihre NPL Tour am Nordkap. Wer hätte die Gedankengänge auf ihrem Blog besser nachvollziehen können als ich, als es plötzlich um Abbruch der Tour, Pause machen ging. Ein Hurrikan an Emotionen stürmt durch die Gedanken, Fragen über Fragen und Zweifel die einem verzweifeln lassen können!
Doch Miri und Flo üben sich in Geduld, lassen ihre Fantasie walten und trennen sich von einer pfannenfertigen Tourplanung. Es macht einen riesigen Spass, die beiden weiter zu verfolgen auf ihrem Weg in den Norden, ihren Optimismus zu spüren und ohne jeglichen Murks ihr Ziel weiterzuverfolgen. Wie grossartig es dann ist, dass die Wanderung schlussendlich weitergehen kann und ihr Plan, trotz all den Widrigkeiten des Sommers 2022 in Norwegen und der verletzten Physis, aufgeht. Niemand der es den beiden nicht von ganzem Herzen gönnen mochte!
Für mich ist diese Tour von Miri und Flo 2022 ein weiterer Beweis, wie grossartig Norge på langs trotzdem sein kann, auch wenn höhere Mächte an dessen Durchführung rüttelt. Grossartig auch wie die beiden diese Situation gemeistert und schlussendlich ihren Traum erfüllt haben. Dokumentiert in einem sehr spannenden Blog, mit Unmengen an fantastischen Bildern!

Norge på langs

Wie man sich auch immer entscheiden wird. Wer sich auf den Weg macht, Norwegen der Länge nach zu durchqueren, der wird nicht nur einfach wandern, sondern er wird ein Abenteuer erleben. Es wird ein Lebensabschnitt sein, welcher lange nachwirken wird. Ich habe viele NPL – Läufer kennengelernt, ihre Geschichten gehört und mit meinen verglichen. Es ist ein bleibendes Erlebnis, eine Faszination der besonderen Art. Verändern wird es kein Leben, aber mit Sicherheit beeinflussen und vielleicht den Blickwinkel auf viele Dinge in dieser Welt etwas schärfen. Es kann ein ausbrechen aus der Gesellschaft sein, mit Sicherheit aber keine Flucht davor oder vor sich selbst.
Wie hat schon Chris mc Candless alias Alex Supertramp in Jon Krakauers Film „Into the wild“ gesagt:

When you want something in life you just gotta reach out and grab it.“ (Wenn du etwas im Leben willst, musst du nur deine Hand ausstrecken und es dir nehmen.)

Chris mc Candless

Man empfindet nicht nur grosse Dankbarkeit eine solche Tour durchführen zu dürfen, es ist eine grosse Demut gegenüber dieser Welt und des Lebens.

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