Mein „Fast-Zuhause“: Narvikfjell + Padjelanta
Nachdem ich den ersten positiven „Schock“ überstanden habe, mache ich mich sofort an die Erledigungen die ein solcher Ruhetag normalerweise vorsieht. Doch ich kann es nicht lassen, sofort Alexander über den bevorstehenden Besuch und die Überraschung zu informieren. Er freut sich sehr für mich und natürlich auch darauf Anja kennenzulernen.
Schnell sind alle Erledigungen gemacht und auch das Hotelzimmer um eine Nacht verlängert und auf ein Doppelzimmer upgegradet. Ich fliege auf einer Wolke der Freude und des Glücks und kann es immer noch nicht fassen, erst als Anja durch die Hoteltüre hereintritt!

Die Überraschung ist perfekt gelungen und da werden auch die neu gelieferten Schuhe gleich zum Detail degradiert.

Tag 27 + 28 / Ruhetage Narvik
Und es scheint dass Anja auch einen direkten Wettereinfluss auf diese Region haben muss, denn das erste Mal erlebe ich Narvik bei bestem Sommerwetter und nicht wie so üblich bei Regen, Nebel und grauer Wolkendecke. Wir geniessen diese kurze Auszeit aus vollen Zügen und lassen NPL ein paar Stunden hinter uns zurück.



Doch wie so oft in solchen Momenten, geht die Zeit flugs vorbei und Anja ist leider so schnell weg wie sie gekommen ist. Auch von Alexander muss ich mich verabschieden, er wird den Weg über den Nordkalottleden Richtung Schweden begehen und ich habe mich für die „schnelle“ Variante nach Ritsem entschieden.
Bevor es nun ein paar Tage nach Schweden rübergeht, mache ich noch einen kleinen Abstecher in mein norwegisches „Wohnzimmer“ Narvikfjell. Auch im Bewusstsein, dass ich dieses Mal bloss nur durchlaufen kann und mir keine Zeit für Ausflüge bleibt. Etwas dass ich auf dieser Tour immer wieder vermisse und bei mir auch ein Umdenken in Gang setzt, gerade was die nächsten Wochen angeht.
Ich spüre gerade seit ein paar Tagen, dass dieses tägliche „weiter, weiter“ etwas nachhängt. Nach 2013 und 2015 brauchte ich Jahre und ein paar Touren um aus diesen Rhythmus rauszukommen. Touren bei denen ich frei war, draussen zu sein, zu machen wozu ich gerade Lust hatte. Es ist mir gelungen und ich habe in dieser Zeit so wunderschöne Wanderungen gemacht wie nie zuvor. Jetzt, 2024, stehe ich wieder auf Feld 1 und plane jeden Tag nur auf Kilometer aus. Ein innerer Kampf der vielleicht noch Überraschungen bringen könnte. Denn mittlerweile bin auch ich älter geworden 😉
Tag 29 / Katterat-Oallavagge DNT

Da die Wetteraussichten Gewitter angesagt haben für den Nachmittag, entscheide ich mich definitiv für die Variante Katterat. Über das Børnefjell rüber zu gehen, würde wohl eher einer Suche nach dem Weg gleichen und mit Spass nicht viel zu tun haben.

Die halbstündige Fahrt entlang des Rombakfjords ist immer wieder ein Highlight. Katterat ist ein kleiner Bahnhof im Nirgendwo und wird hauptsächlich von Wanderer benutzt.

Durch das Sørdalen geht es einer kleinen Kraftwerkstrasse entlang hoch, bis mich mein Weg linkerhand ins Oallavággi Tal bringt. In den Bergen hört man den Donner grollen und ich bin gerade froh, etwas verschont zu werden. 20 Minuten bevor ich zu der neuen kleinen Oallavagge Hütte des DNT gelange, werde ich trotzdem ordentlich geduscht.



Früher war hier eine Nothütte die eigentlich nicht für Übernachtungen vorgesehen war. Die neue Hütte jedoch schon und die liegt gerade perfekt für mich auf dem Weg ins Narvikfjell.
Die Nacht ist still, aber immer wieder höre ich wie Regenschauer auf das Dach prasseln. Zum Glück bin ich hier in dieser schnuckeligen Hütte!
Tag 30 / Oallavagge DNT-Cáihnavággi DNT

Am nächsten Tag, mache ich mich auf zum Pass, der mich dann ins Tal des Flusses Sealgga bringt und an dessen Ende, zur DNT Hütte Cunojaure.





Das Wetter bessert sich von Stunde zu Stunde und ich bin weit und breit der einzige der unterwegs ist. Die unglaubliche Ruhe, die Frische der Luft, die atemberaubenden Landschaften, es ist schlicht traumhaft!




In der Hütte von Cunojaure lege ich kurz einen Mittagsstop ein bevor es weitergeht Richtung Cáihnavággi, zu einer meiner Lieblingshütten in Norwegen.






Entlang des Norddalen und mit einem wunderschönen Blick auf das Storsteinfjellet, mit seinem immer kleiner werdenden Gletscher, biege ich Richtung Cáihnavággi ab. Ab hier steigt der Weg auf 1000 MüM an.





Das Wetter ist mittlerweile der Hammer und es ist richtig heiss hier oben. Zum Glück geht ein leichtes Lüftlein, gerade gut genug, um die Quälgeister 🦟🦟 am Boden zu halten. Obwohl ich mich Mückenmässig keine Sekunde beklagen darf seit der Finnmark. Es ist schon erstaunlich wie wenig Mücken es hier hat. Es war im Frühling einfach zu trocken südlich des äusseren Nordens.
Ich geniesse es nach 10 Monaten wieder „Zuhause“ zu sein.



Tag 31 Cáihnavággi DNT-Hukejaure STF

Ich stehe früh auf, denn heute geht es auf 1200 MüM, über übles Blockgelände steil hinauf. Die Sonne brennt allerdings schon um 7.00 knallhart auf den Schädel und schwitzen ist angesagt. Ich nehme den alten Weg um den letzten See. Dieser hat etwas weniger Blöcke als der offizielle Weg. Er wurde wegen Steinschlags vor 20 Jahren auf die andere Seite umgelegt. Nicht wirklich zur Freude vieler, ist den Hüttenbüchern zu entnehmen.




Man kann es Steinwüste nennen, für mich ist es aber eine der grandiosesten Landschaften überhaupt in Norwegen. Vor allem bei dem Wetter!





Normalerweise geht der Weg nun runter zum Gautelisvatnet und zur DNT Hütte Gautelis. Doch ich bleibe gerade auf der Höhe und ziehe weglos unterhalb des Trehakfjellet weiter, vorbei am See Trehakvatnet. Dies erspart mir ein paar Kilometer und vor allem Höhenmeter.




Nach rund zwei Stunden, „fädle“ ich wieder auf den Wanderweg ein, der von der Gautelishütte hochkommt. Ziel ist heute die schwedische Gebirgshütte des STF, Hukejaure.





Der Grenzübertritt nach Schweden verläuft hier wie immer problemlos und nach rund 10 Std. und 30 Km, komme ich in Hukejaure an.



Einmal mehr „erwische“ ich einen absoluten Hammertag hier oben. Wetter das nicht schöner sein könnte und weit und breit kein Mensch. Ausser….Mia, die Hüttenwartin von Hukejaure. Wir kommen schnell ins Gespräch und sie empfängt mich herzlich in Huke und lädt mich gleich zum Nachtessen ein. Da sonst niemand da ist, könne sie auch statt nur für sich, auch gleich für mich mitkochen. Das Angebot nehme ich nur zu gerne an! Kurz darauf trifft noch Stian ein, der für einen kurzen Halt hier pausiert und gleich miteingeladen wird.
Der 20 jährige ist mit 55 Kg!! am Rücken unterwegs. Acht Wochen ist er da draussen und macht Reportagen über das Outdoorleben und verkauft die Artikel an grosse Outdoorzeitschriften. Mit 17 Jahren hat er schon Norge på langs gemacht und sonstige Abenteuer, die bei Mia und mir nur ein Kopfschütteln zurücklassen. Stian ist mittlerweile schon in die Fussstapfen seines grossen Vorbilds Lars Monsen getreten, der in Norwegen noch immer der Outdoor-Nationalheld ist.

Als sich Stian auf den Weg macht, ist es schon nach 22.00 und eigentlich ist Bettruhe angesagt….wäre es nur nicht so schön hier oben!





Tag 32 / Hukejaure STF-Sitasjaure STF

Mia hat gerade ziemlich was um die Ohren. Ihr Solarpanel geht nicht mehr, vermutlich ein Blitzschaden und all ihre Batterien sind leer. Die STF Hütten sind seit diesem Jahr an das Starlink-Satelliten System angeschlossen und somit kann nun auch mit Kreditkarten überall bezahlt werden….wenn es Strom hat. Aber jetzt hat sie nicht mal mehr Kontakt zum STF und hinzu kommt noch ein verletzter Fuss, bei dem sie sich nicht sicher ist, ob etwas gebrochen oder angerissen ist. Da sie aber einen Hubschrauberflug selber bezahlen müsste, möchte sie eigentlich runterlaufen, aber ob das geht?
Ich lade mit meiner Powerbank alle elektrischen Geräte von Mia auf, so kann sie zumindest von einem Hügel über das norwegische Handynetz dem STF Bescheid geben, dass sie einen Hüttenwartersatz braucht. So kann sie runter und eine Röntgenuntersuchung machen lassen.

Ich wünsche ihr alles Gute und mache mich langsam auf den Weg ins Tal. Geplant wären rund 40 Km bis nach Ritsem zur STF Herberge. Aber da ich dort noch Kleider waschen will und es fast zu spät würde, lege ich auf halbem Weg einen Nachtstop in Sitasjaure STF ein.





Der Weg von Hukejaure nach Sitasjaure geht fast immer abwärts. Vorbei an der grossen Sami Siedlung in Ainnaskáidi, begleitet mich unentwegt eine fantastische Landschaft mit unvorstellbaren Weiten. Es ist heiss und drückend, aber auch heute weht ein leichter Wind, was es einiges angenehmer macht.





In Sitasjaure angekommen, sehe ich einen ziemlichen Trubel um die STF Hütte. Agnetha, die Hüttenwartin, erklärt mir, dass heute Nacht noch die letzten Rentierkälber markiert werden und ihre Familienzugehörigkeit ins Ohr geschnitten bekommen. Ein riesiger Aufwand, der einige Dutzend Sami mit ihren ATVs braucht und selbst drei Hubschrauber sind vor Ort.


Da das Ganze aber etwas im Hinterland stattfindet, bekomme ich nicht viel mit und kann mich hier auf die letzte Mitternachtssonne des Jahres konzentrieren.




Was für ein wunderschöner Abend…ich bin einfach nur sprachlos und dankbar!
Tag 33 / Sitasjaure STF-Ritsem STF

Ich starte heute früh am Morgen, um die knapp 20 Km Kraftwerkstrasse so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Landschaftlich schön, aber langweiliges „Schotterstrassengelatsche“ und das mittlerweile zum fünften Male in den letzten 9 Jahren!



In Ritsem STF habe ich vor ein paar Tagen ein Zimmer reserviert und es gibt die Möglichkeit hier den Proviant etwas aufzustocken.
Eine heisse Dusche, eine Waschmaschine, ein Bett, Fertigpizza und das eine oder andere Bier und der NPL Wanderer ist zufrieden. Ansonsten bietet Ritsem so ziemlich gar nichts. Es ist ein grosses Einfallstor zu all den grossen schwedischen National Parks im Osten und Süden: Padjelanta, Sarek, Muddus und Stora Sjöfallet. Ein Bus fährt zweimal am Tag von Gällivare hier hoch und die heimische Hubschrauberfirma Fiskeflyg hat einen fixen Flugplan zu all den Samihütten.

Mein Plan ist morgen mit dem Hubschrauber zum Fjelllandeplatz von Vájsáluokta zu fliegen. Dann kann ich über die STF Hütte Kutjaure mit rund 31 Km zur Sami Hütte Låddejåkkå rechnen. Im Padjelanta National Park gehören die Hütten der Sami Gemeinschaft und stehen unter ihrer Verwaltung.


Tage 34 / Ritsem STF-Låddejåhkå Sami

Der Flug ist planmässig, aber ich der einzige Passagier. Den Piloten Mikkel kenne ich schon länger über Instagram und es freut mich, dass er gerade heute Dienst hat und mich über den See bringt. Dafür wird der Heli im Rückflug voll sein. Mit Mikkel spreche ich ab, dass, falls eine Landung im Fjell wegen des Nebels nicht möglich ist, er mich zur Samihütte Akkastugorna bringen kann, wo er auch Leute abholen muss.
Schnell wird klar, dass ein Durchkommen durch den Nebel nicht möglich ist, also ab nach Akka.

Kaum ist der Hubschrauber weg, kehrt wieder Stille ein. In den Hütten und in den Zelten ringsum herrscht ebenso Stille. Kein Wunder, es regnet. Zwar mehr ein Sprühregen, aber ich nörgle gleich rum und muss mich sogleich zurechtweisen! Was bin ich für ein Jammerlappen der gerade einen Monat bei praktisch nur schönem und trockenem Wetter unterwegs ist und jetzt über das bisschen Nieselregen jammert.
Schnell bin ich perfekt in Gore Tex verpackt und auf meine „Falketind-Haut“ von Norrøna ist schliesslich 100% Verlass. Alles bestens.
Einziger Wehmutstropfen heute ist, wenn ich Låddejåkkå erreichen will, hat sich mein Pensum mit Akka gleich um rund acht Kilometer verlängert, auf rund 39 Km. Der Vorteil ist, falls es weiter regnet und sich das Wetter nicht bessert, kann ich nach 13 Km in der Samihütte Gisuris einen Nachtstopp einlegen.
Bisweilen habe ich vier Mal den Weg über Kutjaure genommen und den Weg hier unten vernachlässigt. Zum einen wurde er mir immer als sehr grün und „Mückig“ beschrieben und auch sehr bevölkert. Nun bin ich mal gespannt, ob sich meine Vorurteile bestätigen oder nicht.







Als ich nach 13 Km in Gisuris ankomme, bin ich zuerst einmal baff. Was war dass jetzt gerade für eine wunderschöne Strecke. Gut, die Mücken waren im Trockenen, die vielen Wanderer noch in ihren klatschnassen Zelten und das Grün konnte mir nichts anhaben in meiner Haut. Wow…ich bin echt begeistert.
Es ist erst elf Uhr und definitiv zu früh um Feierabend zu machen. Der Wegweiser zeigt mir weitere 25 Km bis nach Låddejåkkå. Aber das Wetter wird besser und der Regen hat aufgehört, darum entscheide ich mich für’s weitergehen.





Der Weg bis zu den drei Hängebrücken bei Sáluhávrre bleibt weiterhin eine Augenweide. Einfach zu laufen, fast topfeben und geradeaus. Immer wieder blicke ich in das Fjell oberhalb Kutjaure hoch und muss feststellen, hier wäre ich permanent im Nebel und Regen über Steine und Bäche gelaufen. Glück im Unglück mit der missglückten Landung.


Nach den Brücken steigt der Weg c.a. 300 Höhenmeter an und eröffnet gewaltige Blicke auf den See Vastenjaure.


Noch ein letzter Abstieg und nach 39 Km erreiche ich die Hütten von Låddejåkkå. Total zufrieden mit dem Tag, garniert mir die Hüttenwartin noch ein Einzelzimmer, frisches Fladenbrot, getrocknetes Rentierfleisch und ein Feierabendbierchen. Ausnahmsweise hat die Hütte dieses Jahr einen gut sortierten Kiosk. Dies liegt immer im ermessen der Hüttenwart/innen, zu entscheiden, ob sie das wollen oder nicht. Das ist ein Geschäft ausserhalb der Sami Gemeinde.
ACHTUNG: Auch die Samihütten sind nun an das Starlink-Satelliten System angeschlossen und es ist möglich mit Kreditkarte zu bezahlen. Aber nur die Hüttenübernachtung!! Wer zu essen oder trinken einkaufen will, muss schwedische Kronen mit sich führen. Dies gibt es nur auf Barbezahlung! Ausnahme: Der Parfas Kiosk in Stáloluokta kann auch Kreditkarten annehmen! Desweiteren wird in den Samihütten nun auch ein WiFi angezeigt. Dies ist allerdings nicht nutzbar, da sonst das System überlastet wird!




Tag 35 / Låddejåhkå Sami-Stáloluokta Sami

Nach einem gemütlichen Frühstück mit ein paar schwedischen Gästen, führt mich mein Weg heute über zwei Hügel nach Stáloluokta.
Als ich eine halbe Stunde unterwegs im Aufstieg bin, kommt mir ein Schwede mit zwei Hunden entgegen. Wir reden kurz miteinander und die beiden Vierbeiner sitzen hechelnd daneben. „Ähh…das sind nicht meine, die laufen mir seit zwei Stunden nach und ich weiss nicht wem die gehören“ sagt der Schwede. Kaum läuft er los, hat er die beiden wieder im Schlepptau. Nun, es müssen Sami Hunde sein, denn andere Hunde sind im Sommer nicht erlaubt im Padjelanta.
Als ich auf dem ersten Hügel ankomme, kann ich mit dem Fernglas noch sehen, wie die beiden Hunde zu den Hütten von Låddejåkkå laufen. Naja, die werden wohl wissen wohin.
Auf dem Hügel finde ich hunderte Rypen (Schneehühner) vor. Überall gackert und flattert es um mich herum. Der Nachwuchs kann nun endlich fliegen und so wird das „geflattere“ noch intensiver.
Vorbei geht es an den berühmten Stromatolithen Säulen weiter ins Fjell hinein.






An der grossen Hängebrücke des Miellädno, erweise ich wie traditionell immer, am Grab des geflüchteten und umgekommenen Kriegsgefangenen der Wehrmacht 1944, eine Blumenehre.


Nach der Brücke steigt der Weg etwas an, bevor es runter zur Sami Siedlung Árasluokta geht.


Ich dreh mich kurz um und was seh ich? Da kommen tatsächlich die beiden Hunde wieder angetrottet, hängen sich mir eine halbe Stunde an, überholen mich und weg sind sie.


Als ich bei den Samihütten in Árasluokta ankomme, sehe ich von weitem dass der Kiosk offensteht. Ich freu mich schon, die nette, kleine, alte Samifrau wiederzusehen, die diesen Kiosk betreut. Ich kenne sie schon seit Jahren und habe mich immer herzlich mit ihr unterhalten. Doch da ist ein Mann im Kiosk, Petr. Er ist der Sohn und er erzählt mir, dass seine Mutter leider gestorben ist letzten Winter. Das tut mir sehr leid und bedauere ich gerade ziemlich.
Ich kaufe für einen Lunch ein, die Sonne scheint gerade etwas und nehme mit Petr am Tisch draussen Platz. „Zwei Hunde hast du gesehen? Ja, dass sind meine und wo waren die? In Låddejåkkå?“ schmunzelt Petr. Naja, ein knapp 30 Km langer Morgenspaziergang, warum nicht!


Mit gefülltem Bauch geht es den zweiten Hügel hoch und schon bald öffnet sich wieder ein gewaltig schönes Panorama. Der Virihaure ist der 5. grösste Binnensee Schwedens und besticht mit einer wunderschönen Farbe… wenn die Sonne reinscheint.



Am Horizont sehe ich die norwegischen Berge von Rago. Auf der anderen Seite der grossen Seen, war ursprünglich eine Alternativroute von mir geplant gewesen, doch die unsicheren Wetterprognosen, haben mich schon in Narvik umplanen lassen.





Stáloluokta ist der Hauptort in Padjelanta, welcher täglich nach fixem Flugplan mit Hubschraubern aus Ritsem und Kvikkjokk angeflogen wird. Das bedeutet dass es auch Tagestourismus gibt, was nicht unbedingt wünschenswert ist in solch einem abgelegenen Gebiet. Doch wie so oft ist es ein zweischneidiges Schwert mit Pro und Contra. Durch die Anwesenheit der Hubschrauber kommen die Samis zu sehr günstigen Transportkapazitäten und es ist möglich den Padjelanta zu bewirtschaften. Ohne diese Flüge wäre laut Petr, kein Sami mehr hier und die Rentierhaltung nicht mehr rentabel.
Ich checke heute ausnahmsweise mal hier in den Samihütten ein, obwohl ich wegen dem Trubel diesen Ort oft meide.
Schon länger ist mir aber aufgefallen, dass es gar nicht so viele Leute hat obwohl Hochsaison ist. Die Hüttenwarte sagen mir, dass sie 60%! weniger Buchungen haben als letztes Jahr. Fast durch das Band bekommen sie von den übrig gebliebenen Gästen erklärt, dass es am katastrophalen Buchungssystem der schwedischen Bahn hängt. Dort muss diesen Sommer alles den Bach runtergehen und rein nichts funktionieren. Etwas, was ich schon mehrere Male gehört habe die letzten Tage.
Um 16.00 ist dann Shopping Zeit in Stáloluokta!

Seit einigen Jahren führt eine Sami Familie diesen Kiosk. Das Sortiment ist mittlerweile überaus erstaunlich, sogar einen frischen Apfel bekomme ich! Und es hat einfach alles, unglaublich was alles in dieser kleinen Hütte Platz hat!
Doch die Samifrau erklärt mir traurig, dass es die letzte Saison ist und der Kiosk geschlossen wird. Lange hat die Familie das Material im Winter per Motorschlitten über viele dutzend Kilometer herangeführt. Dann wurde das Sortiment umfangreicher und Fiskeflyg kam der Familie entgegen und flog das Material ein. Nun stolpert die Familie aber über ihren eigenen Erfolg, denn die Menge wurde immer grösser, es verkaufte sich immer mehr und nun stellt Fiskeflyg die Transportflüge in Rechnung. Das ist aber schlicht zu teuer, sagt mir die Frau. „Ich kann schliesslich nicht für eine Tafel Schokolade 20 Euro verlangen“…verständlich!
Mittlerweile setzen sich aber die Sami Kooperation, die Hubschrauberfirma und auch Private zusammen um eine Lösung ab nächstem Jahr zu finden. Es wäre ein grosser Verlust für alle, wenn das Angebot verschwinden würde!
Am Abend bekomme ich dann nochmals eine geballte Ladung Schönheit präsentiert.





Tag 36 / Stáloluokta Sami-Soriushytta DNT

Für die nächsten zwei Tage waren Schlechtwetter angesagt. Schade denke ich, denn gerade über den Soriuspass nach Sulitjelma wäre gutes Wetter positiv. Doch heute morgen scheint sich das Blatt zu wenden. Ob es jetzt am Wetter liegt, oder eher an der sehr mittelmässigen Prognostik von Garmin InReach, lasse ich mal im Raum stehen. Mehr als 30-40% Zuverlässigkeit kann ich auf diese Prognosen definitiv nicht geben, leider! Egal, Hauptsache besser!






Ein kurzes Morgengewitter lässt mich einen dritten Kaffee schlürfen und danach geht es los. Abermals muss ich mich immer und immer wieder kneifen wegen dieser Schönheit da draussen. Der Padjelanta ist einfach ein Juwel unter all den National Parks im Norden. Auch bei der 5. Durchquerung in 9 Jahren!
Unterwegs treffe ich einen Schweizer der gerade im Sarek N.P. war. Mit ihm laufe ich die paar Kilometer hoch, bis zu den Samihütten Ståddåjåkkå, wo sich unsere Wege wieder trennen.






Am See Sårjåsjávrre mache ich eine kurze Mittagspause, bevor es dem ganzen See entlang zur Grenze geht.



Etwas weiter im Süden gibt es an der Strasse von Røyrvik nach Nordli noch einen kleinen Spickel Schweden zu durchschreiten. Aber offiziell wird das hier mein letzter „grosser“ Landeswechsel sein auf meiner Tour. Ab jetzt bleib ich Norge treu!
Schnell sind die letzten fünf Kilometer auch noch bewältigt und auf mich wartet eine weitere Lieblingshütte, Soriushytta DNT.








Tag 37 / Soriushytta DNT-Sulitjelma

Der Morgen fängt früh an, den mein Plan ist heute den Bus in Sulitjelma um 11.20 zu erreichen. Aufgrund der eher schlechten Wetterprognose für das Wochenende, habe ich mich entschieden mit dem Bus nach Fauske in ein Hotel zu fahren und dort einen Ruhetag einzulegen. Mein ursprünglicher Plan zum Sulitjelma Turistsenter zu wandern und von dort über das Storfjellet nach Røkland zu gehen, verwerfe ich. Ich hab mich zwar sehr über das Fjell gefreut, aber dort auf einem schlecht markierten Weg im Nebel und Regen rumzustochern, kann ich gut bleiben lassen.
Und es gibt auch noch einen sehr positiven Grund für die Planänderung. Ich bekomme für mindestens eine Woche Besuch aus Deutschland. Michael kenne ich schon länger aus dem Instagram und er hat mich auch schon in der Schweiz besucht. Er ist schon seit knapp zwei Wochen im Süden von 🇧🇻 unterwegs und eigentlich war ein Treffen im Narvikfjellet geplant. Das hat zeitlich nicht gepasst und nun freut es mich umso mehr, dass wir zusammen durch das Saltfjellet wandern dürfen!
Doch zuerst muss ich heute über den 1000 Meter hohen Soriuspass rüber und dann fast 900 Höhenmeter absteigen. Zu Beginn der Woche war konstant heftiger Regen für diesen Tag vorausgesagt. Zum Glück haben sich die nordischen Wettergötter umentschieden..und wie!


Bei traumhaften, trockenen Bedingungen, geht es rasch zum Pass hoch.
Seit fast 10 Jahren fotografiere ich unterwegs aus der Ferne immer meinen Goldnugget, jetzt muss mal ein Besuch stattfinden. Schliesslich spiele ich in einer Band die JackPot and the NUGGETS heisst.


Das Farben- und Wolkenspiel berührt mich unglaublich. Diese raue und doch ergreifende Schönheit ist kaum zu toppen.







Obwohl ich mehr als genug Zeit eingeplant habe, muss ich aufpassen dass ich den Bus nicht verpasse. Aber ich bleibe die ganze Zeit stehen und staune!
Schon bald erreiche ich die DNT Hütte Ny Sulitjelma und somit auch das Zufahrtsträsschen aus dem Tal.




Erstmals darf ich das steile Strässchen runter- und nicht hinauflaufen, was echt mehr Spass macht. Den hier kommt man oft mit 8-10 Tagen Proviant hochgekeucht.




Nun bin ich rechtzeitig angekommen und es bleibt sogar noch Zeit für ein 2. Frühstück im neuen Coop von Sulitjelma.

Wenn ich ab und zu die Karte anschaue, bin ich selber erstaunt, wie weit fortgeschritten ich schon bin. In ein paar Tagen überschreite ich schon den Polarkreis und in bald vier Wochen sollte ich auf der Höhe von Trondheim sein.
Klar, ich hatte gleich zu Beginn einen grösseren Gap zwischen Ifjord und Lakselv und dieser hat mich rund vier Tourtage nach vorne gespült. Doch eines ist mir jetzt mehr als vorher bewusst, die Entscheidung war goldrichtig und hat nicht unwesentlich dazu beigetragen, in einem guten Wetterfenster laufen zu dürfen.
Lange habe ich mich bei der Strassenlauferei nur auf meine physischen Probleme konzentriert. Ich weiss es funktioniert nicht mit meinen Beinen und so werde ich auch am Montag ein kleines Stück mit der Bahn fahren, da die E10 von Fauske bis Rognan nicht zu umgehen ist. Natürlich wären Alternativen vorhanden, aber die kosten mich zuviel Zeit und ich habe absolut keine Lust, am Schluss mit 40 Km Tagen durch die schönsten National Parks Südnorwegen zu hetzen, um rechtzeitig nach Lindesnes zu gelangen.
Mittlerweile weiss ich aber auch, dass 2015, bei meinem Unfall im Sennalandet nördlich von Alta, mehr im Kopf hängengeblieben ist, als ich dachte. Diese Szene, als mich der Aussenspiegel eines Campers auf Schulterhöhe am Rucksack erwischt hat, sitzt viel tiefer als vermutet. Nur um Haaresbreite bin ich damals schwersten Verletzungen, oder sogar mehr, entkommen.
Gerade die Passage an der Strasse, von Lebesby bis nach Ifjord dieses Jahr, hat ihn mir ein unglaublich schlechtes Gefühl heraufgeholt. Leitplanken, Autos, schmale Strassen, haben tiefe Wunden wieder geöffnet. Bisher habe ich dies erfolgreich verdrängt, aber eben nicht verarbeitet. Die Wochen seit dieser Passage in Ifjord haben mich nachdenklicher gemacht, auch über die Tour, den Ehrgeiz möglichst viel zu erreichen. Dass ich jetzt, 2024, den Bus genommen und mir gleich den Druck weggenommen habe, war ein absoluter Glücksentscheid. Und notabene sind Terrys Worte im Hotel von Lakselv zu meinen steten Begleiter geworden und hallen immer noch nach: Verfolge deine Ziele immer mit dem Herzen, dein Verstand wird dich dabei beschützen.
Bisheriges Tourfazit: Ich habe zu meiner bevorstehenden Tour viel über Motivation, Ehrgeiz und Zielsetzung geschrieben. Und ich habe immer wieder erwähnt, dass ich nicht sicher bin, ob ich all das nochmals aufwenden kann. Nach knapp weniger als einem Drittel der Strecke weiss ich, ich kann, aber auf eine ganz andere Art, als ich mir das vorgestellt habe. Die Motivation sind die wunderschönen Tage draussen zu sein, mein Ehrgeiz ist es, diese Tage zu sammeln und zu verinnerlichen und meine Zielsetzung ist es, so lange es geht, an diesen Tagen auch zu arbeiten, auch wenn es mal nicht so läuft.
Ja, ich laufe immer noch Norge på langs, mein eigenes Norge på langs, egal wie das schlussendlich auf der Karte aussehen mag. Ich werde in ein paar Wochen in Lindesnes ankommen (so Körper will!) und den Leuchtturm berühren, wie ich es in Slettnes Fyr gemacht habe. Wie die Reise dorthin aussieht und was ich noch alles erleben werde, dass lass ich auf mich zukommen. Eines ist aber sicher, es wird kein Drehbuch, kein vorgefertigtes Format oder eine Passform geben. Dafür ist mir die Zeit hier oben zu schade.
Es folgt das nächste Kapitel: Saltfjellet hoch zwei