Saltfjellet hoch zwei
Mein frühes starten in der Soriushütte hat sich gelohnt und trotz dem ewigen stehenbleiben und die Landschaft geniessen, bin ich deutlich zu früh in Sulitjelma. Gerade rechtzeitig um mir im neuen grossen Coop ein zweites Frühstück zu gönnen, bevor der Bus kommt. Es fühlt sich gerade etwas eigenartig an, nicht zu Björn-Thomas auf den Daja Camping hochzugehen um dort die Nacht und einen Ruhetag zu verbringen. Björn-Thomas hat mir mit seiner grossen Hilfsbereitschaft schon viel zu Gute getan, sei es 2013, 2015 und auch letztes Jahr, als ich mit Anja und Mel hier auf ihrer Tour zu Gast war. Nun geht es heute mit dem Bus nach Fauske hoch, wo ich ein Hotel für zwei Nächte gebucht habe.
Tag 38 / Ruhetag Fauske
Da bin ich nun in Fauske, nahe der Stadt Bodø. Fauske ist definitiv alles andere als ein beliebter Städtehotspot in Norwegen. Ein Hotel, viele geschlossene Läden, zwei riesige Einkaufszentren und mindestens 10 Coiffeure und eine Handvoll Restaurants. Freiwillig bleibt man hier nur, wenn man muss, oder es gezielt aussucht. Zweiteres habe ich gemacht. Obwohl ich Bodø sehr mag, weiss ich, dass dieses Stadt im Moment von Touristen geflutet ist und nach der Stille des Padjelanta brauche ich die Hektik gerade nicht. Ich habe in Fauske alles was ich brauche, ausser einer Wäscherei. So heisst es nach der Ankunft im Hotel mal wieder mitsamt den Kleidern unter die Dusche, einseifen, durchspülen und auswringen. Nicht gerade effizient, aber besser als nichts.
Danach gönne ich mir den Luxus eines Coiffeur Termins in der Stadt. Es sieht zwar ab und zu ganz lustig aus wenn Leute vier Monate nicht zum Friseur gehen, die Haare alle zwei Wochen einmal waschen und rasieren kein Thema ist, doch ich bin langsam aus dem Alter raus und mit meinen dicken Haaren ist es auch nicht gerade lustig einen Filz zu bekommen. Aber was ein wirklich wertvoller Nebeneffekt ist, ist das Gespräch auf dem Stuhl! Die Chefin bedient mich gleich selber und sie erzählt mir sehr viel interessantes aus der Region und wie sie in Sulitjelma aufgewachsen ist. Der Vater hat ein Leben lang hart in den Minen gearbeitet und die Mutter hat unter nicht einfachen Umständen vier Kinder grossgezogen. Ein Leben in einer Minenortschaft ist alles andere als lustig für Kinder, gerade wenn es zum Teil um den Abbau gefährlicher Stoffe wie Zink und Blei geht. Dass bei diesem Gespräch auch gleich mein „Lebendgewicht“ ein paar Gramm gesenkt wird, würde jedem UL-Hiker imponieren 😉
Morgen kommt Michael von Trondheim mit dem Zug nach Fauske und wird mich bis Umbukta begleiten. Michael kenne ich seit vielen Jahren und wir teilen unsere Begeisterung für Norwegen. Michael ist seit ein paar Wochen in Norwegen am wandern und unterbricht gerade seine Tour um mich zu besuchen. Ich freu mich sehr darauf, war es doch schon lange unser Plan und dass es klappt, ist alles andere als selbstverständlich. Sich in eine bestehende Tour einzuklinken, ist oft sehr schwierig und dann auch wieder den Ort zum ausklinken zu finden, ebenfalls.
Tag 39 / Røkland-Jordbruhytta DNT

Die Strecke von Fauske bis nach Rognan zu laufen ist sehr schlecht möglich und gefährlich, hier gibt es keinen eigentlichen Weg ausser die Schnellstrasse E6. Und so entscheiden wir uns gleich bis nach Røkland mit dem Zug zu fahren, um dort den Einstieg ins Saltfjellet zu bekommen.

Zuerst geht es steil hoch und dann lange durch wunderschöne Waldlandschaften, dem Tal entlang. Wir sind auf einer schmalen Kiessstrasse unterwegs und die Frage eines Norwegers, ob er uns bis oben im Auto mitnehmen soll, lehnen wir dankend ab. Nach der Völlerei in Fauske, braucht es jetzt etwas Bewegung und Schweiss!
Seit dem Morgen scheint meinem Magen aber irgendetwas nicht zu passen, was am Frühstücksbuffet aufgetischt wurde. Leichte Magenkrämpfe und ein Schlappheitsgefühl, lässt mich etwas kämpfen. Aber es geht und nach ein paar Stunden stehen wir auf einer wunderschönen kleinen Lichtung, mit zwei schnuckeligen alten Häuschen, die DNT Hütte Jordbru.



Die Hütte ist ein kleines, antikes Juwel und auch die Lage mit dem weissen Kalkstein unterlegten Bach schlicht ein Traum.
Eigentlich ein absolutes Mückeneldorado so im Wald drin, doch seit 2, 3 Wochen, ist es echt ein Genuss zu wandern. Ich sehe und spüre kaum Mücken und wenn es welche hat, dann bläst meist ein lockeres Windchen das die Quälgeister am Boden hält. Obwohl ich hier oft höre, dieses Jahr sei es extrem mit den 🦟🦟. Doch keine Spur davon…Glück!
Als ich müde ins Bett falle, fühle ich mich alles andere als gut. Ein heftiger Fieberschub mit Schüttelfrost und Hitzewallungen lässt mich diese Nacht nicht gut schlafen. Auch am Morgen scheint mein Magen nicht in Bestform zu sein. Aber da ich keine anderen Symptome habe, deutet es auf eine gehörige Magenverstimmung hin.
Tag 40 / Jordbruhytta DNT-Bjellåvasstua DNT

Heute werden wir im Saltfjellet unseren Weg auf die Telegraphruta einschlagen. Dieser historische Weg führt durch das ganze Fjell und drei der DNT Hütten sind auch noch die ursprünglichen Telegrafenhäusschen der Jahrhundertwende.





Der Weg führt durch wunderschöne Moor- und Sumpflandschaften und die Wege sind sehr gut zum laufen. Das Saltfjellet hat mich schon vor Jahren im nördlichen Teil in den Bann gezogen. Jetzt freue ich mich den Rest im Süden auch noch durchwandern zu können.




Michael und ich ergänzen uns bestens und für mich ist Ablenkung gerade sehr willkommen, da sich mein flaues Magengefühl durch den Tag arbeitet. Mir fehlt definitiv Power und ich bin nicht unglücklich, dass die Etappe nach 22 Km zu Ende ist.






Die Bjellåvasshütte liegt schon fast kitschig an einem karibisch anmutendem See. Türkisgrün und Azurblau leuchtet das Wasser, der Strand ist fast weiss, ein Traum. Die Pause tut mir gut und dadurch das wir früh auf die Hütte kommen, wird die Pausenzeit noch verlängert. Der Appetit ist noch nicht wieder vollständig zurück, was meinen Energiemangel auch nicht verbessert. Aber es geht langsam besser.
Tag 41 / Bjellåvasstua DNT-Krukkistua DNT

Entlang des Biøllåvannet geht es zuerst sieben Kilometer fast flach, bevor wir runterkommen zur DNT Hütte Midistua, wo wir eine Pause machen.





Wenn man in der alten Hütte sitzt, fühlt man sich gerade etwas in die Vergangenheit zurückversetzt. Aber es ist kaum zu erahnen, wie hart das Leben damals gerade im Winter war, um den „singenden Draht“ zu bewachen.
Vorbei am spiegelblanken südlichen Bjøllåvannet, kommen wir schon der DNT Hütte Saltfjellet näher. Das Tal verliert langsam an Höhe und die Botanik wird deutlich grüner. Man kann sich kaum genug sattsehen.






Für heute Abend und morgen ist Regen angesetzt. So langsam schleicht er sich über die Berge und Michael und ich probieren noch möglichst vor dem Guss die DNT Hütte Krukkistua zu erreichen. Auch wenn die Energie noch etwas fehlt, so hat sich zumindest meine Magenverstimmung verabschiedet.




Tag 42 / Krukkistua DNT-Bolnastua DNT

Als ich aufstehe, ist es nur am nieseln draussen und es sieht gar nicht so schlimm aus. Aber es wird eine anstrengende Etappe über 29 Km nach Bolna an die Hauptstrasse E6.
(Die vom DNT angegebenen 25 Km stimmen definitiv nicht! Diese Zahl ist neu und entspricht nicht der Realität.)
Nicht nur die Länge wird uns Kraft kosten, auch das viele Matschgebiet zu Beginn des Weges. In den letzten Tagen waren sehr viele Niederschläge im Gebiet und die ersten neun Kilometer sind nun mal im Talboden.




Es ist ein ziemlicher Kampf durch den nassen „Dschungel“ und das Vorwärtskommen ist beschwerlich in dem knöchel- zum Teil schienbeintiefen Morast. Erst als die Hängebrücke im Storfiskea in Sicht kommt wissen wir, jetzt steigt der Weg an und wir kommen aus dem Sumpf.




Der Weg steigt steil an, über zig Bäche kreuzend und geradewegs in den Nebel. Nur selten bekommen wir einen Blick in das wunderschöne Tal. Doch es steht noch ein Highlight an und für das lohnt es sich etwas zu kämpfen!


Ganz unscheinbar überschreiten wir den Polarkreis, der auf der Karte im Handy, eine kleine gestrichelte Linie darstellt. Ein paar Meter entfernt steht die Raudfjelldalskoia und der berühmte Polarkreis-Torbogen.
Zum zweiten Mal in meinem Leben überschreite ich zu Fuss den Polarkreis. 2015 nordwärts auf der Strasse E6 und nun südwärts, endlich hier im Fjell. Michael nimmt mich wohl etwas wenig überschwänglich war, aber ich bin in dem Moment schlicht und einfach etwas sprachlos. Seit 14 Jahren, seit Anbeginn meiner Planung, ist dieser mystische Ort in meinem Kopf gewesen und nun habe ich das erreicht, wovon ich immer geträumt habe!

Ich gratuliere auch Michael zu diesem Schritt. Gut gemacht Junge!
In der Koia machen wir eine längere Suppenpause, bevor wir über das langgezogene Bolnafjell Richtung Bolna weiterlaufen.





In Bolna steht eine DNT Hütte gleich an der Strasse. Die E6 führt hier durch, so wie die Eisenbahnlinie zwischen Mo i Rana und Bodø. Wohlfühlen tut man sich trotz der luxuriösen Hütte mit Strom nicht wirklich. Der Verkehr, die Züge, alles ist jetzt gerade zu laut. Der totalsanierte Bahnhof ist schon lange nicht mehr in Betrieb, leider.
Tag 43 / Bolnastua DNT-Virvasshytta DNT

Michael und ich bereiten uns am Morgen auf das loslaufen vor, als sich nochmals ein lästiger Nieselregen über Bolna ergiesst. Also noch einen dritten Kaffee kochen und abwarten. Heute geht es rüber zur Virvasshütte. Eine sehr beliebte Hütte der Einheimischen, gerade bei Anglern.




Kaum steigt der Weg an, erinnere ich mich noch gut an 2015. Fast 3/4 der Strecke war noch schneebedeckt und mit stockdickem Nebel war die Sichtweite unter 50 Meter. Was für ein Unterschied!




Schnell ist die Erinnerung da, als mich 2015 hier ein Wolf verfolgt hat, ich ihn aber wegen dem Nebel nicht zu Gesicht bekam. Die Erinnerung lässt ihn mir heute immer noch Demut aufsteigen.
Die Aussichten sind heute grandios und es ist unwirklich, was für eine grossartige Landschaft sich letztes Mal hier im Nebel versteckt hat.


Michael und ich sind gerade etwas in unseren Gedanken versunken als wir so vor uns herlaufen. Da erblicken wir in der Ferne ein junges Paar dass auf uns zukommt. Mittlerweile ist mein Blick ziemlich geschärft was Norge på langs Wanderer angeht, doch jetzt und erst noch hier oben?? Als wir zusammen treffen ist schnell klar, der etwas verwilderte Junge läuft tatsächlich Norge på langs und seine Freundin begleitet ihn auf seinem letzten Tag….letzter Tag? Er erklärt uns, dass er noch im Winter am Nordkap mit den Skis startete und während Wochen immer wieder Probleme mit seinen Schuhen und den Bindungen hatte. Immer wieder musste er alles reparieren, neues besorgen und verlor so Unmengen Zeit. Zeit in der der wenige Schnee schnell dahinfloss und so musste er seine Tour in Bolna abbrechen. Doch aufgeben war keine Option und so fuhr er nach Lindesnes, wechselte unterwegs seine Kleidung und sein Material auf das Sommerhalbjahr und startet nordwärts. Und nun kommt er also heute an seinem letzten Tag nach Bolna und beendet seine Tour.
Sein Gefühlschaos ist deutlich spürbar und nichts was ich besser nachvollziehen könnte in diesem Moment. Doch ausgerechnet hier in diesem langweiligen Ort Bolna seine Tour zu beenden, ist auch kein grosses Highlight! Wir wünschen den beiden alles Beste und verabschieden uns in unterschiedlichen Richtungen.




Was normalerweise bei der Virvasshütte des DNT in einem Mückenschwarm endet, das findet heute ein geruhsames Ende. Auch hier kaum Mücken…was für eine Wonne!
Der Ort ist absolut traumhaft und wird dank Strassennähe, auch häufig von Einheimischen frequentiert. Der See ist überaus fischreich und so sollen auch schon Mitglieder der Königsfamilie hier gefischt haben.



Kurz vor dem Nachtessen trifft ein Deutscher Norge på langs Wanderer ein. Martin ist sehr schnell unterwegs und macht lange Etappen. Eine gute Gelegenheit auch hier wieder unsere Erfahrungen auszutauschen und die Weiterwege zu besprechen. Die Nacht verläuft wie oft sehr ruhig und die Müdigkeit vom wandern, tut seines dazu.
Tag 44 / Bolnastua DNT-Kvitsteindalstunet DNT

Der Morgen ist noch etwas durchzogen, aber das Wetter bessert sich schnell und zeigt sich schon bald von seiner besten Seite. Der Weg von Virvass nach Kvitstein ist überaus abwechslungsreich.











Der Tag vergeht im Flug und die 23 Km sind schon fast um, als wir in Sichtweite der nächsten DNT Hütte kommen.

Doch etwas stimmt nicht bei der Aussicht, da fehlt ein ganzer See! Der Kallvatnet ist ein riesiger Stausee der auf seiner hinteren Seite sehr seicht ist. Wenn der Pegel tief ist wie heute, dann bleibt fast 1/3 des Sees leer.
Die Kvitsteindalstunnethütte des DNT wurde gerade erst neu aufgebaut und sie gehört zu den Vorzeigehütten des norwegischen Wanderverbands DNT. Man bleibt nur noch sprachlos wenn man so etwas mitten im Wald sieht!

Und wir sprechen hier wohlgemerkt, von einer unbewarteten Wanderhütte!
Das hier eine Regeneration vom langen Wandertag perfekt funktioniert, muss man wohl kaum anfügen.




Tag 45 / Kvitsteindalstunet DNT-Sauvasshytta DNT

Heute führt der Weg entlang dem leeren Stausee und auf den letzten vier Kilometern steigt er bis auf 1100 MüM an. Ziel ist heute die kleine Sauvasshütte. Ich freu mich schon lange auf sie, denn sie soll sehr gemütlich sein und die Lage einzigartig.
2013 musste ich die Tour vor der Hütte aufgeben und 2015 war noch zuviel Schnee, so dass ich sie über Schweden umgehen musste.





Mittlerweile sind die Rucksäcke nach sieben Tagen nicht mehr die schwersten und somit wird auch der Aufstieg leichter.





Schnell ist der Aufstieg geschafft und mit 17 Km ist diese Etappe auch nicht wirklich lang. Eigentlich wären die 12 Km nach Umbukta auch noch zu schaffen, aber das Wetter ist gut und es war auch der Plan hier zu bleiben.


Die Hütte ist klein, aber urgemütlich. Wir essen etwas und dösen eine Runde vor uns hin. Der Tag ist noch jung und als ich nach dem erwachen sehe, dass das Wetter noch besser wurde, packe ich die Gelegenheit und stürze mich nochmals in die Wanderausrüstung.
Immer wenn ich Bilder von Sauvass sehe, sticht mir der markante Sauaksla in die Augen. Der Hausberg ist 1324 Meter hoch und hat eine steile Flanke. Was muss das für eine Aussicht sein von da oben? Na, dann schaue ich mal nach…
Sauaksla


Aus der Entfernung sieht der Aufstieg gar nicht so steil aus, erst wenn man davor steht erhebt sich die Flanke. Über Grasbänder und Felspartien geht es schnell hoch und es macht mal wieder richtig Spass die Hände im Fels zu brauchen. So ohne Rucksack mit über fünf Wochen Bewegung und fast 1000 Km in den Beinen, fliege ich fast den Berg hoch. Schon nach knapp 35 Minuten stehe ich auf dem Gipfelplateau und es verschlägt mir die Sprache. Was für ein grandioses Panorama!









Es sind genau diese Momente und nicht das Kilometersammeln die solche Tage ausmachen. Leider bleibt oft zu wenig Zeit dafür, darum muss man die Chance packen.
Und wenn es nicht schon genug Positives gegeben hätte heute, zeigt uns der Abend auch noch seine Vorstellung…




Tag 46 / Sauvasshytta DNT-Umbukta

Heute verschlafen Michael und ich uns…schon 6.00 statt 5.30 😉 Naja, der Weg ist kurz und eine Kappe Schlaf mehr tut auch gut. Unser Rhythmus in den letzten Tagen war, dass wir beide fast pünktlich um 5.30 erwachten und aufstanden.
Wir nehmen es gemütlich und doch mit gezieltem Schritt, denn in Umbukta wartet was für den Magen!







Als die weisse Herberge in Sicht kommt, prasseln unendlich viele Emotionen auf mich ein…Umbukta!
Was ist das für eine Geschichte hier! 2013, als ich hier mit Schmerzen in den Beinen ankam, im Bewusstsein, dass die Tour hier nach 60 Tagen enden könnte. 2015, als ich hier ankam, nachdem ich die Tour in Trondheim wieder aufnahm. Und jetzt, neun Jahre später, komme ich wieder an und alles ist wie eh und jeh, seit 11 Jahren! Thor Inge der Besitzer und 2-fache NPL- Läufer, Sølve, der gute Hausgeist und Maria, alle sind sie noch hier! Es ist lange her und doch scheint bei allen die Erinnerung zu kommen.



Es dauert nicht lange und Sølve kommt mit einem kleinen Paket für mich angetrabt. Umbukta wird von fast allen NPL-Läufer/innen genutzt, um Versorgungspakete zu schicken. Dieses Jahr habe ich aber keine Pakete gemacht und versorge mich unterwegs, was bis jetzt super geklappt hat.
Doch ein kleines Paket ist tatsächlich für mich da. „Pesche“ welcher letztes Jahr durch Norwegen und NPL mehr getanzt als gewandert ist, hat mir angekündigt, dass etwas auf mich wartet hier!
Und tatsächlich, da ist es. Die Ankündigung, dass ich schon mal Brot besorgen soll, lässt mich erahnen was dem Kerl eingefallen ist.



Ein ganzer Sack „Basler Läckerli“, eine grosse Portion Fondue und den dazugehörigen Kirsch, was will man mehr!

Michael: Vielen herzlichen Dank für deinen Besuch. Die Woche hat ganz viel Spass gemacht, wir hatten tolle Gespräche und einfach eine gute Zeit da draussen. Für mich war das mit Sicherheit ein weiteres grosses Highlight auf dieser Tour!

Ja, und für mich geht es nun wieder alleine weiter. Die Einkäufe in Mo i Rana sind getätigt, alles ist verpackt und morgen nach dem Frühstück geht es los, in eine neue Etappe, einen neuen Abschnitt von Norge på langs!
Wer wie ich die meiste Zeit alleine unterwegs ist und manchmal mehrere Tage keinen Kontakt zu anderen Menschen hat, der lebt in der Welt der Gedanken. Es fängt beim Augenaufschlag am Morgen an und endet, wenn man still einschlummert am Abend. Doch nicht genug, denn wenn man in der Nacht erwacht, dann setzen die Gedanken oft wieder ein und lassen einem manchmal den Schlaf rauben. Mit der Zeit werden die Gedanken aber die besten Freunde und sie beeinflussen den Tagesablauf.
Nicht viele Menschen können das und es ist unabdingbar, dass man mit sich selbst im Reinen ist, sich mit sich selbst beschäftigen kann und notabene mit sich selbst gut auskommt! Etwas was bei mir alles stimmt und gut funktioniert.
Gedankenauszug aus einem Blogbeitrag im Juli 2024:
Gedanken: Mit dem überschreiten des Polarkreises und der Ankunft in Umbukta, endet ein für mich sehr emotionaler Abschnitt. Nach fast 1000 Kilometern ist der „Hohe Norden“ jenseits des Polarkreises, Geschichte.
Schon seit Tagen spüre ich eine immer grösser werdende Wehmut über diese Tatsache. Einmal mehr wird mir gerade bewusst, wie sehr mein Herz an dieser Region der Welt hängt, wie sehr ich mich heimisch und geborgen fühle. Nicht dass Norwegen südlich davon nichts zu bieten hätte, beileibe nicht, doch es ist eine andere Welt. Gerade gestern sagte ich zu Michael, würde ich dazu aufgefordert, auf dem Schuhabsatz zu wenden und wieder retour zu laufen…ich würde es ohne mit der Wimper zu zucken tun und hätte wohl ein Lächeln auf den Lippen.
Die Mitte Norwegens, also der Part der vor mir steht, bis nach Trondheim, ist mit Sicherheit nicht derjenige, auf den ich gewartet habe. Es hat viele Perlen wie die weglosen National Pärke Børgefjell, Blåfjela oder Skjæckerfjella. Aber jene sind dann auch nur schön, wenn die Wetterbedingungen stimmen und auch der Sumpf einigermassen begehbar ist.
Touristisch hat es hier praktisch nichts. Selbst der norwegische Wanderverband DNT hat nur ganz wenige Hütten, kaum markierte Wanderwege oder sonstige Infrastruktur. Dies alleine wäre aber sicher nicht der Grund, warum ich gerade etwas hadere mit dem Teil.
Schon als ich letztes Jahr eine Skizze der Planung anlegte war mir bewusst, dass ich die Strecke Trondheim-Umbukta schon zweimal auf NPL gelaufen bin. 2013 in diesem Höllenritt, viereinhalb Tage über 200 Km, auf der E6 Strasse und 2015 bei guten Verhältnissen im Blå- und Skjækerfjella. Kurz war meine Intension diesen Teil auszulassen und mich mehr auf die beiden anderen Parts im Norden und Süden zu konzentrieren. Schnell verwarf ich diesen Gedanken wieder, da ich ganz zuhinterst im Kopf immer noch diese winzig kleine Hoffnung hatte, es 2024 doch noch alles an einem Stück zu laufen. Obwohl ich wusste, dass meine Chancen mit meinen Voraussetzungen (Strasse+Beine) eher gering waren. Dieses Vorhaben endete aber ja schon am fünften Tag in einem bequemen Sessel des Snelandia-Bus nach Lakselv.
Seither geistert dieser Gedanke wieder in meinem Kopf und seit bald zwei Wochen lenken mich diese Gedanken immer wieder etwas von der Tour ab.
Ich habe es jetzt bis Umbukta aufgeschoben und habe mich nun entschieden und vorgenommen, ich laufe weiter und lasse die Verhältnisse entscheiden ob ich einen zusätzlichen Gap in meine Tour einbaue oder nicht. Das heisst, ich werde nicht bei Regen, Nebel und Matsch irgendwo im Blåfjela rumstapfen, nur um diese Kilometer gelaufen zu sein, die ich schon 2x hinter mich gebracht habe. Mein Hauptfokus wird jetzt klar ab Höhe Trondheim bis nach Lindesnes liegen und was dazwischen liegt wird sich ergeben.
Diese Entscheidung für den Mittelteil hat mir gerade ziemlich Ballast abgenommen, den ich dummerweise vor mich hergewälzt habe. Dies hat aber auch grundsätzlich mit einem anderen Faktor zu tun.
Seit 15 Jahren(!) ist Norge på langs für mich mittlerweile ein grosses Thema, sogar ein Teil meines Lebens geworden. Gestern erreichte ich Umbukta und habe somit mittlerweile rund 4000 Km NPL hinter mich gebracht und es werden wohl noch etwas über 1000 Km dazukommen. Ich habe ein Buch geschrieben, fast 100 Vorträge gehalten, dutzende Menschen bei ihrer Planung unterstützt und 100derte Mails und Anfragen beantwortet. Ich habe mir in all den Jahren ein umfangreiches Wissen angeeignet, was das Land, die Wege und die Infrastruktur angeht. Oftmals versetze ich sogar Norweger/innen ins Staunen, wenn ich loslege und alles nur so aus dem Kopf sprudelt. Mir ist das oft gar nicht bewusst und es hat sich zu einer Normalität entwickelt. Gerade dieses Jahr erfahre ich immer wieder, dass es kaum jemand gibt, der mich oder meinen Namen nicht kennt. Es ist scheinbar überall bekannt dass ich unterwegs bin auf der NPL-Tour.
Das Ganze hat für mich schon etwas abstraktes angenommen, denn das war nie und nimmer meine Absicht. Klar freue ich mich andere Menschen so kennenzulernen, doch ich wandere doch auch nur und habe mein persönliches Ziel. Dieser Tage ist mir bewusst geworden wie sehr mich diese Tour in all den Jahren vereinnahmt hat und wie wenig ich das realisiert habe. Seit 3,4 Wochen spüre ich aber auch, wie unwichtig mir Sachen wie Kilometer, Zeit oder eine zusammenhängende Route geworden sind. Wer Norge på langs das erste Mal macht hat andere Prioritäten, das war auch bei mir so und ich hatte nicht wenig Ehrgeiz. Doch jetzt sind andere Sachen prioritär geworden, m.E. deutlich wichtigere als Leistung, Ehrgeiz, Durchhaltewillen etc. Doch das ist auch völlig normal und gehört glaub ich zur Entwicklung und des älter werden dazu.
Ich weiss dass Norge på langs wohl für immer in meinem Leben ein Thema sein wird und mit Sicherheit werde ich nächstes Jahr schon wieder nach Norge rüberschielen, was auf der Tour geht. Doch es wird anders sein, es wird ein neues Kapitel sein. Auch wenn das für viele vielleicht zu archaisch und dramatisch tönt und ich ja keinerlei Groll oder „Ärger“ mit der Tour hatte, glaub ich, dass ich gerade meinen Frieden mit der Tour geschlossen habe.
Wenn ich dieses Jahr Lindesnes erreiche, wann immer auch, dann werde ich den Leuchtturm berühren und mein ganz persönliches Norge på langs Buch schliessen können. Und ich freue mich schon jetzt riesig darauf, wenn ich irgendwann im Narvikfjell das nächste Mal in meiner kleinen Lieblingshütte sitze, das Hüttenbuch aufschlage und meinen Eintrag von 2024 lesen und schmunzeln werde. Ich werde dann für den Rest meines Lebens dieses Erinnerungsbuch in meinem Kopf jederzeit öffnen können und darin herumblättern, ohne dass ich gleich wieder den Drang verspüre auf Norge på langs zu gehen.
Ich habe für mich viel mehr erreicht auf Norge på langs als ich mir je erträumt hatte. Alleine die Tatsache, dass ich diese Wanderung auch jetzt so gut absolvieren kann, obwohl ich nur über 2/3, eines für meinen Körper „normalen“ Lungenvolumens besitze, macht mich glücklich und zeigt mir auch, dass ich mir nicht beweisen muss auf irgendwelchen Strassen rumzulatschen, nur damit die Linie stimmt.
Es folgt das nächste Kapitel: Hemnes und Børgefjell


