Erste Hilfe (Equipment)


Zugegeben, vor ein paar Jahren hätte ich wohl eine ganze Armee medizinisch versorgen können, wenn ich meine damalige Packliste für das „Erste Hilfe-Set“ so anschaue. Nicht nur dass ich, kurzzeitig beruflich, etwas vorbelastet war, ich hatte auch eine etwas falsche Vorstellung, was mich im Notfall auf meiner Norge på langs Tour erwarten würde. Mittlerweile weiss ich, dass es in Norwegen viele gute Wege gibt, um nicht in eine medizinische Schieflage zu geraten.

  • Notrufnummer: In Norwegen gelten die für uns auch bekannten Notrufnummern: 112 Polizei / 113 Notarzt, Krankenwagen
  • Spital / Arzt: In den grösseren Ortschaften sind auch heute noch Krankenhäuser vorhanden und eine ärztliche Versorgung ist kein Problem. In den letzten Jahren hat aber auch im Norden der Sparhammer kräftig zugeschlagen und viele Krankenhäuser wurden in Gesundheitszentren umfunktioniert.
  • Gesundheitszentrum: Diese findet man immer mehr, auch an entlegenen Orten. Diese medizinischen Multifunktionshäuser verfügen über Notfallärzte, sind ausgerüstet für kleinere Eingriffe und haben oft auch einen Zahnarzt im Haus. Die Zentren sind an vielen Orten 7 Tg./24 Std. geöffnet, wobei in der Nacht oft eine Notfallnummer auf einen Pikettdienst verweist.
  • Hausärzte / Zahnarzt: Die Norweger „lieben“ ihre Hausärzte des Vertrauens. Einen Termin in einer Privatpraxis zu bekommen, wird schwierig und kann sehr viel Zeit benötigen! Wer ein Rezept für ein Medikament braucht, oder noch schnell einen Zahn flicken will, der sollte dies Zuhause erledigen. Falls es doch eine Unterstützung braucht, dann rate ich eher direkt ein Gesundheitszentrum zu besuchen.
  • Apotheken: Wer abseits der Städte oder grösseren Dörfer eine Apotheke benötigt, der sollte sich nach einem Supermarkt umschauen. Grössere Märkte haben in den meisten Fällen eine Apotheke, einen Sportladen und ein kleines Restaurant inkludiert. Die norwegischen Apotheken sind meist sehr üppig ausgestattet und man bekommt praktisch alles, ABER… vieles nur auf Rezept! Norwegen hat ein sehr strenges Arzneimittelgesetz und viele Medikamente, die bei uns noch ohne Rezept erhältlich sind, verlangen eine ärztliche Verschreibung.
  • Dorfläden / Tankstellenshops: Die allermeisten Dorfläden und/oder Tankstellenshops, verfügen über ein gutes Sortiment an Verbandsmaterial und Desinfektionsmittel. Bei der Kasse hängt oft ein verschlossener Glaskasten, in welchem sich leichte Schmerzmedikamente, Hustensirup, Halswehtabletten usw. befinden. Diese werden von Angestellten ohne Rezept ausgehändigt, sind aber relativ teuer und vorallem nur „Schwachstrom“! Für ein bisschen Kopf- oder Zahnweh, ein leichter Husten oder Halsweh, genügt das Sortiment.
  • DNT Hütten: Auf praktisch allen DNT Hütten befindet sich eine kleine Taschenapotheke mit etwas Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel und evt. sogar die eine oder andere Schmerztablette. Leider haben sich in den letzten Jahren immer mehr Schmarotzer in den Hütten eingefunden, welche sich an diesen Kästen bedienen und die eigene Hausapotheke auffrischen möchten. Wer auf eine leere Apotheke stösst oder das Material zur Neige gegangen ist, der kann dies sehr gerne den Hüttenverantwortlichen (E-Mail Adresse oder Telefonnummer auf der Hütte) melden. Diese werden bei einem nächsten Hüttengang das Material mitnehmen und die Apotheke wieder auffrischen. Ein herzliches Danke dafür!

Wer in Norwegen unterwegs ist, ist in den meisten Fällen nicht weiter als einen Tagesmarsch von der Zivilisation entfernt. Gegenden wie Trøndelag oder die Finnmark sind zwar sehr spärlich besiedelt, aber ich habe immer wieder gestaunt, wo ich auf Einheimische getroffen bin. Seien dies Jäger, Fischer, Wanderer oder einfach Hüttenbesitzer im Niemandsland. Im Norden trifft man immer wieder auf Siedlungen der Sami Bevölkerung. Das ganze Land ist übersäht mit Stauanlagen und Kraftwerksanlagen der Elektrizitätswerke, die entweder Personal vor Ort haben, oder die mit Videoanlagen überwacht werden.

Medizinische Hilfe oder zumindest Kontakt zur „Aussenwelt“ ist verfügbar, aber meist dann nicht, wenn man sie braucht! Daher macht es Sinn sich vorzubereiten und mit ein paar wenigen Artikeln, etwas Sicherheit zu bekommen. Gerade in den letzten Jahren ist ein richtiger Hype betreffs Ausrüstungsgewicht entstanden. Je leichter desto besser! Gewicht wird dort eingespart, wo man nicht einen täglichen Nutzen drin sieht und so steht meist die „Erste Hilfe“ beim Gewichtsparen an erster Stelle. „Mir passiert wohl nichts und wenn, dann wird mir schon jemand helfen“. Diesen Ausspruch hört man immer öfter und in der Regel trifft er ja auch zu. Blöd wenn nicht!

Reiseapotheke:

Persönliche Reiseapotheke

Eigentlich braucht es sehr wenig und das Gewicht ist mit 300 Gramm auch wirklich moderat. Wer wieviel Heftpflaster braucht ( es gibt diejenigen, die sich schon am Morgen am Bettpfosten den Zeh blutig schlagen und es gibt jene, die das Wort „Heftpflaster“ kaum kennen), muss jeder selber entscheiden.
In meiner persönlichen Apotheke gibt es ein paar „Must haves“ auf die ich nicht verzichte:

  • 2 Gazebinden (1 mit einem eingenähten Hartpolster für einen Druckverband).
  • Blasenpflaster (ich selber brauche sehr selten eines, aber ich bin bis jetzt noch jedes Pflaster unterwegs losgeworden 😉 Diese Gel-Pflaster sind definitiv besser als jedes Blasen aufschneiden!
  • Desinfektionsmittel (getränkte Wundauflagen oder eine Desinfektionssalbe).
  • Sterile Handschuhe (gehört in jede Apotheke!).
  • Medikamentendose (Schmerztabletten die in Norwegen nur auf Rezept erhältlich sind).
  • Astronautenfolie (habe ich im Notpacksack, siehe – Erste Hilfe (Basics).

Mehr braucht es nicht! Abgesehen von persönlichen Medikamenten oder medizinischen Artikeln, ist die Reiseapotheke schon bereit für den Einsatz!

Persönlicher Tipp:

Eines der empfindlichsten Organe des Menschen ist der Magen und Darmtrakt. Wir leben heutzutage immer steriler und sauberer und somit werden wir auch empfindlicher auf kleinste Verschmutzungen im Wasser oder Essen.

Wasser ist in Norwegen reichlich vorhanden und auch aus praktisch allen Gewässern trinkbar. Eine alte Sami-Weisheit heisst: Je schneller, je grösser desto gesünder! Damit gemeint ist das Gewässer! Je schneller das Wasser fliesst (Filterwirkung), je grösser das Gewässer (Verdünnung), desto reiner ist das Wasser und damit gesünder.
In Norwegen braucht es keine Wasserfilter, die kann man ruhig Zuhause lassen. Für den absoluten Notfall führe ich im Gepäck zwei, drei Jodtabletten mit mir. Benutzt habe ich diese aber noch nie und da das Zeug dann auch ziemlich hässlich schmeckt, möchte ich es eigentlich auch nicht ausprobieren.
In meiner Medikamentendose führe ich aber noch sechs kleine Tabletten mit. Zwei Tabletten für Magenkrämpfe (z.B. bei verunreinigtem Wasser), zwei Tabletten für Durchfall und zwei Tabletten für Verstopfung. Warum explizit für den Magen und Darm?
Nichts saugt mehr Energie aus dem Körper, als Bauchschmerzen oder ein belasteter Darm. Man fühlt sich schlapp, kraftlos und verliert sehr schnell an Kraft. Mit den Tabletten komme ich so zumindest auf eine Hütte oder in eine Ortschaft, um mich dort zu erholen.

In über 350 Tagen im norwegischen Fjell hatte ich bis heute nur einen einzigen Vorfall. 2015 nach dem Børgefjell, als ich für eine Nacht eine Ferienwohnung beziehen konnte. Diese wurde schon lange nicht mehr benützt und so war das Wasser in den Leitung ziemlich alt und abgestanden. Ich hatte einen riesigen Durst und war ziemlich fertig von der Etappe, so dass ich den Kopf gleich unter den Hahn gestreckt habe. Fazit: Drei Tage hatte ich leichtes Bauchweh und überhaupt keinen Appetit. Die Tagesetappen halbierten sich, da ich keine Energie mehr hatte. Ohne die Medikamente wäre ich wohl für Tage vor Ort gebunden gewesen.

Das Gesamtgewicht meiner Erste Hilfe Ausrüstung (Reiseapotheke und der Notfallpacksack), beläuft sich gerade mal auf 390 Gramm! Für Gewichtspuristen wohl ein „No go“, für mich ein selbstverständlicher Teil der Ausrüstung, der unter Umständen nicht nur mir, sondern auch anderen einen Nutzen geben kann.

(Ich habe absichtlich keinerlei Namen von Medikamenten veröffentlicht, da diese von Land zu Land unterschiedlich sein können. Die Beratung in einer guten Apotheke, kann euch da sicher weiterhelfen.

Bleibt gesund und Hals und Beinbruch 🙂