Laufmanagement
Der Artikel zum Thema Laufmanagement, befasst sich in erster Linie mit der theoretischen Sichtweise des Laufens, der Organisation und der Vorbereitung. Ich bin weder wissenschaftlich noch schulisch in diesem Bereich ausgebildet. Ich habe zu diesem Thema aber seit Jahren engen Kontakt mit zwei ausgezeichneten Kennern, die im Bereich Physiotherapie und Sportmedizin im Hochleistungsbereich tätig sind, freundschaftlichen Kontakt und kann mittlerweile auch auf meine persönlichen Erfahrungen zurückgreifen. Das Ganze tönt vielleicht etwas trocken, ist aber im gesamten ein unglaublich spannendes Thema. Viele Erkenntnisse haben mir in den letzten Jahren geholfen, viel intensiver in das Lauferlebnis einzutauchen, unabhängiger von Psyche und Physis unterwegs zu sein und alles viel mehr zu geniessen. Gerne gebe ich diese Erkenntnisse weiter und vielleicht findet jemand in diesem Artikel, auch den einen oder anderen persönlichen Input.
Geheimrezept?
Wo liegt das Geheimrezept um a.) möglichst weit zu gehen, b.) möglichst wenig Energie zu benötigen und c.) die Zeit optimal zu nutzen? Drei Fragen, deren Gewichtung alle etwas anders auslegen und deren Voraussetzungen im physischen wie mentalen Bereich nicht unterschiedlicher sein könnten.
«Ach schmarrn, Rucksack auf den Rücken und los geht`s, es wird dann schon!» Werden jetzt wohl einige denken und ich kann ihnen auch nur beipflichten, denn ich mache es ja auch nicht viel anders, ausser dass ich vielleicht das eine oder andere etwas organisiert habe.
Ist es überhaupt wichtig sich diese Fragen zu stellen, kann ich nicht einfach draufloslaufen und alles regelt sich von selbst? Natürlich kann man das, doch unbewusst stellt man sich diese Fragen doch und gibt sich die Antworten gleich selbst. Denn schlussendlich möchte man ja wissen: wieviel Essen brauch ich, ist die Distanz zwischen z.B. zwei Hütten erreichbar für mich und bin ich überhaupt in der Lage, diese Distanz zurückzulegen und trotzdem auf der sicheren Seite, inklusive Reserven zu sein?
Je mehr Erfahrung man mit Fernwandern abseits der gängigen Routen und Zivilisation hat, umso automatischer verläuft der Prozess, sich auf eine Tour vorzubereiten. Als ich mich konkret mit Norge på langs auseinandergesetzt habe, war meine Fernwandererfahrung eigentlich gleich null. Ich bereitete mich akribisch auf diese Tour vor, da ich doch einen sehr grossen Respekt davor hatte, plötzlich in unkontrollierbare Situationen zu geraten. Heute, ein paar Jahre und einen grossen Rucksack Erfahrung später, lässt mich diese Zeit doch etwas schmunzeln. Denn heute gehen viele Prozesse völlig automatisch vor sich und ich kann mich auf andere Sachen konzentrieren, habe ein deutlich sichereres Gefühl und der Genuss ist gestiegen. Doch umsonst war diese „Lernzeit“ definitiv nicht und der Vorgang war immens wichtig, für all das was später kam und kommen wird!
Grundelemente des Laufmanagements
Wenn es um das Laufmanagement geht, konzentrieren sich viele immer noch hautsächlich auf ein, zwei Punkte und vernachlässigen oft die weiteren, ebenso wichtigen Punkte. Es ist ein Zusammenspiel vieler Faktoren, um auch den Laufgenuss in die Höhe zu treiben.
Grundsätzlich besteht das Laufmanagement nicht nur aus:
- Rhythmus des Laufens (Pace)….. sondern auch aus….
- Ernährung
- Kondition/Training
- mentale Stärke
- Erfahrung
- und fast das wichtigste, was leider oft vergessen geht: Regeneration und Erholung
Oder etwas bildlich gesprochen: Wenn ich konditionell gut drauf und etwas trainiert bin, kann ich mit der richtigen Ernährung, genau den Rhythmus beim Laufen einhalten, der mich weit genug bringt, um danach genug Zeit zur Erholung und Schlaf zu haben. That`s it! 😉
Doch wie sieht das jetzt konkret aus? Ich nehme mein persönliches Laufmanagement, dass keinesfalls im Detail übertragbar sein muss, vergleiche es mit anderen Läufer/innen und stelle fest, dass im Grundsatz sich alle sehr ähnlich sind, je mehr Erfahrung abrufbar ist. Die Gewichtung der einzelnen Parameter, verschiebt sich selbstverständlich aufgrund der Physis und auch der Psyche eines jeden einzelnen.
Dass das Ganze auch ein steter Lernprozess ist, hat sich mir auf Norge på langs sehr deutlich gezeigt, als ich meinen für die Tour perfekten Rhythmus erst nach 2600 Kilometern erlangt habe und dies auch nur dank eines Inputs eines anderen Läufers. (Bis heute ist mein Laufmanagement auch so geblieben).
- Rhythmus: Die «Pace» die man beim Laufen hält, ist ein Wert, der nur durch Erfahrung feststellbar ist. Wieviele Kilometer kann ich an einem Tag bei wievielen Höhenmetern und bei welchen Verhältnissen absolvieren, um dabei einen möglichst gleichbleibenden Rhythmus beizubehalten. Wer diesen Wert für sich herausfindet, wird eine wesentlich einfachere Planung machen können und wird unterwegs viel freier entscheiden können, ob z.B. der Weg bis zur übernächsten Hütte noch machbar ist oder nicht.
- Ernährung: Das Thema Ernährung würde Bücher füllen und ist so individuell wie kaum ein anderer Faktor. Grundsätzlich sollte man sich aber nicht zu fest an irgendwelchen Ernährungstheorien festhalten, die zu tausenden im Internet zu finden sind, aber keinerlei Persönlichkeit haben. Essen was einem gut tut und was schmeckt, mehr braucht es eigentlich nicht.
Wer länger als 3,4 Wochen mehr oder weniger autark unterwegs ist, wird immer zuwenig Essen bei sich haben und das Körpergewicht wird zurückgehen. Der limitierende Faktor ist hier das Gewicht des Proviants, denn man kann ja nicht 40 Kg. mit sich tragen.
Ganz verzichten würde ich auf irgendwelche Nahrungsergänzungsmittel oder sogenannte Energy- Bars oder Sticks. Diese sind nur sinnvoll, wenn für eine kurze Zeit eine erhöhte Leistungsfähigkeit verlangt wird. Der Hunger wird dadurch nicht gestillt. Viel sinnvoller ist in der Tourenplanung, alle paar Tage einen Ruhetag einzuplanen, der Zugang zu frischen und nährstoffreichen Lebensmitteln ermöglicht.
Aber schlussendlich sollten wir uns bewusst sein: Wer schon vor und nach der Tour einigermassen ausgewogen, nährstoffreich und gesund gegessen hat, der wird diese «kurze» Zeit ohne grosse Probleme überwinden können. Unser Körper ist weit intelligenter als wir ahnen und wird sich auf diesen neuen Zustand relativ schnell einstellen und die Versorgung wichtiger Bestandteile aufteilen und/oder rationieren.
- Kondition: Nein, man muss sicher kein Kraftpaket oder Ausdauersportler sein, um eine Fernwanderung zu machen. Eine gewisse Grundkonstitution und Kondition ist sicher eine sehr gute Basis. Dass es zwickt und zwackt in den ersten Tagen gehört nun mal einfach dazu. Wer jedoch über längere Zeit Beschwerden hat, sollte der Gesundheit Vorrang geben. Ansonsten können daraus sehr schnell längerfristige, gesundheitliche Schäden entstehen, die man später bitter bereuen wird.
Wer sich auf eine längere Wanderung vorbereiten will, der sollte sich nicht nur auf die Beinarbeit und die Kondition konzentrieren. Oft werden die Schultern und der Rücken vergessen, die gerade beim Rucksack tragen meist Schwerstarbeit leisten müssen. Hier lohnt es sich, auch ein paar Trainingseinheiten auf diese Stellen zu konzentrieren. Ebenso empfehle ich bei der Rucksackwahl nicht irgendein Testberichtsieger auszuwählen oder auf gut Glück online irgendetwas zu kaufen. Ein autorisierter, gut ausgebildeter und erfahrener Sportfachhändler kann sehr viele gute Tipps und Wissen vermitteln.
Gerade an meinen Vorträgen, an denen ich meinen Orginalrucksack inkl. Packungsgewicht als Anschauung mit dabeihabe, höre ich oft von Problemen bei Rucksäcken, die daher rühren, dass Unwissen über Einstellungsmöglichkeiten vorhanden ist und dass die meisten Widrigkeiten mit 2,3 Handgriffen behoben werden könnten. - Mentale Stärke: Wer sich schlicht und einfach nicht fit genug im Kopf fühlt, belastet und abgelenkt ist, wird sich schwer tun, wenn es hart auf hart kommt. Sich frei und motiviert zu fühlen, steigert auch die physische Stärke und kann Entscheidungen schwerwiegend beeinflussen. Viele Menschen fühlen sich stark genug, schuften wie die Berserker auf ein Ziel hin und laufen an Ort und kommen nicht weiter. Oftmals reagiert man oberflächlich und erhöht den physischen Druck, leistet noch mehr und fällt immer tiefer, bis hin zu Selbstzweifeln. Dabei braucht es manchmal einfach nur ein intensives und lösungsorientiertes „Brainstorming“ um den richtigen Tritt zu finden. Es kann nie schaden, sich auch mal um den Kopf und seine Gedanken zu kümmern!
- Erfahrung: Dazu braucht es kaum eine Ergänzung. Erfahrungen sind der Treibstoff für weitere Abenteuer und Pläne. Wer sich auf eine Vorratskammer an Erfahrungen verlassen kann, wird viele Entscheidungen und Handlungen ohne Energieverlust bewältigen können.
Eines ist allerdings überaus wichtig: Routine kann genau das Gegenteil bewirken und Handlungen können Fahrlässigkeit fördern. Erfahrung sollte nie als Selbstverständlichkeit hinhalten! Erfahrungen sind eine gute Grundlage, eine Ergänzung und ein Hilfsmittel, aber nicht die ultimative Lösung für alle Probleme. - Regeneration: Wer seinem Körper (und seinem Geist) nicht die nötige Zeit gibt, sich zu regenerieren, der kann noch so topfit und trainiert sein und trotzdem in ein Loch fallen. Vielleicht muss man hier auch mal wieder der guten alten „Komfortzone“ etwas Zuspruch geben. In den letzten Jahren wurde das Wort Komfortzone schon fast als Schimpfwort benutzt. Ein Synonym für Bequemlichkeit, Faulheit und Trägheit. Doch hier tut man der Komfortzone ziemlich unrecht. Wer von uns hatte nach einem langen Tourtag oder einem erfolgreich bestiegenem Gipfel nicht einfach Lust, zum Beispiel auf ein kühles, frisches Bier oder eine prickelnde Cola, sich danach einen Moment hinzulegen um dann bei einer guten, nahrhaften Mahlzeit wieder Energie zu tanken? Man begibt sich schlicht und einfach in eine Komfortzone, um verlorene Energie, Motivation und Lust aufzubauen, um am nächsten Tag wieder Fit zu sein.
Jeder Mensch hat seine eigenen Rituale, seine eigenen Vorstellungen wie diese Komfortzone aussehen soll. Wichtig ist, sich diese auch zuzugestehen, sie auszuleben und, auch das ist nichts negatives, sie zu geniessen.
Auch ich habe in den letzten Jahren gelernt, mir diesen Raum zu geben, mir auch diese Zeit zu nehmen um schlussendlich auch den Genuss zum laufen weiter zu erhöhen. Egal ob es schlechtes Wetter ist, ob die Etappe beschwerlich und weit ist. Wenn ich erholt, revitalisiert bin, dann werde ich jederzeit auch meine Leistung abrufen können, meine Motivation finden, weiterzugehen und auch zu geniessen.
Das Haus des Laufmanagements
Ich vergleich das Ganze oft mit einem Haus und seinen Elementen. Zum einen basiert unser wichtigstes Gut, die Gesundheit und mentale Stärke, als stabile Bodenplatte und Fundament für unser Haus. Mit den vier Wänden, bestehend aus Laufrhythmus, Ernährung, Kondition und Regeneration, erhalten wir das Grundgerüst für das sechste und ebenso wichtige Element, die Erfahrung als Dach. Das Dach, dass uns schützt und uns Sicherheit für unser Vorhaben gibt. Wer unsicher ist, Zweifel an seinem Plan, kein genügendes Selbstvertrauen hat, den werden all die Grundpfeiler nicht weiterbringen. Wer sich dieses Haus zusammenbauen kann, der wird zweifelsohne viel freier und selbstsicherer unterwegs sein und dabei sehr viel mehr Zufriedenheit, Genuss und Freude am laufen haben.
Wohl kaum jemand hat sich in den letzten Jahren mehr mit dem Thema befasst und auseinandergesetzt, als meine liebe Freundin Leona Kringe, vielen bekannt als die Heimatnomadin
Leona schafft es in ihren Beiträgen hervorragend, die grosse Klippe zwischen der mentalen und physischen Seite zu überschreiten und einfach und verständlich eine Verbindung herzustellen. Sei es auf ihren Blogs: heimatnomadin.com oder heimatnomadin.potentials.com, ihrem sehr lesenswerten Buch, finden sich Unmengen von sehr interessanten und bewegenden Artikeln.
Bis vor ein paar Jahren habe ich nicht realisiert, wieviel Potential in diesem Thema liegt. Heute habe ich, auch dank Leona Kringe, den Horizont erweitern können, was mir auf den letzten Touren enorm viel geholfen und auch bedeutet hat! Es lohnt sich, sich damit auseinanderzusetzen.
Die grosse Kunst ist es schlussendlich, all diese Theorie in die Praxis umzusetzen und mit zukünftiger Erfahrung zu verinnerlichen, so dass jeder Ablauf, jeder Gedanke automatisch funktioniert. Das mag zu Beginn sehr tröge tönen und keinesfalls als Ansporn motivieren, wird aber Stück für Stück mehr Freiheit garantieren.
Meine persönlichen Erfahrungen
Ich werde oft nach meiner persönlichen Erfahrung mit dem Laufen gefragt. Immer wieder scheint es Menschen zu erstaunen, wie viel ich laufe, wie schnell ich unterwegs bin und woher die Leichtigkeit kommt, es immer wieder zu tun. Grundsätzlich wichtig für mich ist die Bewegung, das Draussen sein, die Natur zu erleben und die Faszination zu spüren, mit eigener Kraft von A nach B zu kommen.
Schon als Kind hatte ich einen sehr grossen Bewegungsdrang, kam über den Leistungssport zum Ausdauersport und entdeckte die Fernwanderei schlussendlich mit Norge på langs.
Leistung war früher sehr wichtig für mich und unabdingbar mit allem was ich machte verbunden. Heute ist der Leistungsdrang minimal geworden und nurmehr ein kleiner Bestandteil des Ganzen. Als ich mich 2010 entschloss die 2700 Kilometer durch Norwegen zu laufen, hatte ich praktisch keine Ahnung auf was ich mich einliess. Ich lud mir eine Fitness- und Trackingapp runter, um zumindest mal einen Eindruck zu bekommen, was ich überhaupt an einem Tag leisten konnte. Wieviele Kilometer in welcher Zeit, mit wieviel Gepäck usw. Auf diese Art konnte ich schlussendlich meine Planung vorantreiben und wusste in etwa, was möglich war.
Aus diesem Versuch, ist heute ein Ritual entstanden. Bei jedem noch so kleinen Lauf oder einer Wanderung, läuft automatisch eine Trackingapp mit und zeichnet die Distanz auf. Zusätzlich habe ich alle paar Monate diese summierten Wegkilometer in ein kleines Büchlein eingetragen. Dies nicht etwa in der Absicht, irgendeinen Rekord aufstellen, oder mir/anderen etwas beweisen zu wollen, sondern schlicht und einfach aus purer Neugier, was da im Jahr so anfällt. Mittlerweile sind in den gut zwölf Jahren knapp 25`000 Kilometer angefallen. Eine ungeheure Zahl die auch mich ins Staunen bringt, gleichzeitig aber auch die Relation gegenüber Millionen Menschen aufzeigt, die tagtäglich zehn oder zwanzig Kilometer laufen müssen, um den Grundbedarf an Wasser zu organisieren. Und dies vielleicht fünfzig oder sechzig Jahre! Daher sollte man mit rekordverdächtigen Kraftausdrücken über die eigene Leistung, immer sehr zurückhaltend sein.
Über die Jahre habe ich gelernt, diese Distanzen zu fühlen, die gelaufene Zeit zu verinnerlichen und schlussendlich daraus zu profitieren. Gerade Norge på langs hat mir einen ungeheuren Erfahrungsschub geliefert, von dem ich bis heute profitieren kann.
Ich halte aber nichts davon, nun all diese Erfahrungen dafür einzusetzen, auf der ganzen Welt herumzulaufen um schlussendlich sagen zu können, was für ein Held ich sei. Das überlasse sehr gerne anderen.
Der Aufbau und die Konstruktion meines „Hauses“, hat mir eine grosse Befriedigung mitgegeben und ist mit grosser Wahrscheinlichkeit die Essenz meiner Freude an der Bewegung, dem laufen, wandern, bergsteigen usw.



Zugegeben……sehr viel geschrieben, sehr viel Theorie 😉 Doch wer sich etwas mehr und intensiver mit dem Laufen (dies schliesst andere Sport- und Bewegungsarten natürlich nicht aus!), der persönlichen Einstellung dazu befassen möchte, dem empfehle ich sehr, sich einmal etwas damit auseinanderzusetzen. Schlussendlich ist es nicht „nur“ das Laufen, sondern hat auch mit sehr viel Persönlichkeit zu tun und auch mit dem Umgang mit sich selbst, den Erwartungen und Wünschen.
Ich habe sehr viel gelernt über dieses faszinierende Thema und habe schlussendlich auch sehr viel über mich selbst und meine Motivation zu laufen gelernt. Aus viel Theorie, ist heute viel Praxis geworden!