Teil 10/15 : Die nordische Einsammkeit
Ohne gross darüber nachzudenken, laufen wir direkt zum Bootsanleger der Golddaluokta Sami Siedlung. Einige Leute haben unterwegs erzählt, dass der eh schon mühsame Weg vom Dreiländerpunkt nach Kilpisjärvi dieses Jahr an einigen Stellen von Bächen unterspült wurde und schlecht zu begehen ist. Normalerweise kommt man auf Norge på langs hier etwa Anfang bis Mitte September an und die Fähre über den See ist schon eingestellt. Ich habe aber das Glück früh da zu sein und lasse es mir nicht nehmen, das Stück mit dem Boot zu fahren. Dies kürzt den Weg doch gleich um gute drei Sunden ab.
Als wir am Anleger ankommen, heisst es zuerst zwei Stunden warten. Gerade ist ein Boot mit Touristen aus Kilpisjärvi angekommen, welche sich nun auf den Weg zum Treriksrøysa machen. Zwei Stunde haben sie Zeit wieder zurückzukommen, ansonsten muss man hier wieder lange warten, bis das nächste Boot kommt.
Ich nutze die Zeit, in der offenen Golddaluoktahütte mal wieder die Mails und Nachrichten zu checken. Mittlerweile ist es fast unglaublich, wieviele Nachrichten da hereinprasseln. Sehr viele Menschen verfolgen diese Tour schon seit Beginn und es werden immer mehr. Aus aller Welt bekomme ich Nachrichten……. Wahnsinn wie sich das zu einem Selbstläufer entwickelt hat. Eine Nachricht sticht mir natürlich als erstes ins Auge, die SMS von Øyvind.
Als wir in Gaundalen zusammen unsere Planung verglichen, bemerkte ich, dass er für den Schluss eigentlich gar nichts geplant hatte und nicht recht wusste wie er nach Alta hochkommen sollte. Ich zeigte ihm meine Route von Kilpisjärvi ins Reisatal, quer über das Nábár Plateau und hoch nach Alta. Er war sofort begeistert davon und wollte dies ausprobieren. Und nun war der Teufelskerl tatsächlich schon in Alta angekommen !! Ich traute meinen Augen nicht, was für ein Tempo musste der angegangen sein. Er beschrieb mir alles ganz genau und die Nachrichten sollten mich nochmals fast euphorisch machen. Die Abkürzung ins Reisadalen funktionierte bestens und er schickte mir sogar ein Bild von der Stelle, an der ich gefahrlos in die tiefe Reisaklamm hinunterkam. Das Nábár Plateau sei der absolute Hammer gewesen, bei besten Bedingungen und nun würde er in rund fünf Tagen, der Strasse nach ans Kap laufen. Trotz des sehr schweren Anfangs im Süden, der etwas langsameren Etappen im Padjelanta National Parks, wird er es tatsächlich schaffen unter neunzig Tage zu bleiben. Ich freue mich riesig für ihn und die Nachrichten geben mir nochmals einen ungeheuren Energieschub.
Doch nun ist zuerst einmal ein Ruhetag in Kilpisjärvi geplant. Lisa hat sich entschieden nicht mehr nach Kautokeino weiterzulaufen, stattdessen wird sie nach Südschweden reisen um dort noch etwas wandern zu gehen. Den Ruhetag wird sie allerdings auch noch hier in Finnland einlegen um aufzutanken, zu waschen und auszuruhen. Das Boot legt am Retkeylikeskus an, welches rund vier Kilometer vom Ort Kilpisjärvi entfernt liegt. Das Retkeylikeskus ist eine riesige Herberge, Motel und Campingplatz in einem, besitzt ein grosses Restaurant und verleiht Fahrräder nach Kilpisjärvi runter. An der Reception erhalte ich mein hier hin geschicktes Depotpaket und ich buche gleich eine kleine Hütte für zwei Nächte. Lisa erledigt ihre Weiterfahrt und ich „munitioniere“ meinen Rucksack auf, bevor wir an das herrliche “ all you can eat “ Buffet Restaurant stürmen.
Den Ruhetag verbringen wir mit waschen und essen. Unglaublich wieviel man mittlerweile isst und trinkt, um das Energiemanko wieder in geregelte Bahnen zu bringen. Den Nachmittag verbringe ich am Computer der Herberge, um meine letzte Etappe bis ans Kap zu planen. Mit den Informationen von Øyvind, haben sich einige Lücken geschlossen. Doch bemerke ich hier in Kilpis, dass ich zwei Karten für das Nábár Plateau vergessen habe zu besorgen. Erhältlich sind sie hier nicht und so muss ich mir mit ein paar Computerausdrucken aushelfen. Doch etwas anderes sticht mir nun ins Auge……….
Der Verfolger
Bevor ich startete, richtete sich mein Augenmerk natürlich auch auf all jene, die schon unterwegs waren, die ich allenfalls treffen könnte und die, die in meinem Rücken auch nordwärts unterwegs waren. 2015 ist ein ruhiges Jahr und so fällt der eine oder andere etwas mehr auf, so auch ein etwas älterer Norweger, Per. Ich hatte den Start in Lindesnes noch auf seinem Blog gesehen und aufmerksam seinen Weg verfolgt. Ich sah bald, dass er in unmittelbare Nähe von mir kommen könnte, wenn ich in den Skjækerfjella N.P. kam. Und tatsächlich war er gerade mal vier Tage hinter mir, als ich meine Tour wieder aufnahm. Dieser Abstand sollte sich nun in den nächsten Wochen ziemlich konstant halten. Als Øyvind, kurz nach unserem Zusammentreffen, mehrere Tage mit einem Deutschen aus München unterwegs war, trennten sich die beiden etwas nördlich von Umbukta. Der Deutsche hatte gesundheitliche Probleme und musste ein paar Tage ruhen. In dieser Zeit traf er in der Hütte auf Per, mit welchem er nun die nächsten Wochen unterwegs war. Und da ich einen anderen Weg ging, ergab sich wieder dieser vier bis fünftägige Abstand zwischen uns. Bis nach Kilpisjärvi, da sollte sich die ganze Geschichte ändern. Mit meinen vielen Ruhetagen seit Abisko, konnten die zwei nun aufholen und trafen an meinem Ruhetag in Kilpis ein. Die beiden würden sicher auch eine Ruhetag einlegen und so würde ich wohl wieder Abstand gewinnen und mit meiner eher etwas unkonventionellen Planung, würde dieser Abstand sicher wieder anwachsen. Das Ganze ist höchst amüsant mitzuverfolgen und es ist spannend, wie sich das weiterentwickeln würde.
Ein weiteres enorm grosses Augenmerk ist das Wetter. In Kilpisjärvi werde ich die letzten Wetterinformationen bis nach Alta hoch bekommen. Und dazwischen liegt das Nábár !
Das Nábár
Dieses Hochplateau zwischen dem Reisadalen und Alta, gilt als die grosse Unbekannte auf der Landkarte der Norge på langs Tour. Dieser Gegend ist ein geheimnissvoller und zum Teil auch negativer Ruf vorausgeeilt, so dass rund fünfundneunzig Prozent aller Läufer den riesigen Umweg über Kautokeino, Maze bis nach Alta hoch wählen. D.h. aber auch rund hundert Kilometer und viele Strassenkilometer zusätzlich einzuplanen um dieses Stück Erde zu umgehen. Doch was steckt hinter diesem Mythos Nábár ? Das Nábár beherbergt ein eigenes Mikroklima, welches Schnee im Sommer, Stürme mit über hundert Stundenkilometer Wind oder Sichtweiten bei Nebel unter zehn Meter bedeuten können und dies ohne Schutzmöglichkeiten. Der Grund liegt an seiner orographischen und geographischen Lage östlich der Lyngen Alpen. Kurz erklärt: Wenn Tiefdruckgebiete von Westen an die Lyngen Alpen gepresst werden, steigt die Luft sehr schnell an den Alpen an und erwärmt sich. Durch die hohe nördliche Breite, kühlt sich die Luft wieder explosionsartig ab und sinkt mit hoher Geschwindikeit auf das Nábár hinunter. Da im Winter die Temperaturunterschiede viel kleiner sind, ist das Nábár deutlich stabiler. Mit den Wetterprognosen und Vorhersagemitteln der heutigen Zeit, sollte eine einigermassen verlässliche Prognose kein Problem mehr sein. Doch die Krux liegt darin, dass ab Kilpisjärvi auch keinerlei Mobilempfang mehr ist und man sich somit auf die Langfristprognose verlassen muss. Ab Kilpisjärvi braucht man mindestens vier Tage bis ins Reisadalen und danach folgen nochmals rund vier Tage im Nábár. Das heisst in Kilpisjärvi kann schon die Vorentscheidung fallen, ob man zusätzlich rund hundert Kilometer einplanen muss oder nicht.
Rote Route: Kilpisjärvi, Reisadalen, Kautokeino, Maze, Alta ( Normalweg )
Blaue Route: Kilpisjärvi, Reisadalen, Nábár, Alta ( Abkürzung )
Bis zu meinem Ruhetag vermeide ich tunlichst, irgendwelche Wetterprognosen anzuschauen. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen und habe trotzdem ein mieses Gefühl, irgendwelche Entscheidungen fällen zu müssen. Doch nun ist es soweit…… die Wetterapp auf meinem Smartphone geht auf, ich tippe Kilpisjärvi ein und ???? Ich traue meinen Augen nicht, mir lachen, ab Tag zwei in Finnland, nur noch Sonnen entgegen !! Der nächste Tag soll noch ein Übergangstag mit vielen Wolken werden und danach nur noch Sonne pur, bei Temperaturen um die zwanzig Grad. Ich öffne mehrere verschiedenen Prognoseapps, doch alle sagen mir dasselbe. Ich konsultiere die Webseite der amerikanischen NOAA Wettersatelitten und da ist kein einziges namhaftes Tiefdruckgebiet zwischen Nordamerika und Skandinavien zu sehen……unglaublich. Es treibt mir die Tränen in die Augen, kann ich wirklich soviel Glück haben ? Waren all die Sorgenfalten der letzten Jahre überflüssig gewesen ?
Der nächste Tag bricht an und ich verabschiede mich schweren Herzens von Lisa. Es hat wirklich sehr viel Spass gemacht, gemeinsam durch diese wunderbare Landschaft zu wandern und ich genoss die Begleitung und Unterhaltung in vollen Zügen. Aber ich freue mich auch auf das wo kommen mag, ein neues Kapitel beginnt!

Auf dem Plankenweg nach Kilpisjärvi

Kilpisjärvi
Entlang dem heiligen Sami Berg Saana führt von der Retkeylikeskus Herberge ein Plankenweg ostwärts zum Cáhkáljávri See. Dieser Pfad führt direkt zum sogenannten „Halti-Highway“. Der Halti ist der höchste Berg Finnlands mit 1324 MüM und liegt an der Grenze zu Norwegen, am nördlichsten Ende Finnlands. Es gilt als Brauch und Usus, dass jeder Finne in seinem Leben mindestens einmal auf diesem Berg stand. Daher wird dieser Weg jedes Jahr von tausenden Menschen begangen und entwickelte sich mit der Zeit zu einem komfortablen, breiten Weg oder eben auch „Highway“.
“ Witzigerweise befindet sich der höchste Gipfel des Halti ein paar Meter auf norwegischem Boden. Dies fand bis jetzt kaum Beachtung, bis 2016 die Politik auf den Plan kam. Die norwegische Regierung fasste den Plan, den Finnen die paar Quadratmeter des Gipfels zu schenken. Doch diese Idee fand nicht nur Befürworter ! Da waren die norwegischen Nationalisten welche auf keinen Fall einfach so Ländereien verschenken wollten ( erst noch an die Finnen ). Und da waren die finnischen Nationalisten, für welche es eine grundsätzliche Schmach war, einfach so ein „Ländergeschenk“ annehmen zu müssen. Das Vorhaben ist mittlerweile in beiden Parlamenten blockiert und es zeigt einmal mehr, wie unheilvoll dämlich Politik sein kann !! „

Wegbegleiter

Die Namen wurden nun etwas komplizierter !
Als ich auf den Halti Highway komme, treffe ich nun auch wieder auf den Nordkalotleden. Doch nun änderte auch die Sprache deutlich und so wurde aus Nordkalotleden = Kalottiretti !

Cáhkáljávri und der heilige Berg Saana
Am Nordende des Cáhkáljávri See angelangt, den ich gerade halbwegs umrundet habe, bemerke ich, dass ich das Ganze auch kürzer hätte haben können. So liegt der Weg um den Saana gerade mal einen Kilometer entfernt von mir und ich umrundete mit dem angeschriebenen Pfad in beinahe zwei Stunden den See. Naja, die Landschaft ist ja schön und ich habe mehr als genug Zeit.

Finnische Weite auf dem Halti Highway
Ich habe mich wieder schnell an die Einsammkeit gewöhnt und staune etwas über die menschenleere Landschaft. Wurde mir immer wieder prophezeit hier auf eine wahre Völkerwanderung zu treffen, überfüllte finnische Hütten vorzufinden, doch da ist nichts davon zu sehen.

Coahpejávri See
Nahe des grossen Coahpejávri Sees ist zur Abwechslung ein kleiner und kurzer Grenzübertritt fällig…..
Ansonsten ist nichts zu sehen, ausser eine faszinierende weite Tundra. Als ich so vor mich hinstapfe und wieder mein Tempo finde, treffe ich auf zwei Belgier die mir entgegen kommen und von überfüllten Hütten sprechen. Ein Sturm würde in den Bergen toben und zelten sei unmöglich und ich solle mir das gut überlegen da hoch zu gehen. Lustiges Volk ist da unterwegs, denke ich, ich seh niemanden und windstill ist es auch noch…… Doch als ich zurückblicke, sehe ich in der Ferne einen Wanderer der mir folgt. Rotschwarze Hosen und eine blaue Jacke…… das kommt mir doch irgendwie bekannt vor ?? Ich kann es nicht einordnen und laufe weiter. Doch der Wanderer kommt mit Riesenschritten näher. Als ich die Saarijärvi Hütte passiere und einen kleine Pause einlege, klebt er mir schon an den Fersen und…….steht plötzlich neben mir. Da fällt bei mir der Groschen, dass muss doch der Deutsche sein, der mit Øyvind unterwegs war und die letzten Wochen mit Per nordwärts lief. Tatsächlich, es war Christoph aus Traunstein bei München. Seit vielen Wochen war er nur ein paar Tage hinter mir und hatte mich nun eingeholt.

Ein Bayer im Norden….Christoph
Dieser verrückte Kerl ist doch tatsächlich seit fast einen halben Jahr unterwegs und ist zu Fuss von Traunstein hier hoch gelaufen, fast 5000 Kilometer. Wir haben uns viel zu erzählen und so laufen wir weiter Richtung Kuonjarjoki Hütte.

Guonjarvággi, nahe Kuonjarjoki

Kuonjarjoki Hütte
Wenn man einen Vergleich der norwegischen, schwedischen und finnischen Hütten miteinander anstellen will, dann geht es am besten mit einem erlegten Rentier. Hat man bei den Norwegern das ganze Rentier mit Fell und Fleisch, hat man bei den Schweden zumindest noch das Fleisch. Bei den Finnen hingegen, ist bloss noch das Skelett übrig. Ungemütlich, kalt und ausgestattet mit Holzpritschen. Mit etwas Glück funktioniert noch ein Gasofen, doch da folgt das nächste Problem………. die Bedienungsanleitung!!!

Alles klar ??
Finnische Hütten
Die finnischen Wanderhütten stehen allen Wanderern gratis zur Verfügung und haben alle einen offenen Teil. Meist sind sie sehr spartanisch eingerichtet und auch ungemütlich, vor allem im Vergleich mit den norwegischen. Doch es ist ein wertvoller Schutz bei schlechtem Wetter. Am Halti Highway sind sie meist total überfüllt und ein Platz in der Hütte kaum zu bekommen. Die Eigenart der finnischen Hütten ist jedoch etwas anderes. Sie besitzen meist noch einen Raum der abgeschlossen ist. Will man hier hinein kommen, muss man sich einen Schlüssel mieten und hat dann Eintritt in eine etwas „gehoberene“ Klasse von Hütten ( meist hat es einfach eine lausige Matratze und zwei, drei Bilder an der Wand ). Diese beiden Eingänge befinden sich meist nebeneinander. Man stelle sich nun eine überfüllte Gratishütte bei schlechtem Wetter vor und man kommt mit einem für teures Geld gemieteten Schlüssel und will in die Bezahlhütte, ohne das jemand folgt. Man ist dann wohl gezwungen, hinter sich zu schliessen und sich zu verstecken, will man nicht auch für die anderen mitbezahlen 😉 Das muss wohl ein köstliches Schauspiel und viel angeregte Diskussionen geben !!
Christoph lädt mich zu einem köstlichen Abendessen ein und kocht für mich gleich mit. Der Ansturm von Finnen bleibt aber definitiv aus. Ausser einem älteren finnischen Ehepaar auf dem Weg zum Halti, haben wir die Hütte für uns. Während dem Abendessen beschliessen wir beide zusammen weiterzulaufen. Christoph hat keinen Plan und schliesst sich mir gerne an. Ich habe da rein nichts dagegen, gerade weil es ins Nábár geht freue ich mich auf Gesellschaft. Wie schnell meine Einsammkeit doch wieder endet !

Siedjonjáhku Ebene
Am nächsten Tag liegt noch der morgendliche Nebel über der Siedjonjáhku Ebene. Die enorme Weite erschlägt mich fast und es ist erstaunlich wie sich die Landschaft zeigt. Jahrelang habe ich die Karten studiert und mit der Zeit anhand der topographischen Angaben und der Vegetationsmerkmale ein Bild zurecht geschneidert. Es entstand ein Bild, welches sich mir ins Hirn einbrannte und nun stehe ich hier und alles sieht ganz anders aus als in meiner Vorstellung.

Flusslandschaft Meekonjärvi
Nach rund zehn Kilometern erreichen wir die Flusslandschaft von Meekonjärvi. Das Wetter hellt sich auf und die Sonne zeigt sich immer mehr. Während zuvor eine trostlose Tundra herrschte, stehen wir plötzlich vor einem wunderschönen, grünen Tal. Umrahmt von hohen Tafelbergen, die an jene in Colorado erinnern.
Meekonjärvi besitzt ebenfalls eine offene Wanderhütte, die Bezahlhütte ist aber räumlich getrennt.

Meekonjärvi
Ich bin schlicht sprachlos von dieser wunderschönen Landschaft. Meekonjärvi würde nun auch die Möglichkeit bieten, ostwärts dem Fluss zu folgen und mit ein paar offenen Fischerhütten bis nach Kautokeino zu gelangen. Dies ist allerdings eine sehr sumpfige und nasse Angelegenheit und das Gebiet wird von Trilliarden Mücken beherrscht. Daher wird diese Route meist nur im Winter gemacht.

Farbenspiel im Meekonjärvi Delta
Der Weg führt uns weiter dem Vuomakasjoki Bach entlang Richtung Pitsusjärvi. Die Pitsusjärvi Hütte ist der Ausgangspunkt für den Halti. Hier landen Hubschrauber oder Wasserflugzeuge auf dem See für all jene, die den Halti in einem Tagesausflug besteigen möchten und die vierundfünzig Kilometer von Kilpisjärvi nicht laufen wollen.

Vuomakasjoki
Entlang des Meekonjärvi und des Vuomakasjoki bieten sich unzählige, sensationelle Plätze zum zelten an. Wir bedauern fast noch so fit zu sein, aber wir wollen weiter.

Vuomakasjoki
Unterwegs sehen wir nun tatsächlich das eine oder andere Zelt, aber von Menschenauflauf ist hier weit und breit nichts zu sehen….. Glück gehabt.
Plötzlich stehen wir vor einem grossen See, an dessen Ende eine Hütte sichtbar ist. Wow…. wir sind schon am Pitsusjärvi See und dort am Horizont muss wohl schon die Hütte sein ? Ich kann es fast nicht glauben, wie schnell wir die letzten zwanzig Kilometer gelaufen sind. Der Nachmittag ist noch jung, daher werden wir sicher noch weiter Richtung Somassee laufen……..aber…..???
Irgendetwas stimmt hier nicht. Plötzlich laufen wir einem Bach entlang, den es auf der Karte gar nicht gibt. Die milde Steigung sollte laut der Karte auch steiler sein, aber wir sind immer noch auf dem Nordkalotleden, alles stimmt.

Possieren vor einem Bach den es nach der Karte gar nicht gibt.
Bauklötze staune ich, als wir plötzlich wieder vor einem grossen See stehen, an dessen Ende schon wieder eine Hütte zu sehen ist….. ????

Halti und Pitsusjärvi Hütte ( links unten )
Im See sehe ich zwei Bojen, welche für Wasserflugzeuge bestimmt sind. Nun fallen mir zwei Äpfel von den Augen. Ich nehme die Karte hervor und tatsächlich…… erst jetzt, zwei Stunden später stehen wir am richtigen Pitsusjärvi See. Die letzten Wochen bin ich ununterbrochen nach 50`000 er Karten gelaufen und jetzt habe ich eine 100`000 er Karte in den Händen. Ich habe mich noch nicht umgewöhnt, dass die Distanzen auf der Karte nun wieder um die Hälfte schrumpfen. Und nun sehe ich auch den roten Buckel des Halti vor uns aufragen. Ich muss ein lächeln verbergen, sowas ist mir nun doch noch nie passiert.

Pitsusjärvi Hütte
Christoph und ich sind schnell bei der Hütte, doch hier zu bleiben scheint uns angesichts der supertollen Verhältnisse vergeudete Zeit. Wir sind noch gut drauf und laufen an der Hütte vorbei Richtung Somassee.
Von der Hütte steigt der Weg steil an ins Rássevággi. Vorbei an der Erutosaita Sami Siedlung, führt der Nordkalotleden hier immer höher. Wir befinden uns mittlerweile in den Hochalpen Finnlands, was uns zwar zu Scherzen verleitet, doch die Anstrengung wird nicht weniger und wir haben doch seit gestern, Finnland schon praktisch durchquert!

Erutosaita Sami Siedlung

Cáhppesjávrrit
Als wir endlich bei knapp tausend Höhenmetern die Cáhppesjávrrit Seen erreichen, knabbern wir doch langsam an unseren Reserven. Es wir auch nach einer grösseren Pause klar, Somas werden wir heute nicht mehr erreichen und so halten wir Ausschau nach einem schönen Zeltplatz.

Goapmavárri
Durch das Goapmavárri Tal runter, erkennen wir am Horizont den tiefblauen Somájávri.

Somájávri
Als wir den wunderschönen Somassee betrachten, sehen wir rechterhand unter uns ein kleines geschütztes Tal. Ein perfekter Platz am perfekten Ort.
Es gibt nichts zu beschönigen, wir sind beide ziemlich Nuddelfertig, doch wen wundert`s, nach diesen zwei Monsteretappen in den beiden letzten Tagen. Ich kann es noch gar nicht fassen, ich stehe tatsächlich schon fünf Kilometer von der norwegischen Grenze entfernt und habe somit Finnland in zwei Tagen durchquert. Das Wetter könnte nicht besser sein, eine leichte und kühle Brise verhilft zu besten Laufverhältnissen und ein Wetterumsturz ist nirgends zu sehen.

Somasjärvi
Früh am morgen sind wir schon wieder unterwegs.Nach einem erholsamen Schlaf sieht die Welt schon wieder fit und rund aus und so stehen wir knapp eine Stunde später an der letzten, kleinen finnischen Hütte Kopmajoki. Oft wird diese kleine Hütte als hässlich und nicht empfehlenswert beschrieben, ich finde aber, da gibt es wirklich ungemütlichere. Doch wir lassen die Hütte links liegen und stehen schon bald am letzten Grenzstein meiner Reise.

Kopmajoki Hütten

Letzter Grenzübertritt nach Norwegen am 16.August
Als wir am Grenzkern eintreffen, findet zur gleichen Zeit ein paar hundert Kilometer nördlich ein anderes Ereigniss statt, Øyvind erreicht das Nordkap. Ich werde zwar erst in paar Tagen erfahren ob es wirklich so war, doch habe ich die letzten Tage mit ihm mitgezählt. Und ich ? Ich stehe zum letzten Mal bei Norge på langs in Norwegen und werde es nun bleiben bis zum Schluss. Dreizehn Grenzüberschreitungen liegen hinter mir und mittlerweile c.a. 2700 Kilometer, das Ende ist absehbar.

Somashytta Statskog
Und dann stehen wir am Seeende bei der Somashütte des Statskog. Diese kleine Hütte ist offen und gratis und hat vier Pritschen. Wir machen eine kurze Pause. Christoph hinterlegt in der Hütte eine Nachricht an Per, der wahrscheinlich in zwei, drei Tagen hier vorbeikommen sollte. Ich sitze in der Hütte und lese den Hüttenbucheintrag von Simon. Da sass er nun an seinem Geburtstag 2013 mutterseelenalleine, ( der Tag, an welchem er am Nordkap sein wollte ) draussen schneite es und ich verklickerte ihm noch drei Tage zuvor, “ geh durch`s Nábár, Du wirst ein einigermassen gutes Wetterfenster haben “ . Ich atme tief durch….. wie musste sich Simon wohl gefühlt haben bei dem Blick zum Fenster raus und dem Bewusstsein, am nächsten Tag bei schwierigen Verhältnissen ins Nábár einlaufen zu “ müssen „. Ich sass zuhause wie auf Nadeln, verfolgte das Wetter und hoffte so sehr, dass er es trotz dem Wetterwechsel packen würde. Er tat es souverän ! Und nun sitze ich da, schaue zum Fenster raus auf einen knallblauen Himmel, im Windschatten sind es wohl schon zwanzig Grad Celsius und die Wetterprognose hält wie ein Eisenträger !
Wer nun auf dem Nordkalotleden bleibt, der wird rund dreissig Kilometer bis nach Saraelv laufen um ins Reisadalen runterzukommen. Saraelv hat eine unbediente Hütte ( auf Voranmeldung ) und ist der letzte Punkt, an welchem eine befestigte Strasse aus Storslett hinkommt. Von dort folgt man dem Weg wieder südostwärts zur Nedrefosshütte des DNT, was noch einmal rund dreissig Kilometer bedeutet. Ein riesiger Umweg, um von der Somashütte zur Nedrefosshütte zu gelangen. Im Vorfeld meiner Tour hatte ich Kontakt mit Håvard aus Norwegen. Er absolvierte Norge på langs 2010 und schrieb mir, das er diese Abkürzung von der Somas runter ins Reisadalen gemacht habe und alles gut geklappt habe. Mit einer ungefähren Beschreibung machte ich mich auch an die Planung für 2013. Das Simon nun wieder ausbaden durfte was ich geplant hatte, war mir nicht recht, doch er fand die Idee genau so faszinierend wie ich und…….. es klappte auch bei ihm.
Die Abkürzung
Die Voraussetzungen für diesen Part der Tour können kaum besser sein. Top Wetter und Sicht und absolut gut drauf, auch heute wieder an die dreissig Kilometer ranzukommen.

Watung des Somassee – Ausfluss bei der Somashütte
Gleich nach der Hütte steht zuerst eine Watung an. Zurzeit herrscht eine grosse Trockenheit, daher werden sämtliche Watungen wohl problemlos verlaufen, was für die Routenwahl positiv sein kann. Nach dem „Bad“ steigen wir den kleinen Hügel nördlich der Hütte an und sehen bald darauf in das riesige Hárrvesvággi Becken hinunter.

Blick zurück auf den Somájávri
Nun, hatte mir Simon nicht noch vor der Tour erzählt, ich solle links vom Bach bleiben ? Hatte er mir das nicht noch auf der Karte eingezeichnet ? Doch was nützt es, wenn man nicht darauf hört und so sollte kurz nach dem Hügel ein weiteres hüfthohes Bad folgen.

Hárrvesjohka
Allerdings, bei diesem Wetter und Temperaturen können solche Watungen unter „Genuss“ abgebucht werden ! Bei schlechter Sicht würde man wohl jetzt am besten dem Hárrvesjohka bis zum Hárrvesjávri See folgen und dann nordöstlich in das Tal einbiegen. Doch Christoph und ich wählen gleich linkerhand den leichten Anstieg zu einem namenlosen, kleinen See um dann direkt ins nächste Tal zu gelangen.

Hárrvesvággi ( im Hintergrund der Halti )
Oben angelangt, stehen wir vor einem grossen Felsenmeer mit riesigen Blocksteinen. Dieser Teil könnte bei Nässe und Nebel sehr trickreich werden, da man sich einen Weg durch die riesigen Felsen bahnen muss. Doch heute…….problemlos!

Hárrvesjávri Seen

Pausenlose Energiezufuhr
Wir kommen super vorwärts und stehen schon bald im Tal des Gánesjohka. Dieser Bach ist heute kaum mehr als ein Rinnsal und so ist auch hier das waten mehr ein Genuss. Die Terrain Verhältnisse sind weitaus besser als erwartet, die Kilometer fliessen nur so an uns vorbei und uns bleibt viel Zeit, diese phantastische Landschaft zu geniessen.

Gánesjohka Tal
Wir folgen dem Bach, bis er am Fuss des siebenhundert Meter hohen Vuomádatcohkka deutlich nach Südosten wegführt. Simon wählte 2013 den Weg über den Berg um danach dahinter in einem sehr steilen Abstieg zur Nedrefosshütte zu gelangen. Øyvind gab mir den Tip, westlich um den Berg herum zu laufen und dann auf die Elektrizitätsleitung zuzuhalten. So würde ich den guten Abstieg finden. Dem Gánesjohka zu folgen war definitiv kein Plan, den dieser Weg würde vor einer Felswand oberhalb der Hütte enden! So ziehen wir westwärts dem Holgajohka Tal entlang, bemüht den zum Teil sehr hohen Felsstufen, die quer im Tal liegen, auszuweichen. Gleichzeitig steigen wir an der rechten Seite des Tals immer höher, um auf die Hochebene des Holgavárri zu kommen.

Felsstufen des Holgajohka Tals

Hochebene des Holgavárri
Wir kommen auf den höchsten Punkt und tatsächlich…… vor uns erkennen wir den Einschnitt des Reisadalen, vis a vis das Nábár und auch die in der Sonne glänzende Elektrizitätsleitung. Die Beschreibung Øyvinds passt genau. Ich frage mich allerdings, wie konnte es mir passieren, in all den Jahren der Planung diese Leitung in der Karte nicht beachtet zu haben. Natürlich ist so eine Leitung keine Garantie für einen guten Talabstieg, doch meist werden aus Wartungsgründen einigermassen gut begehbare Orte gewählt.

Diese Leitung gibt, sprichwörtlich, Energie in jeder Form!
Wir halten nun direkt auf die Leitung zu und können noch nicht erahnen, dass es gleich eine faustdicke Überraschung geben wird. Plötzlich öffnet sich vor uns eine extrem steile Schlucht. Wir schlucken leer und setzen uns hin um das Ganze zu studieren. Es wäre kein Problem das Vuomádatjohka Tal östlich zu umgehen um auf die andere Seite zu gelangen, doch das wäre glatt ein Umweg von mindestens einer Stunde. Øyvind musste wohl deutlich östlicher gegangen sein als wir. Ich schaue mir auch den vor uns liegenden Abstieg genau an, doch der ist wirklich sehr steil ! Mit einem kleinen Tagesrucksack wäre das kein grosses Ding hier runterzukommen, jedoch mit fünfundzwanzig Kilogramm oder mehr hier ins straucheln zu geraten, könnte fatale Folgen haben. Doch je näher ich mir den Abstieg ansehe umso überzeugter bin ich, dass wir es schaffen können. Ein kleiner Grat welcher scheinbar von Tieren benutzt wird und alles eingepackt mit kleinen Birken und grünen, saftigen Sträuchern, welche als Halt dienen können, sind Argumente genug da runterzugehen. Keine fünfzehn Minuten später stehen wir in dem kleinen Tal des Vuomádatjohka Tals, es hat geklappt. Doch bevor sich eine grosse Erleichterung breit macht, kommt schon der nächste Dämpfer. Auf meinem Höhenmeter erkenne ich, dass noch immer c.a. hundert Höhenmeter bis zur Reisa runter fehlen. Wenn nun der Vuomádatjohka Bach auf eine Felswand zufliesst und sich dort in einem Wasserfall zur Reisa runter ergiesst, würde das wohl bedeuten, dass wir auf der anderen Talseite wieder rauf müssten !! Dies scheint auch Christoph durch den Kopf zu gehen und so laufen wir schweigend dem Bach entlang weiter. Ein wunderschönes, grünes und fruchtbares Tälchen liegt zu unseren Füssen, eigentlich der perfekte Rückzugsort für die Reisabären wenn da vorne keine Steilwand kommt !!! Jetzt muss ich aber wirklich laut lachen, den ich frage mich nun wirklich in allem Sarkasmus was mir lieber wäre: Kein Wasserfall mit Bären, oder ein Wasserfall ohne Bären !

Vuomádatjohka

Vuomádatjohka Tal
Und es werden definitiv keine Bären. Schon von weitem hören wir das Geplätscher des Wasserfalls. Das kleine Tal hat definitiv zu wenig Gefälle und so stehen wir vor einem etwa fünfzig Meter hohen Wasserfall. Hier führt kein Weg runter, doch……….. was für eine Aussicht !!

Reisadalen
Es verschlägt uns fast die Sprache. Wir stehen wohl an der schönsten Stelle, um einen Blick in dieses phantastische Tal zu kriegen. Wir vergessen uns und unsere Situation fast, als ich rechterhand zwischen den Bäumen etwas aufblitzen sehe……..kann es wirklich sein, dass da……?? Ich steige auf einen Stein und tatsächlich, ich sehe die Drähte der Elektrizitätsleitung keine hundert Meter von uns weg in der Sonne blitzen. Wir traversieren den steilen Hang rüber und stehen…. direkt unter der Leitung !

Reisadalen E-Leitung
Ich kann es kaum glauben, als wir unmittelbar unter der Leitung einen guten Weg runter ins Tal finden. Die Sonne brennt heiss und die Reisamücken gehen auf Totalangriff über. Doch wir wollen nur noch eins, sofort ans kühle, klare Wasser der Reisa !

Reisa
Wir stecken unsere Köpfe ins kühle Nass und lassen das klare Wasser durch unsere Kehlen laufen. Ich weiss jetzt definitiv wie das Paradies aussieht! Nach dieser Erfrischung machen wir uns auf den Weiterweg. Obwohl jetzt ein wunderbarer DNT Wanderpfad vor uns liegt, sind es doch noch gute sechs Kilometer bis zur Nedrefosshütte und dass nach diesem doch anstrengenden Tag. Doch ich bin überglücklich hier nun im Reisadalen angekommen zu sein. Die Abkürzung hat sich extrem gelohnt und selbst dieser „kleine“ Umweg für den Abstieg ins Tal wurde wohl mit einer der schönsten Aussichten der Tour belohnt.
Abkürzung Somashütte – Nedrefosshütte
Für alle Interessierte dieser Abkürzung, habe ich eine kleine Infokarte mit den wichtigsten Hinweisen angeheftet . Die Benutzung der Karte erfolgt auf eigenes Risiko ! Bei meinen Verhältnissen 2015 war die Abkürzung absolut problemlos und sehr gut machbar. Doch es muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass bei schlechteren Verhältnissen ( Sicht und Terrain ) die Abkürzung nicht unproblematisch ist und Erfahrung im Gelände Voraussetzung ist. Es gibt auf der ganzen Strecke keinerlei Mobilempfang und auch keine Nutzung durch Menschen. Die Distanz zwischen den Hütten beläuft sich auf c.a. 25 Kilometer, wovon rund 19 Kilometer wegloses Terrain sind. Für Änderungen oder Ergänzungen freue ich mich über Kontaktaufnahme.
Unterwegs treffen wir noch auf eine kleine Schutzhütte, bevor wir nach knapp über einer Stunde endlich in der Nedrefosshytta DNT eintreffen.

Nedrefosshytta DNT
Der Tagesabschluss durch das Reisatal ist nahezu perfekt ( abgesehen von der Mückeninvasion ), doch auf die Pause freuen wir uns sehr. Mutterseelenalleine haben wir die Hütte für uns und geniessen den ruhigen und vorallem unwahrscheinlich schönen Abend in diesem Paradies des Nordens !

The Spirit of Reisadalen
Demnächst….. Teil 11 : Nábár, die Unbekannte