„Off Track“ Wandern


So, die ersten Erfahrungen in Norwegen sind gemacht, die ersten DNT Wanderwege begangen und die ersten Touren im norwegischen Fjell sind absolviert. Vielleicht hat man sich auch schon etwas neben die Wege begeben, um das Zelt ungestört an einem schönen Ort aufzubauen.

Warum nicht auch gleich mal quer durch das Fjell wandern, ohne Wege, Pfade und Wegweiser, weg von der Zivilisation in der grossen weiten Wildnis? Doch kann ich das? Was brauche ich dazu? Wie schwierig ist die ganze Sache?

In diesem Artikel möchte ich gerne auf diese viel gestellten Fragen ein paar Antworten geben. Zu Beginn vielleicht schon mal die Entwarnung: Nein, es ist nicht schwierig und wer sich an ein paar grundlegende Basics hält, der wird eine neue, unbekannte und aufregende Welt kennenlernen. Die Welt des „off track“-wandern, wie dies heutzutage in Neudeutsch genannt wird 😉

Wo am besten!

Dass sich der hohe Norden Europas für ein solches Projekt sehr gut eignet, wird ja wohl den meisten schon bewusst sein. Ich beziehe mich bei den Beschreibungen, vor allem auf Norwegen, dies kann aber praktisch eins zu eins auch auf Schweden und zum Teil auch Finnland übertragen werden, da alle Länder in etwa die gleichen Voraussetzungen haben.

Der Süden: Der Teil des Landes, der über die dichteste Zivilisation und die üppigste Vegetation verfügt, sollte sich eigentlich am wenigsten eignen, denkt man. Doch man irrt sich da gewaltig, den auch der Süden verfügt über riesige Fjells, sogar in Stadtnähe, die menschenleer und sich perfekt zum „off track“-wandern eignen. Wer sich nicht gerade die frequentiertesten Fjells und National Pärke antun will, der wird auch kleinere, stillere Gegenden finden.
Kontakt mit der Zivilisation, wie zum Beispiel Ferienhäuser oder sogenannten „HYTTEGRENDS“, wo sich zum Teil hunderte dieser kleinen Häuschen auf engstem Raum befinden, ist sehr schnell gemacht. Sehr oft lädt auch ein solches Häuschen mitten im Wald, mit dem wunderschönen englischen Rasen vor der Terrasse, ein, sein Zelt auch gleich dort aufzubauen…..ist ja niemand da und im Norden gilt ja das Jedermannsrecht. Doch STOP! Privatgelände ist, wie auch bei uns, tabu und wer meint es merke ja doch niemand. Es kann sehr wohl sein, dass man beim Zeltaufbau im abgelegensten Fjell, irgendwo in Oslo auf einer Überwachungskamera beobachtet wird, und in kürzester Zeit unerfreulichen Besuch aus der Nachbarschaft bekommt. Wer sich aber durch einen „Hyttegrend“ bewegt und Menschen sieht, kann sehr wohl fragen, ob es irgendwo eine Möglichkeit gibt und selten wird man dabei nicht fündig. Freundlich fragen und mit Respekt und Rücksichtnahme, können sich auch in bewohnten Gebieten die schönsten Campsites auftun!
Wer sich etwas aus den mückenverseuchten Wäldern und Buschlandschaften mit zum Teil sehr anstrengendem Laufgelände fern halten will, der wird einfach ein Hochfjell, ab c.a. 800-1000 Höhenmeter, wählen.
Zudem hat der Süden natürlich den Vorteil der schnellen Erreichbarkeit, zum Beispiel von Oslo aus. In wenigen Stunden ist man in der Vesthei, der Hardangervidda oder Femunden.

Die Mitte: Die Mitte des Landes wird vor allem durch Sumpf, Moor und Wasser beherrscht. Sie ist touristisch sehr wenig erschlossen, bietet dafür ein grosses Potential des „off track“-wandern an. Wie im Süden gilt auch hier, je höher man geht, umso weniger Probleme mit der Umwelt stellen sich einem in den Weg. Fjells wie das Blåfjell sind menschenleer und dank der durchschnittlichen Höhe von rund 900 Höhenmetern, auch gefeit vor Sumpf und viel Wasser. Die Erreichbarkeit ist hier eher etwas länger, dafür wird man sich hier wirklich in der Einsamkeit vorfinden.
Wie in allen Hochfjells ist immer grösste Rücksicht auf die Rentierherden zu nehmen. Diese dürfen unter keinen Umständen gestört werden und es gilt einen grossen Bogen um sie zu machen. Die Samis bewachen diese domestizierten Herden scharf und man wird immer wieder auf diese Rentierhirten treffen. Man sollte sich bewusst sein, dass dies ihr Land ist und sie auch darüber bestimmen, wer hier welche Rechte und Pflichten hat. Gerade Fjells wie das Børgefjell, sind typische Beispiele von unerschlossener Wildnis, die immer wieder von Touristen aufgesucht werden und wo das Konfliktpotential sehr schnell ausgereizt ist.
Die Mitte bietet aber auch mit dem Okstindan Gebirge Möglichkeiten, „off track“-wandern in alpinen Gegenden zu erleben.

Der Norden: Niemand, der wirklich abseits der Wege unterwegs sein will, kommt um den hohen Norden herum. Die Gegenden sind kaum erschlossen, die Wege weitab und das Gefühl von Freiheit und Einsamkeit könnte hier kaum grösser sein. Egal ob das Nordland, Narvikfjell oder die Finnmark, hier ist man weit weg vom Schuss und auch die Vegetation hat sich soweit zurückgelegt, dass man sich kaum irgendwo noch durch Wälder hindurchwühlen muss. Das Gelände ist oft sanft und flach, dafür umso steiniger und rauer. Sumpf und Moore sind selten, dafür gibt es oft grössere Fluss- und Bachsysteme zu queren. Mit der Mitternachtssonne hat man aber auch kein Lichtproblem, dafür sind die Wettersysteme oftmals ziemlich harsch und stürmisch. Ein Sturm im nordischen Fjell kann ganz schön an die Substanz gehen!

Doch egal wohin man sich entschliesst zu gehen, überall gilt das gleiche. Eine seriöse Vorbereitung, ein paar Grundkenntnisse und die nötigen Vorsichtsmassnahmen gehören dazu.

(Einige Sicherheitshinweise und Vorsichtsmassnahmen für die Erste Hilfe, habe ich ja schon in „Martins A-Z“ beschrieben.)

Wie bereite ich mich vor?

  • Wohin gehe ich? Hat man sich für ein Gebiet entschieden, sollte man sich einen Zeithorizont setzen können. Man hat oft keinerlei Möglichkeiten Proviant aufzunehmen, es ist keine Infrastruktur vorhanden und sehr oft fehlt auch die Mobilfunkabdeckung um kurzfristig etwas umzuplanen. Daher macht es Sinn, sich eine gewisse Zeit abzustecken.
  • Wie kann ich mich im Gelände orientieren? Für mich gehört ganz klar eine Papierkarte und ein kleiner Kompass ins Gepäck. Ich verlasse mich nie vollständig auf elektronische Mittel. Ein Energieausfall, ein Defekt, eine leere Batterie kann es ganz schnell ungemütlich werden lassen. Die Karte ist immer „Online“ und hat genügend Power und der Kompass funktioniert bei jedem Wetter und zu jeder Tageszeit.
  • Wie beginne ich eine Tour: Das ist das einfachste am Ganzen….man läuft einfach mal los! Gerade wenn man sich nicht konkret auf eine Strecke festlegt und von A nach B gelangen will, so spielt es kaum eine Rolle wohin, wie weit und wie lange man geht. Hat man einen konkreten Plan, dann sollte man sich im Vorfeld etwas genauer anschauen, wohin man läuft, denn, wo keine Wanderwege sind, können sehr viele Überraschungen warten.

Das A und O des „off track“ -wandern, ist und bleibt aber die Landkarte. In dieser sind praktisch alle Informationen gespeichert die man benötigt und die uns durch eine oft raue, wilde Landschaft führt.
Sehr wichtig ist, dass die Karte einen Massstab hat, der uns auch die Details zeigen kann. Karten mit einem Massstab über 1:50 000 sind oft nicht mehr sinnvoll, mit Ausnahme spezieller Karten wie z.B. die schwedische „Fjällkartan“ im Massstab 1: 100 000. Ein oft genutzter Massstab ist 1:50 000 und genügt vollauf in der detailgetreue.
Sind Gebiete sehr gebirgig oder haben übermässig viele Wasserläufe wie Bäche und Flüsse, dann kann unter Umständen eine Karte mit dem Massstab 1:25 000 nützlich sein.

Handelsübliche Topographiekarten 1:50 000

In der digitalen Welt kommen heute aber auch Hilfsmittel wie Satellitenbilder, Google Earth, Fotos usw. zusätzlich zum Einsatz. Zusammen mit den Landkarten können sie uns helfen, eine Planung noch genauer zu machen und vielleicht sogar sicherer.
Doch wie so oft, hat auch diese Seite einen Haken. Auch wenn wir viele Informationen über ein Gebiet zusammen bekommen, viele Bilder gesehen und zig Karten studiert haben, ohne richtige Interpretation nützen uns diese Dinge nicht viel.

Eine Karte und deren Inhalt richtig zu interpretieren, ist oft nur durch ein Basiswissen und später ein „learning by doing“ zu erlernen.

Mit ein paar wenigen Beispielen ist schnell erklärt, was damit gemeint ist:

Die Topographie / Höhenlinien

Zuerst folgt der Blick auf die Landkarte, auf der wir einen Weg durch die Landschaft suchen.

Topographiekarte 1:50 000

Auf dieser Karte möchten wir einen Weg durch die beiden Seen, von links nach rechts wählen. Das ungeübte Auge wird hier nicht sonderlich grosse Probleme feststellen. (Das etwas erfahrenere Auge sieht aber schon etwas auffälliges: eine waagrechte, braune und dicke Linie).

Wir greifen auf ein Satellitenbild zurück, um das Rätsel der Linie zu lüften.

Satellitenbild / Google Earth

Auch auf dem Satellitenbild sieht man nicht deutlich mehr, ausser dass an der Stelle der braunen Linie in der Landkarte, scheinbar eine Geländestufe sein könnte.

Tatsächlich handelt es sich hier um eine kaum zu erkennende Geländestufe, die in diesem Fall in der Finnmark 2015, auch kein allzu grosses Problem war.

Geländestufe Nähe der Somashütte / Finnmark

Schnell kann eine solche Stufe aber einen Weg durch ein Tal versperren oder einen grossen Umweg bedeuten. Bei sehr dichtem Nebel und Unachtsamkeit, kann eine solche Stufe auch schon mal gefährlich werden!

Höhenlinien: Eine der aussagekräftigsten Hinweise in den Landkarten sind die Höhenlinien! Der dicke, braune Strich ist nämlich nichts anderes, als unzählige dicht aneinanderlegende Höhenlinien und bedeutet: sehr steiles Gelände, oder eben eine Felswand. Je näher diese Linien liegen umso steiler wird es und das bedeutet, wir suchen uns besser einen Weg durch eine Zone mit weiter auseinanderliegenden Linien.
Eine richtige Interpretation durch ein Satellitenbild ist oftmals nicht möglich, da der Aufnahmezeitpunkt sehr ausschlaggebend ist für das Bild. Wird das Bild am Mittag bei hochstehender Sonne gemacht, deutet nichts auf eine steile Wand hin, da der Schatten kaum sichtbar ist. Am Morgen oder Abend könnte man aber bei einer zwei Meter hohen Wand schon fürchten, dass es dort mehrere dutzend Meter runtergehen könnte.
Daher sollten Satellitenbilder immer mit Vorsicht benutzt werden, ihre Aussagekraft ist nicht über alle Zweifel erhaben.

Gewässer

Gewässer: Beim „off track“-wandern sind Bäche, Flüsse und Seen oft das grösste Hindernis, nebst den Bergen. Hinzu kommt, während dem die Berge über Jahrtausende gleich bleiben, verändert sich das Gewässer zum Teil innerhalb Stunden oder sogar Minuten. Landkarten und auch Satellitenbilder, geben uns eine Momentaufnahme wieder und die kann unter Umständen schon mehrere Jahre zurückliegen. Ausser einem Hinweis, erhalten wir hier keine genaueren Informationen und meist müssen wir uns überraschen lassen, ob es möglich sein wird, z.B. einen Bach zu überqueren.

Anders als bei den Höhenlinien, können die Darstellungen von Gewässern hier aber sehr schnell ein ungenaues Bild vermitteln, mit Ausnahme von Seen die ja meist gleichbleibend sind.

Topographiekarte 1:50 000 (Gewässer)

Auf diesem Beispiel (Bachüberquerung zwischen der Dividalshütte DNT und Dæertahütte DNT im Øvre Dividalen National Park / Troms og Finnmark) zeigt uns die Karte einen sehr breiten Bach. (Die rote Linie ist der DNT- Wanderweg, den ich exemplarisch gewählt habe um die Überquerung darzustellen. Beim „off track“-wandern fehlt diese Linie natürlich!).
Die Informationen aus der Karte sind sehr dürftig. Wir kennen weder die Wassertiefe noch die Wassermenge. Bei einem eingezeichneten Wanderweg kann man bequemerweise davon ausgehen, dass es hier eine Furt oder ähnliches hat und die Traversierung kein grösseres Problem darstellen wird. Beim „off track“ sieht dies aber anders aus, einzig das wir wissen, es könnte hier ein Problem vorherrschen.

Satellitenbild / Google Earth

Das dazugehörige Satellitenbild hilft uns definitiv nicht weiter, da die Qualität sehr schlecht ist und kaum etwas zu erkennen ist. Aus Satellitenbilder können wir höchstens anhand weisser Schaumkronen auf dem Wasser herausfiltern, ob das Wasser wild oder ruhig fliesst. Auch hier haben wir keinerlei Hinweise auf Tiefe oder Geschwindigkeit.
Haben wir nun nur diese zwei Hinweise mit der Karte und dem Bild, besteht eine sehr grosse Ungewissheit, ob wir hier den Bach queren können.

Jiertta Bach mit DNT Wanderweg
Jiertta Bach bei der Furt

Erst vor Ort stellen wir fest, dass dies überhaupt kein Problem darstellt und wir hier sogar ohne Wasserberührung über den Bach gelangen.

Gewässer sind beim „off track“-wandern in den allermeisten Beispielen ein reines Glücksspiel. Zuviel Faktoren greifen ineinander, um im voraus eine zuverlässige Planung machen zu können. Zum einen, wie gesehen, der visuelle Faktor auf der Karte und dem Bild, zum anderen die Variabilität des Gewässer aufgrund der Niederschläge, Trockenheit, Schneeschmelze oder der Beschaffenheit des Bach- oder Flussbetts.

Gerade diese vielen Faktoren können eine grosse Unsicherheit verursachen:

Niederschläge: Ein Gewässer kann nach einem Gewitter, innerhalb weniger Minuten unpassierbar werden. Schnell ansteigende Pegel können sehr gefährlich werden, wenn man davon überrascht wird. Daher sollte gerade bei Gewitter niemals ein Gewässer gequert werden! Genauso kann ein hochgehender Bach, der auf den ersten Blick nicht passierbar ist, innerhalb weniger Minuten so tief absinken, dass das waten möglich wird.
Gerade bei wetterbedingten Pegeländerungen, kann etwas Geduld einen langen Umweg wett machen. Hier lohnt es sich mal ein wenig abzuwarten.

Schneeschmelze: Das „off track“-wandern ist saisonal bedingt schwieriger oder einfacher. Im Frühling führen praktisch alle Gewässer sehr viel Schmelzwasser und sind auch an „harmlosen“ Orten oft nicht passierbar oder sogar gefährlich.
Im Sommer können mit den Gewittern schnellansteigende Bäche für böse Überraschungen sorgen, oder längere Wartezeiten verursachen. Die Schneeschmelze kann auch hier in höheren Gebieten immer noch eine Rolle spielen.
Im Spätsommer und Herbst hingegen, sind die Pegel der fliessenden Gewässer oft sehr tief und nur mit den herbstlichen Stürmen, können diese wieder anschwellen. Schmelzwasser ist nicht mehr vorhanden und das meist etwas trockenere Klima lässt die Bäche deutlich abschwellen. Somit eignet sich die spätere Jahreszeit am besten für dieses Vorhaben!
Doch die Schneeschmelze findet nicht nur jahreszeitlich statt, sondern auch tageszeitlich. Aber Achtung! Anders als zum Beispiel in den Bergen der Alpen, gibt es im hohen Norden in der hellen Jahreszeit kaum eine grössere Abkühlung in der „Nacht“. Weit im Norden kann die Sonne sogar 24 Stunden scheinen und der Effekt, dass die Pegel in der Nacht wegen der fehlenden Wärme und Sonne sinken, entfällt komplett!
Wer also im Sommer am Abend an einem hochgehenden Bach campieren möchte, sollte die Überquerung des Gewässers auf den Morgen verschieben, unter Umständen wird da der Pegel etwas abfallen.

Beschaffenheit: Wir alle kennen das: da wo der Bach am breitesten ist, ist er auch einfacher zu queren, da er dort nicht so tief und schnell fliesst! Dieser Fakt ist absolut richtig und wer bei der Planung auf dies achtet, wird auch am erfolgreichsten sein. Hier empfiehlt es sich aber auch vor und nach der breitesten Stelle, die Karte etwas zu studieren, denn ab und zu sind diese Stellen nicht so sehr geeignet, da zum Beispiel durch das langsam fliessende Wasser, sehr viele glitschige Algen und Flechten an den Steinen haften. Es kann auch sehr viel Geröll den Weg versperren und manchmal bietet eine engere Stelle sogar die Möglichkeit über grosse Blöcke das Wasser sogar ohne Wasserkontakt zu queren.
Wasserabläufe aus einem See bieten meist schlechte Querungsmöglichkeiten, da das Wasser sehr viel Material mit sich nimmt und der Pegel oft tief ist. Wassereinläufe in Seen hingegen, bieten oft kleinere und weit gefächerte Deltas, die ein queren leichter machen.

Wassertemperatur: Nichts geht über eine kühle Erfrischung an den Füssen, wenn man Stunden hart gelaufen ist. Wasserquerungen sind eine Wohltat und verhelfen der Blutzirkulation einen gehörigen Schub! Breite Wasserquerungen können aber auch sehr schnell zu Unterkühlung oder sogar Erfrierungen führen. 50 Meter bei Eis- und Schneewasser, glitschigen Steinen, schlechtes Gehgelände können die Distanz schnell zu spürbaren 500 Metern anschwellen lassen. Dies sollte bei der Planung auch berücksichtigt werden.

Nach den Höhenlinien, den Gewässern, wird uns beim „off track“ wandern noch ein drittes Element beschäftigen: die Vegetation.

Die Vegetation

Die aufgedruckte Legende bei den Landkarten ist selbsterklärend und die Symbole leicht verständlich. Doch oft sitzt die Lösung im Detail. Die Karten haben sich über die letzten 20 Jahren verändert, viel nützliches ist dazugekommen und leider auch viel benötigtes verschwunden.

1:50 000 Topographiekarte
1:50 000 Topographiekarte (Sumpf)

Mit unterschiedlichen Farben wird gezeigt, um was für ein Terrain es sich in diesem Abschnitt handelt.

  • Die blau schraffierten Flächen sind jene, die man beim „off track“-wandern in den meisten Fällen meiden sollte, da es dort Sumpf und Moore hat.
  • Bei den grünen Flächen handelt es sich um grüne Vegetationsflächen. Das kann Wald sein, Gebüsch oder auch Wiesen. Leider hat man in den letzten Jahren damit begonnen, die Einzelsymbole für sehr buschlastige Flächen aus den Karten zu entfernen. Diese Symbole waren sehr wertvoll, da es sich meist um jene typisch norwegischen schulterhohen, grob verwurzelte und kaum durchdringbare Büsche handelt, bei denen ein Durchkommen nur sehr erschwert möglich ist. Mit etwas Erfahrung sind solche wilden Vegetationsflächen aber leicht zu erkennen und vor allem befinden sich diese Büsche meistens an schattigen, feuchten Hängen. Sehr oft nordseitig von Seen gelegen. Beim „off track“-wandern, sollte man einen grossen Bogen um diese Gebiete machen, da ein Durchkommen extrem mühsam sein kann! Bei Seen ist oft die Seite die mehr Sonne und Licht bekommt, weit besser zu durchwandern, da es dort trockener ist.
  • Die hellbraunen und grauen Flächen sind mit Abstand am besten zu bewältigen, da es hier kaum Vegetation oder Wasser hat. In den meisten Fällen liegen diese Gebiete auch erhöht in der Landschaft und auch die Wasserläufe sind hier noch kleiner, als in den tiefer gelegenen Gebieten. Wer sich an diese „Farbe“ hält, wird selten auf grössere Hindernisse (ausser steile Hänge und Hügel) stossen.

Künstliche Landmarken

Wenn man vom „off track“-wandern spricht, dann mag es etwas seltsam tönen, wenn plötzlich die Sprache auf menschengemachte Landmarken (Merkmale) fällt. Und doch gibt es sie und sie können unter Umständen die Orientierung einiges vereinfachen.

Norwegen bezieht seinen Hauptenergiebedarf aus der Wasserkraft, ähnlich wie die Schweiz. Während aber in der Schweiz riesige Staudämme und Kraftwerksanlagen nötig sind um das Wasser aufzustauen, genügt in Norwegen topographiebedingt, meist nur eine kleine tiefe Mauer, die erst noch mit Bruchsteinen eingefasst wurde und somit manchmal kaum sichtbar ist. Die wenigsten wissen, dass viele grosse Seen in Norwegen das Ergebnis von aufgestautem Wasser sind. Die natürliche Wasserfläche ist oft meist nur ein Bruchteil, des jetzigen Stauvolumens. So kann eine 5 Meter hohe und vielleicht 10 Meter lange Staumauer ein gewaltiges Gebiet unter Wasser setzen, dass z.T. fast die Wassermenge eines halben Bodensees beinhaltet.
Die Norweger sind sehr erpicht darauf, die Technikgebäude und Kraftwerksanlagen so weit als möglich unter dem Boden verschwinden zu lassen. Harte Auflagen seitens der Umweltverbände, der Sami und der Regierung zwingt sie dazu, den Landschaftsschaden so gering wie möglich zu halten. So ist den sehr oft von den ganzen Kraftwerksbauten kaum etwas zu sehen, mit Ausnahmen von zwei Dingen: Die Zufahrtssträsschen zu den Stauanlagen und Starkstromleitungen von den Kraftwerken.

1:50 000 Topographiekarte (Stauanlage und Strommasten)

Anhand dieses Ausschnitts aus dem Rago National Park, sieht man den kleinen Staudamm, das Zufahrtssträsschen und die dort beginnende Starkstromleitung.
Selbst in abgelegensten Gebieten Norwegens, wo man nur noch die pure Wildnis erwartet, trifft man immer wieder auf solche Situationen. Wenn auch landschaftlich nicht immer ein wirkliches Highlight, sind sie nun mal dazu da, unseren enorm hohen, täglichen Energiehunger zu decken.
Praktisch alle dieser Stauanlagen werden von einer Zentrale aus ferngesteuert und man trifft selten Menschen an. Die Kommunikation zu diesen Anlagen wird meist über das Mobilfunknetz gewährleistet und man nutzt diese dann auch gleich als Relaisstation für andere Anlagen. Dann kann es sehr wohl vorkommen, dass man mitten im Niemandsland plötzlich Mobilfunkempfang hat, der aber nicht immer 24 Stunden/7 Tage gewährleistet ist.

Die Stromableitung wird zum grössten Teil über Hochspannungsleitungen geführt, da sich der Boden überhaupt nicht für unterirdische Leitungen eignet. Viele dieser Leitungen führen Überland und sind weitherum sichtbar.

Gressvatnet Staudamm
Kraftwerksbau am Kjennvatnet
Noch weit entfernte Hochspannungsleitung ins Reisadalen
Dieselbe Hochspannungsleitung wie oben im Bild, auf der Karte

Gerade wenn das Wetter umschlägt, die Sicht durch Nebel beeinträchtigt wird, oder man ganz einfach die Orientierung verloren hat, sind solche Landmarken sehr hilfreich.
Wenn man eine „off track“-Tour plant, dann sind solche Merkmale auch sehr nützlich und wichtig, um jederzeit einen möglichen „Notausgang“ aus dem Fjell zu finden. Bei 90% aller Stauanlagen findet man eine kleine Kraftwerksstrasse zurück in die Zivilisation. Ab und zu ist auch jemand vom Kraftwerk oder Einheimische mit Autos unterwegs und viele Stauanlagen werden auch mit etlichen Kameras überwacht. 2015 hatte ich am Gressvatnet Staudamm bei der Dammüberquerung sogar akustischen Kontakt mit der Zentrale in Mo i Rana!

Eine weitere menschliche Landmarke findet man immer wieder auf den Hochfjells und sehr oft in abgelegenen Gebieten, wie dem Børgefjell, Nábár, und der ganzen Finnmark. Aber auch in südlichen Regionen, wie der Hardangervidda oder der Vesthei: Rentierzäune!

1:50 000 Topographiekarte (Rentierzäune)

Die Rentierzäune grenzen die Ländereien der Sami-Familien ab und sind permanent am gleichen Ort, daher kann man sich auf die Angaben in den Karten gut verlassen. Bei diesem Beispiel auf der Karte, zeigt es die Situation im sonst menschenleeren Nábár in der Finnmark. Mehrere Zäune treffen aufeinander und oftmals findet man in der Nähe sogar Fahrspuren von geländegängigen, vierräderigen Motorrädern (Quads) der Sami. Rentierzäune können oft sehr hoch und engmaschig bespannt sein und sind manchmal gar nicht so einfach zu überwinden. Man sollte tunlichst darauf aufpassen, keinen Schaden an den Zäunen anzurichten, Zaungatter offenstehen zu lassen oder die Zäune sonst wie zu beschädigen. Nicht nur dass das einen grossen Ärger bei den Samis erzeugt, auch kann eine Vermischung der Rentierherden zu riesigen Anstrengungen der Rentierhirten führen und auch die Tiere können mit dieser Situation der Vermischung nicht umgehen! Daher gilt:

Rentierherden müssen immer möglichst weit umgangen werden und dürfen keinesfalls gestört oder erschreckt werden!

Fazit des „off track“-wandern

Diese Art der Fjell Erkundung ist keine Hexerei und mit dem nötigen Respekt, gesundem Menschverstand und Vorsicht, kann auch nicht viel passieren. Wenn man sich bewusst ist, dass man da draussen ganz schön alleine sein kann, dann hat das einen sehr beruhigenden Aspekt und gleichzeitig auch einen der vielleicht etwas kribbelig macht.
Je mehr Erfahrung man sich dieser Art des Wanderns aneignet, umso mehr Lockerheit entwickelt sich darin, umso mehr Erfüllung erfährt man in dieser Welt. Wie jede Art der Betätigung jenseits der Zivilisation und der Gesellschaft, verfügt auch das „off track“-wandern über Gefahrenpotential. Wenn man sich die Statistiken der tödlichen Unfälle, der zum Teil lebensgefährlichen Ereignisse und der vielen Rettungen im Fjell anschaut, dann fallen immer wieder zwei Ursachen deutlich ins Auge: Zum einen Überschätzung der eigenen Leistung und zum anderen die Fehleinschätzung der Umstände aufgrund Unwissenheit und Erfahrungslosigkeit. Das diese zwei Ursachen für rund 90% aller Zwischenfälle im Fjell verantwortlich sind, spricht eine deutliche Sprache!

Immer mehr erfüllen sich den Traum, in die Wildnis aufzubrechen. Die Werbung bombardiert uns mit den schönsten Bildern, Influencer in den sozialen Medien predigen schon die Harmlosigkeit des Abenteuers.
Fehlender Respekt, Überschätzung, keinerlei Demut vor der Natur und Sorglosigkeit sind Garanten für das Unheil, das sollte sich jeder bewusst sein.

Wer Lust kriegt, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, aber sich doch noch nicht ganz traut, dem empfehle ich für die erste Tour einfach mal klein anzufangen.
Man wählt sich ein einsames Gebiet aus, dass nicht allzu weit von der Zivilisation entfernt ist, kauft sich die Karte dazu und läuft einfach mal los mit Sack und Pack. „Learning by doing“ ist das Motto und schon nach kurzer Zeit wird man einen grossen Sack an Erfahrungen sammeln, wenn plötzlich die Realität da draussen, auf der Landkarte nachgezeichnet und erkennbar wird. Jeder Fehler den man macht, bringt wieder etwas mehr an Wissen und passieren kann da in der Regel nichts.
Wer dann etwas Erfahrung gesammelt hat, kann dann mal eine Route durch ein grösseres Fjell planen und dann dies von A nach B durchwandern. Dies wird dann schon eine deutlich höhere Herausforderung sein, da man nun einen Plan nur aufgrund einer Landkarte gemacht hat.

Eine Frage die immer wieder auftaucht ist die nach einem GPS. Ich besitze schon länger keines mehr und gerade für das „off track“-wandern bringt es sehr oft nicht viel. Ausser man lädt sich für teures Geld die neusten Topographiekarten auf das Gerät und erkennt dann auch, wo man überhaupt ist. Einfacher und billiger ist es, die Karte für das Gebiet in dem man unterwegs ist, Offline von z.B. ut.no oder norgeskart.no auf das Smartphone herunterzuladen. Die Naviagtion mit dem GPS des Smartphones ist heute praktisch genauso gut, wie jene eines eigenständigen GPS! Meist wird das GPS nur zu einer Positionsbestimmung gebraucht, oder wenn man sich komplett verlaufen hat.

Nun wünsche ich allen, tolle Touren da draussen in der Wildnis und geniesst die unglaubliche Ruhe, die Weite und das Abenteuer, abseits der Zivilisation!