Tierbeobachtungen


Die allermeisten Menschen warten darauf Wildtiere zu sehen, doch niemals wartet ein Wildtier darauf einen Menschen zu sehen!

So einfach diese Tatsache tönt, so schwierig ist sie für den Menschen zu verstehen. Doch es sollte jedem Menschen bewusst sein, dass ein Tier in uns immer zuerst eine Gefahr sieht und die Flucht ergreift. Dies meist auch schon dann, wenn wir es noch gar nicht entdeckt haben. Und falls es dann doch einmal zu einem zufälligen Zusammentreffen kommt und es für das Tier keine Fluchtmöglichkeit gibt, dann kann es bei grossen Tieren schon mal etwas Nervenkitzel auslösen und unter Umständen auch gefährlich werden. Diese Fälle sind allerdings sehr selten und werden nur allzu oft hochgespielt und mit falschen Tatsachen vermischt.

„Jetzt bin ich 2700 Kilometer durch Norwegen gelaufen und ich habe tatsächlich nicht einen einzigen Elch gesehen, ich kann es immer noch nicht glauben!“ Stefan 41 / CH

Stefan ist einer von vielen, der mich zum Thema Tiere angeschrieben hat. In den meisten Fällen waren dies Fragen zu Tierbeobachtungen und wie man das am besten macht, um auch Erfolg zu haben. Natürlich wurde auch nach meinen eigenen Erfahrungen gefragt und ich musste zugeben, dass ich auf meiner Norwegen Tour in 120 Tagen gerade mal drei Elche in Mittelnorwegen (Bild unten) und eine Elchdame im hohen Norden zu Gesicht bekommen habe. Und das in einem Land, in welchem es eine 6-stellige Anzahl Elche hat! Nun, gerade bei Elchen ist das so eine Sache, denn die guten Tiere sind nun mal zu einer Zeit unterwegs, wenn die Menschen eben „noch“ nicht oder „nicht mehr“ unterwegs sind.

Wie zu Beginn erwähnt, haben die Tiere meist eine grosse Angst vor uns und verstecken sich zum Selbstschutz in Höhlen oder im Dickicht. Tiere haben ein zum Teil dutzend- wen nicht hundertfaches besseres Gehör, spüren und riechen um ein vielfaches besser als Menschen und das Sehen übertrifft bei den meisten Tieren um ein mehrfaches das unsere. Um es bildlich darzustellen: wenn der Mensch leise und vorsichtig durch den Wald pirscht, dann ist das für Tiere, wie wenn ein Kampfpanzer mit 60 Sachen durch`s Unterholz brettert und alles niederwalzt.

Begleiter In Meråker

In vielen Gesprächen, treffe ich oft auf die Vorstellung, je einsamer und wilder die Gegend, umso mehr Wildtiere hat es. Dies trifft meist auch zu, doch um diese auch zu Gesicht zu bekommen, braucht es viel Geduld, ein bisschen Spürsinn, etwas Wissen über das Verhalten der Tiere und sehr viel Glück! Wenn wir keine Tiere zu Gesicht bekommen, heisst das noch lange nicht, dass es keine Tiere hat. Wir würden wohl alle Bauklötze staunen, wenn alle Tiere, die uns im Vorbeiweg beobachten, gelb blinken würden. Und wir würden staunen, wie Nahe uns die Tiere zum Teil dabei kommen, wenn der Überraschungsmoment gegeben ist.

Wer während des helllichten Tages, mit Stöpseln in den Ohren durch die Prärie stampft, den Blick auf das Handy oder GPS fixiert und dabei einen Höllenlärm produziert, der wird ausser Regenwürmern wohl nicht viel zu Gesicht bekommen 😉 Wer aber bei der Morgen- oder Abenddämmerung in der Nähe eines Gewässers einen Moment ruhig auf einem Stein sitzt und in die Natur hört, der wird mit Sicherheit Erfolg und tolle Tierbeobachtungen haben. Doch ohne Geduld und manchmal sehr langes Warten wird es nicht funktionieren.

Fliehende Elche in Sør Trondelag

Tiere die aus dem Bild rennen, ein viel zu hoch aufgelöster „Pixelhaufen“ der Handykamera, wer kennt es nicht! Es ist aber oft genau die Ursache, die Tierbeobachtungen zur Enttäuschung verkommen lassen: das ultimative Bild!
Wer nicht über eine grosse Spiegelreflexkamera mit grossen Objektiven verfügt, sondern „nur“ eine kleine Kompaktkamera oder die Kamera des Smartphone sein eigen nennt, kennt den Frust des nicht vorhandenen „Zooms“. Um dann doch noch das ultimative Bild für Facebook oder Instagram posten zu können, nähert man sich unbewusst den Tieren viel zu Nahe, macht laute Geräusche und….weg sind sie!
Ich kenne das nur zu gut und war lange Zeit ziemlich tollpatschig, wenn es um`s fotografieren ging. Doch ich habe in den letzten Jahren sehr viel Erfahrung gesammelt was Tierbeobachtungen angeht und auch die wichtigste Regel dabei gelernt: Speichere das Bild und die Situation in Deinem Kopf und Herzen und nicht auf einer Speicherkarte. Selbstverständlich probiere ich auch heute bis zu einem gewissen Punkt, Bilder von Tieren zu machen und ab und zu habe ich auch das grosse Glück, eine Nahaufnahme machen zu können. Doch in erster Linie ist es ein sehr persönliches Erlebnis und Glücksgefühl, für das es keine „Likes“ oder „Kommentare“ braucht.
Momente in denen zwei junge Fjellfüchse, fünfzig Meter von meinem Zeltplatz im Børgefjell entfernt, in der Abendsonne spielen, eine Elchkuh die ihr Junges keine hundert Meter von mir entfernt im Saltfjellet, zum trinken an den Bach führt, oder die riesige Schleierohreule, die am Gautelisvatnet eine Stunde über mir ihre Runden auf der Jagd dreht. Von diesen Momenten habe ich keine Bilder machen können, doch sie bleiben ewig in meiner Erinnerung!

Rentiere im Narvikfjell

Und es hilft ungemein, sich im Vorfeld einer Reise an einen bestimmten Ort, Informationen über die Tierwelt einzuholen. Gerade der Norden Europas beherbergt für uns Mitteleuropäer Tiere, die wir in freier Wildbahn nicht kennen oder bisher nur auf Bildern gesehen haben.
Es gibt Braunbären in Skandinavien und es wird sehr viel nach ihnen gefragt, doch zu Gesicht bekommt diese Tiere praktisch niemand. Das aber eine Zelt-Übernachtung neben einem Bau des Vielfrasses weit unangenehmer sein kann, wissen die wenigsten. Das die vielen Rentiere im Fjell nicht einfach alle wild sind, sondern es domestizierte und halb-domestizierte gibt, ist weitgehend unbekannt. Und so gibt es eine Unmenge an Beispielen von Wissen, dass man sich im Vorfeld aneignen kann und so auch schlussendlich eine gute Voraussetzung für Tierbeobachtungen hat.

Fjellrev im Børgefjell

In diesem Sinne, wünsche ich euch allen viel Glück, Geduld und Freude an unglaublich schönen Tierbeobachtungen!