Ein Hauch von NPL


16 Tage vom Junkerdalen – Padjelanta – Narvikfjell nach Narvik

Was war das für ein planerisches Wechseljahr 2023. War Ende 2022 nochmals die Rago Idee im Kopf, kam kurz darauf meine komplette Ausrüstungsumstellung und die Hytte till Hytte Tour ohne Zelt und dann holte mich auch noch das glückliche Schicksal ein!
Nein, plötzlich war alles anders und all meine Pläne gingen über Bord und zugleich kam auch noch der provisorische Entscheid, 2024 nochmals auf die Tour zu gehen. Es wurde mir bisher definitiv nicht langweilig 😉

Nachdem ich Anfangs November 2022 Anja und Mel kennenlernen durfte, die mich bezüglich ihrer NPL Tour 2023 um ein paar Tipps gebeten hatten, stand nach einiger Zeit der Fokus an einem anderen Ort.

Mel, Travis und Anja

Nach meinem Kurzbesuch der beiden Frauen im Juni in der Hardangervidda, kam die Idee, meine vorgesehene Hytte till Hytte Tour abzublasen und stattdessen Anja und Mel im Norden zu besuchen und zu begleiten.
Ich freute mich sehr, dass diese Idee auch bei ihnen auf sehr offene Ohren stiess und so wartete ich ab, um ein geeignetes Fenster zu finden, damit ich in die Tour einsteigen konnte. Um Ferien-Ressourcen für die vielleicht kommende Tour 2024 zu schonen, hatte ich drei Wochen Zeit.

Um auf eine bestehende NPL Tour einfädeln zu können, braucht es zum einen den passenden Moment. Man sollte sich bewusst sein, dass da Menschen unterwegs sind, die einen hohen Rhythmus haben, fit wie ein Turnschuh sind und klare Vorstellungen haben, wie alles funktionieren soll. Es war klar, dass ich sie nicht beeinflussen wollte, kein Klotz am Bein sein möchte und klar nach ihren Regeln funktionieren will. Mein Vorteil war sicher, dass ich die Tour bestens kenne, nicht ganz unfit bin und mich auch darauf vorbereitet habe.

Nach zweimaligem schieben der Ferien (Danke vielmal meine liebsten Mitarbeiterinnen, ihr seid Gold wert!!), fand ich Mitte August das perfekte Fenster ab Bodø. Die Frauen kamen gerade über den Polarkreis hoch und wir konnten uns in der Lønstua DNT Hütte im Saltfjellet treffen, die ich bequem mit der Bahn von Bodø erreichen konnte.

Und so zog ich los mit meinem neuen 70 Liter Rucksack, der neuen Ausrüstung die netto gerade mal 10 Kg. wog und ich hatte zugleich noch Essen für acht Tage drin und kam so mit 15 Kg. in Norwegen an.
Via Bergen flog ich nach Bodø und blieb für eine Nacht in der Stadt und konnte zugleich auch noch benötigter Proviant für Mel und Anja einkaufen.

Finnes
Ankunft Bodø

Die Reise lief perfekt und nach sieben Stunden war ich schon in Bodø. Der Einkauf war schnell gemacht, das Hotel bezogen und so genoss ich nochmals herrliches Sommerwetter in Bodø.

Bodø Kleinhafen
Sunset in Bodø um 22.15

Während ich das letzte kühle Bier auf der Terrasse genoss, checkte ich die Wettervorhersagen der nächsten Tage. Leider war der nächste Tag Dauerregen angesagt, aber zumindest danach eine stetige, aber schleichende Besserung in Sicht. Dies hatte unweigerlich etwas Auswirkung auf den Routenverlauf des nächsten Tages, ging es doch noch um ein eher historisches Teilstück von Norge på langs.

Die Reise beginnt

Am nächsten Morgen sehe ich die Bestätigung für die aufkommende Schlechtwetterfront deutlich am Himmel der Stadt, ein ausgeprägter Halo!

Halo, Schlechtwetterbote

Naja, es ist wie es ist und wie sagt das Sprichwort: es gibt nur schlechte Klei……usw!
Ich setze mich in den Zug und fahre nach dem Mittag Richtung Lønsdal, wo sich die DNT Hütte gleich 200 Meter neben dem verlassenen Bahnhof befindet. Anja und Mel feierten mittlerweile ihre Polarkreis Überschreitung im Polarsirkelsenter an der E6 bei Sandwiches und Elchhamburger. Was für ein grossartiger Tag für die beiden und ich kann mich noch so gut an meinen Moment dort erinnern. Das geht nach 1500 Kilometern in den Beinen schon tief in die Seele!

Na gut, dass müssten wir ja eigentlich auch bei einem guten Glas in der Hütte feiern denke ich…..dachte ich und bemerke gerade, dass ich in Norwegen bin und Sonntags kein Alkoholverkauf gestattet ist. Bäähh, wie doof! Auch der einzige Joker (Einkaufsbüdchen) etwas abseits der Stadt der offen hat, lässt sich nicht beknien, zumindest ein Bierchen unter der Theke durchzureichen. Der gute Mann hätte mir wahrscheinlich den halben Laden für dieses Ereignis geschenkt, aber Gesetz ist nun mal Gesetz. Okay, dann halt nicht und so gehe ich leider mit leeren Händen zum Zug. Wie dumm von mir, bin ich doch noch gerade auf zwei Duty Free Flughäfen rumgelatscht!

Als der Zug abfährt, kommt eine Durchsage dass der Speisewagen nun geöffnet werde. Speisewagen?? Ja genau, das ist meine Lösung und vor lauter Vorfreude renne ich durch den halben Zug und finde tatsächlich eine ganze Auslage mit Wein und Bier. Ich bestelle mit Jubel, Trubel, Heiterkeit die grösste Weissweinflasche und will gerade insistieren als der Kellner die Flasche öffnen will. „Nix da“ heisst wohl sein Blick und er öffnet die Flasche genüsslich und fragt mich leicht verschmitzt, wie viele Becher ich den wolle? Er klebt noch richtig demonstrativ einen Kleber quer auf die Flasche, auf dem steht, dass der Alkohol im Zug getrunken werden müsse! Hmpf…… Schlaumeier, denke ich, aber der Gute ist ja nicht von gestern und roch den Braten schon von weitem.
Da stehe ich nun, mit einer offenen Weissweinflasche und zwei Bechern in der Hand…..und jetzt? Ich habe keine Lust, mit der offenen Flasche danach bis zur Hütte zu laufen, aber Moment……wenn der Kerl an der Theke meint ich sei dumm….der hat sich gerade ziemlich geschnitten!

Ich ducke mich hinter meinen Sitz und nehme meine Thermoskanne hervor und tatsächlich, der Wein hat ja wunderbar Platz drin. Dann wird wohl mein Tee die nächsten Tage eine Note Chablis haben.

Lønstua DNT

Voller Stolz steige ich aus dem Zug mit meiner Thermoswein Variante und freue mich, dass die Hütte ja Strom hat und es Kühlschränke gibt. Was für ein Fest heute zum glücklichen Wiedersehen mit den beiden Frauen!

Auf dem Tracking von Anja und Mel sehe ich, dass die beiden mittlerweile c.a. drei Kilometer von der Hütte entfernt sind und so gehe ich ihnen etwas entgegen. Die Strasse ist an diesem Teilstück etwas enger und es macht wirklich nur in Ausnahmefällen Spass dort zu laufen. Aber die Wiedersehensfreude ist für mich natürlich sehr gross, hatten die beiden doch bis hierhin wirklich einen Krimi erlebt, mit der Rückführung von Travis in die Schweiz, einer gröberen Magenverstimmung von Mel und auch noch der Corona Infektion der beiden im Rondane. Ich weiss echt nicht, ob viele andere da nicht schon längst das Handtuch geworfen hätten. Die beiden Frauen können definitiv mächtig Stolz auf sich sein! Und natürlich freue ich mich noch ein riesiges Stück mehr, da Anja und ich seit geraumer Zeit zusammen sind und unsere „Trennung“ seit vielen Wochen schon ziemlich an mir nagte.

Ich weiss das die beiden in Begleitung mit einem jungen Deutschen sind. Julius war südwärts auf einer Tour unterwegs und wollte eigentlich nach Umbukta, aber seine Schuhe sind ziemlich defekt und seine Zeit im Norden geht auch zu Ende, so entschied er sich, in Lønsdal den Zug nach Trondheim zu nehmen.
Nach rund zwei Kilometern treffe ich dann endlich auf die drei und überreiche mal etwas Süsses und eine Cola. Dinge die auf so einer Tour so unendlich wichtig werden können.

Blick Richtung Junkerdalen, wo die Reise morgen weitergeht.

Alle freuen sich auf der Hütte über ein kühles Weinchen, eine Familienpackung Chips und ein Nachtessen. Gemütlich sitzen wir noch mit Julius zusammen, bis er auf den Zug muss. Danach fängt bei den Frauen das packen an, ihre Rucksäcke werden wieder mit Proviant gefüllt.
Wir besprechen noch kurz den morgigen Tag. Das Wetter wird wirklich auf der schlechtesten Seite sein und so kommt die geschichtsträchtige NPL Abkürzung durch das Skaitielva Tal zur Trygebu Hütte des DNT nicht in Frage.

Diese Abkürzung vom Junkerdal Turistsenter bis nach Fredheim hoch, war vor fast 60 Jahren die offizielle Strasse in das Skaitital hinein. Die sehr enge Schlucht, die schmale Wegführung dem Bach entlang, war aber häufig durch Steinschlag verschüttet worden. So baute man eine Umfahrungsstrasse auf der gegenüberliegenden, nicht so steilen Schluchtseite nach Fredheim hoch. Der Grund war auch der Transportweg für die Sägerei im Tal, die heute noch vis a vis von Fredheim als Ruine da steht.
Heute existieren noch etwa 4-5 Km sehr verwachsene „Strasse“ und danach fehlt ein c.a. 1.2 Km langes Stück, dass am Hang entlang oder im Bachbett zurückgelegt werden muss. Das ganze ist zum Teil bis Schulterhöhe mit Farn, Gebüschen und Brennnesseln überwachsen. 2015 bin ich das Stück auch gegangen und ausser diesem kurzen Stück, fand ich die Abkürzung sehr nützlich. So kann immerhin ein Teilstück von 6-7 Kilometern Strasse umgangen werden.
Allerdings sind die Meinungen über den Sinn dieser Abkürzung sehr unterschiedlich. Sie ist nicht ohne und etwas Bergerfahrung und Trittsicherheit macht sicher Sinn. Wer es sich gewohnt ist auch mal ruppiges Gelände zu gehen, auch mal die Hände zu brauchen und sich nicht an der Fauna stört, der wird hier ein kleines Abenteuer erleben. Die anderen nehmen lieber die Umfahrungsstrasse nach Fredheim und Trygvebu.
Tourbericht 2015 Skaitielva Tal

Zudem kursieren Gerüchte, dass ein extremes Hochwasser im Tal vor eineinhalb Wochen ziemlichen Schaden angerichtet hat. Es sollen auch Brücken fortgeschwemmt worden sein. Allerdings ist die gute Nachricht, dass der Weg nach Sulitjelma machbar ist.

Montag 21.8.
Der „Alltag“ der Tour ist klar auf die Bedürfnisse und der Abläufe der letzten Wochen von Anja und Mel ausgerichtet, schliesslich sind sie ja seit langem unterwegs und haben sich so eingerichtet.
Als wir vor die Türe treten, herrscht schon ein ziemliches Grau in Grau und so schlüpfe ich gleich in meine „Regenhaut“, heute wird es ja eh den ganzen Tag regnen.

Hängebrücke über die Lønselva

Der Weg hoch ins Viskisfjellet und dem Viskisvatnet ist mir immer noch sehr vertraut, obwohl es schon acht Jahre seit meiner NPL Tour her ist. Der Nebel liegt dick über dem Junkerdalen und verhindert leider den unglaublich schönen Blick auf die Berge. Statt nur über das Fjell wieder runter ins Junkerdalen zur Abkürzung, laufen wir längs des ganzen Fjells Richtung Graddis Fjellstue. Diese Fjellstue interessiert mich schon länger. Immer wieder ranken sich Gerüchte um das Haus. Die einen sagen, da wäre es wunderbar, andere sagen wiederum, da ist überhaupt nichts. Mal ist sie offen, mal nicht, niemand kann eine verlässliche Aussage machen. Also dann mal hin…..

Vorbei an den Viskisvatnan Seen und dem Berg Rundhaugen, geht es bei mässigem Regen und Nebel über das wahrscheinlich wunderschöne Fjell nach Graddis. Nach ein paar Stunden erkennen wir auf der anderen Talseite die Hauptstrasse E77 die ins schwedische Arieplog führt. Durch nasses Birkengestrüpp kommen wir dem Talboden wieder näher und der anhaltende Regen, lässt schon Phantasien von leckeren Waffeln und heissem Kaffee in Graddis aufkommen.
Doch mittlerweile bin ich zu oft in Norwegen unterwegs, um solche Hoffnungen realistisch zu sehen. Ich sah mir Zuhause noch die neu und freundlich gemachte Homepage von Graddis an und staunte über soviel Stil an diesem Ort. Vielleicht hat das jetzt im Moment auch meinen Spürsinn etwas getrübt und ich hoffe mit den Frauen mit.

Kurz vor der Strasse zur Fjellstue ist ein Plakat am Baum, dass uns darauf aufmerksam macht, dass die Brücke über die Graddiselva fortgespült wurde und man einen Umweg über die E77 Strassenbrücke machen müsse, c.a. vier Km zusätzlich. Super, da kommt doch gleich Freude auf bei dem Wetter! Naja, jetzt erst mal die Waf……..

Graddis Fjellstue

Da stehen wir also und wieder einmal sehe ich mich bestätigt, dass Hoffnung und Realität sehr weit auseinanderliegen können! Dass mit Photoshop Bilder bearbeitet werden können, ist mir auch bewusst und beweist gerade die Fassade dieser Hütte. Das sah doch auf der Homepage etwas freundlicher aus?
Ausgerechnet jetzt prasselt der Regen so richtig dick auf uns runter und wir wagen den Versuch an die Tür zu klopfen, um zu schauen ob in dieser „Resepsjon“ auch noch etwas lebt.
Die Türe geht auf und ein sehr beleibter Herr in einem altem Trainingsanzug, wahrscheinlich gerade vor dem Fernseher hervorgejagt, steht in der Türe. Etwas entgeistert mustert er uns und fragt, was wir wollen. Mel prescht vorsichtig hervor und fragt nach etwas zu essen?
„Ich habe nichts zu essen“ meint der Gute (kein Wunder denken wir alle, das Essen steckt ja wahrscheinlich auch alles in seinem eher etwas rundlichem Bauch). Er müsse eh gerade weg und habe nichts zu verkaufen, ausser ein Fanta oder Cola. Na gut denken wir, immerhin und so begleitet er uns in seine Kaffee Kote und kramt ein paar Pet Flaschen hervor. „Aber bleiben könnt ihr leider nicht, ich muss jetzt gerade weg, tut mir leid“. Da stehen wir nun im strömenden Regen und schauen wahrscheinlich auch gerade so drein, wie das was da von oben kommt. Das scheint Wirkung zu zeigen und so bietet er uns ein Partyzelt an, um zumindest im Trockenen zu sitzen. Na ja, besser als nichts und wir nehmen die freundliche Einladung an.

Begeisterung auf „Gräddisch“

Die Aussicht jetzt auch noch knapp zwei Kilometer talauswärts zu laufen um dann vis à vis auf der vielbefahrenen E77 wieder alles retour zu laufen, hält die gute Laune in Grenzen. Aber am Schluss des Tages wartet eine tolle Hütte auf uns und ich habe ja noch meine Pulle mit warmen Tee bei mir.

Die Strasse ist bald geschafft, ein ruppiger Aufstieg zur Umfahrungsstrasse nach Fredheim auch und schon sind wir in Sichtweite von Trygvebu. Als wir den Skaitielva auf der brüchigen Brücke überqueren, sehen wir mit Schrecken die Folgen des Hochwassers. Der gemütlich dahinfliessende Bach hatte während dem Hochwasser einen um 2 bis 2.5 Meter höheren Wasserstand. Das muss ein gewaltiger Fluss gewesen sein! Da werden wir wohl morgen noch die einen oder anderen Schäden am Ufer sehen können.

Für heute ist aber in der DNT Hütte Trygvebu Feierabend. Ein junger Norweger hat die Hütte schon gut eingeheizt und wir vier werden dann auch die Besatzung für heute bleiben. Der Tag war lang und für meinen Anfang auch nicht gerade einfach. 27 Kilometer mit Vollpackung und dem starken Laufschritt der Mädels, das hat mich definitiv gebraucht. Aber es macht super Spass mit den beiden und was mich sehr freut ist, dass sich mein fast 10 Kg leichteres Gepäck schon jetzt mehrfach ausbezahlt und es einfach Spass macht so!

Tagestracking auf Relive.com (Link)

Dienstag 22.8.

Einmal mehr….klarer Fall von absolutem Vorteil bei einer Wanderung mit langen Etappen: Hütten! Nicht nur das alles wieder perfekt trocken ist, es ist auch am Morgen noch gemütlich warm drin, geschlafen habe ich wie ein Murmeltier und ich kann gemütlich die Ausrüstung, nach einem ausführlichen Frühstück mit viel Kaffee, im Trockenen und der Wärme packen.
Ich gebe gern zu, die Einstiegsetappe gestern war schon anstrengend, gerade weil es auch noch ein paar Höhenmeter drin hatte. Anja und Mel sind da natürlich jetzt schon deutlich besser drin und sie lächeln mich am Morgen beide an, als ich etwas verknittert in die Wäsche schaue.

Heute soll es ebenfalls noch etwas feucht sein, aber nicht mehr allzu viele Niederschläge geben. Wir beratschlagen noch länger über die Etappe, da sie eigentlich eine Zeltnacht bei der Umrundung des Balvatnet beinhalten würde. Die Zeltnacht wäre nötig, da der dritte Tag nach Sulitjelma sonst wesentlich über 30 Kilometer lang würde. So könnten wir heute etwas mehr laufen und so die Etappen etwa gleich lang machen. Doch ich kenne das Skaitital wenn es nass ist. Man läuft permanent durch Gebüsch und Grässer und ist innerhalb der nächsten Stunde komplett nass.
So entscheiden wir uns via die Argalad Hütte des DNT, bis zur etwa 21 Km. entfernten neuen Balvatnet Hütte zu gehen und somit im Trockenen übernachten zu können. Ob wir dann am dritten Tag bis nach Sulitjelma hochgehen, werden wir je nach Lust und Laune entscheiden.

Das Skaitital ist wunderschön mit all seinen Wasserfällen, seiner dichten Flora und der grenzenlosen Einsamkeit. Nur Schade, dass mir das Tal dieses Mal wieder die Schlechtwettervariante wie 2015 präsentiert, aber ich geniesse es auch so. Mit grossen Staunen sehen wir aber noch die Schäden entlang des Bachs. Die Wassermassen müssen wirklich enorm gewesen sein an diesem Tag und zum Glück ist da niemand zu Schaden gekommen.
Kurz vor Argalad ist eine Hängebrücke über die Skaitielva und es muss ein Wunder sein, dass diese noch steht.

Hängebrücke vor Argalad.

Doch auch hier sieht man gut, dass es wohl Zentimeter waren, die über das Weiterbestehen der Brücke entschieden haben. Zum Glück, denn das wär ein riesiger Umweg über Fauske nach Sulitjelma geworden!

Argaladhütte DNT

Als wir bei der DNT Hütte Argalad ankommen, sehen wir noch die Spuren des Wassers, welches bei der alten Hütte über die Schwelle trat. Die älteste DNT Hütte Norwegens ist mit ihren 150 Jahren knapp einer Katastrophe entkommen. Im Hüttenbuch kann man noch einen Eintrag von Gästen lesen, die in dieser Nacht auf der Hütte waren. Aus Verzweiflung über das immer näher kommende Wasser, sind sie mitten in der Nacht die Hänge hoch in den Wald geflüchtet und haben dort ausgeharrt, bis der Pegel zu sinken begann. Wir stellen uns das gerade als ziemlichen Horror vor!

Tagestracking auf Relive.com (Link) 1.Teil

Wir schauen noch kurz in die älteste DNT Hütte Norwegens rein…

Argalad

…und setzen uns dann in die neuere Hütte und kochen eine heisse Suppe. Der Weg bis hierhin ist sehr einfach und gemütlich und auch der Weiterweg nach Balvass wird locker zu bewältigen sein. An die Nässe von der Seite gewöhnt man sich nach einiger Zeit und von oben hält sich der Niederschlag in Grenzen. Aber schon hier sind wir uns sicher, dass wir in die DNT Hütte gehen werden und nicht campieren. Ich freue mich auch sehr mal in die Balvass Hütte zu kommen. Sie ist ganz neu und soll sehr gemütlich sein. Die alte Hütte hatte einen ziemlich zweifelhaften Ruf was die Qualität angeht.

Kurz nach der Argalad Hütte besteht seit Jahren eine Hängebrücke über den Bach Argalájjåhkå. Wir hörten schon Tage zuvor, dass die Brücke nun über „nichts“ führt und der Bach sich einen anderen Weg gesucht hat. Und tatsächlich, die ziemlich demolierte Brücke steht mitten in der Pampa und der Bach rauscht etwa 50 Meter daneben ins Tal. Die Zerstörung hier ist gewaltig! Ein riesiges Delta aus herabgespülten Steinen, Sträuchern und Bäumen liegt umher. Anhand von Steinen fast so gross wie Autos, kann man sich in etwa die Gewalt an diesem Abend des Sturzbaches vorstellen.
Über den Bach muss nun gewatet werden und knietiefes und etwas reissendes Wasser, sorgt für eine zusätzliche Abkühlung der Beine.

Brücke über den „ehemaligen“ Argalájjåhkå
Verwüstung pur!

Erst sehr viel später geht mir durch den Kopf, dass genau dieser Bach die Verwüstung im Skaitital verursacht haben muss, denn weiter oben war nichts mehr zu sehen. Scheinbar muss an diesem Abend ein überaus heftiges Gewitter über dem Argalájvággi niedergegangen sein.

Wir furten den Bach problemlos und ziehen weiter, durch das sich immer mehr öffnende Tal Skiejdevágge Richtung Balvatnet.

Skiejdevágge
Der grosse See Balvatnet in Sicht

Um zur Balvass Hütte zu gelangen, müssen wir einen kleinen Umweg von zwei Kilometern hin und zurück in Kauf nehmen, aber heute ist es uns das wert, denn am südlichen Ufer wo unser Campground liegen würde, gehen die ganze Zeit Schauer nieder.

Balvass

Die kleine DNT Hütte Balvass wurde durch eine neue, etwas grössere Hütte ersetzt. Die alte Hütte steht noch, ist aber in einem wirklich sehr desolaten Zustand. Sie wurde sehr oft als Partyraum benutzt, da die Hütte mit dem Boot von Sulitjelma in einer halben Stunde erreichbar ist.

Als wir eintreten, bleibt uns die Spucke weg, was für ein gemütliches, kleines Schlösschen!

Der Entscheid war Goldrichtig und unsere Zelte sind sicher froh, heute nicht nass zu werden.
Lange bleiben wir aber nicht alleine, denn plötzlich steht Marlene mit ihrem riesigen 30 Kg schweren Rucksack unter der Türe. Die Gute sieht ziemlich fertig aus, kein Wunder bei dem gewaltigen Teil am Rücken. Später am Abend erzählt sie, dass sie in der Nähe von Andalsnes wohnt und auf der Nordlandsruta südwärts unterwegs sei.

Es ist augenfällig dass seit diesem Jahr die Nordlandsruta extrem gepuscht wird mit neuen Karten, Schildern, Wegweisern und Hinweisen auf den Hütten und Tourist Infos. Lange tümpelte die Nordlandsruta im Schatten des berühmten Nordkalottleden ein Schattendasein und war nur wenigen bekannt.
Der 650 Kilometer lange, gekennzeichnete Fernwanderweg, führt entweder vom Furuheim Gård am nördlichen Ende des Børgefjells im Susendalen, nach Bjørnfjell nahe Narvik, oder umgekehrt.

Die 43 Etappen sind alle von Hütte zu Hütte machbar, anders als der Nordkalottleden, der noch ein paar wenige Zeltnächte vorsieht. Der ganze Weg wurde signalisiert und es existieren konkrete Wanderkarten mit allen Informationen drauf, die es dazu braucht.
Infos zur Nordlandsruta findet man beim DNT Norge

Während des gemütlichen Abends am bollernden Ofen, wird Marlene immer neugieriger über die „kleinen“ Rucksäcke der beiden Frauen. Schon bald muss sie feststellen, dass sie wohl doch einiges zuviel mitgenommen hat und so bald als möglich das Gewicht verringern muss.

Tagestracking auf Relive.com (Link) 2.Teil

Mittwoch 23.8.

Am Morgen stehen wir früh auf und reinigen leise die Hütte, füllen Holz und Wasser auf und machen uns leise aus dem Staub, denn Marlene schläft noch tief und fest. Zuerst laufen wir den Kilometer zurück zum Track nach Sulitjelma und überqueren die Hängebrücke über den Skaitielva.

Hängebrücke über den Skaitielva

Da wir uns gestern entschlossen haben in die Balvasshütte zu gehen, verbleiben für den heutigen Tag nach Sulitjelma rund 34 bis 35 Kilometer, davon 15 Kilometer auf einer Kiesstrasse. Am Nordende des Sees steht die kleine DNT Hütte Tjoarvj. Dies nach rund 20 Kilometer des Tages. Hier werden wir eine grössere Pause machen und uns dann entscheiden, ob wir die 15 Kilometer nach Sulitjelma anhängen werden oder nicht.
Der Norweger in der Trygvebuhütte und Marlene gestern, haben ziemlich unterschiedliche Aussagen über die Verhältnisse auf dem Weg ans Nordende des Sees gemacht. Da war von viel Sumpf und einem ewigen Auf und Ab die Rede. An das Auf und Ab kann ich mich noch gut erinnern, es kommt dann zum Schluss der Seenumrundung. Von Sumpf und Matsch können wir allerdings nicht viel sehen und so kommen wir schnell ans Westende des Sees. Der Weg zieht sich um das ganze Gewässer herum und als es dann hügeliger wird, zieht es sich noch mehr. Aber das Wetter wird immer besser und der Trail ist sehr gut zu laufen.

Westende des Balvatnet
Oberhalb des Rucksacks, das Tal von gestern
Begleitung auf unserem Weg, Rentiere

Am frühen Nachmittag kommen wir dann schon in der DNT Hütte Tjoarvj an und geniessen eine lange Pause mit Suppe und Knäckebrot. Wir fühlen uns alle drei noch recht fit und motiviert und so entschliessen wir uns, den 15 Kilometer langen Kiesweg nach Sulitjelma unter die Füsse zu nehmen.
In Sulitjelma habe ich auf dem Daja Camping / Sulitjelma Turistsenter bei Björn Thomas eine grosse Hütte für zwei Nächte reserviert. Hier soll es einen Ruhetag geben und seit drei Tagen ist auch das Depotpaket für Anja und Mel von mir angekommen.
Kurz nachdem wir die Hütte verlassen und etwas widerwillig die Rucksäcke auf den Rücken geschnallt haben, hält ein Wagen neben uns und ein älterer Norweger kurbelt das Fenster herunter. Er habe noch einen Platz frei, ob jemand mitfahren möchte? Er entschuldigt sich sofort, dass er nur einen Platz hat. Doch wir erklären ihm, dass wir zusammen laufen möchten. So fährt er weiter um dann gleich wieder anzuhalten. „Geht ihr zu Björn Thomas auf den Camping?“ fragt er uns. Wir bejahen dies mit einer kleinen Hoffnung im Hinterkopf. Da steigt der Mann aus, öffnet die Heckklappe des Wagens und teilt uns mit, dass er uns die Rucksäcke zum Camping bringen werde, wenn wir das wollen. Wow….was für eine Frage und schon liegen die Rucksäcke im Font des Wagens. Er drückt uns eine Visitenkarte mit seiner Telefonnummer in die Hand und fährt mit einem Lächeln davon. In Norwegen kann dies ohne weiteres im Vertrauen gemacht werden. Ich hatte diese Erfahrung im 2015 auch 2,3 Mal gemacht.

Na jetzt geht aber die Post ab! Was für eine erleichterte Freude.

Ballvaselva

Entlang des Ballvaselva rauschen die 15 Kilometer nur so dahin. Während Mel sich mit einem Hörbuch die Zeit vertreibt, erzählt mir Anja von ihrer langen Reise und den vielen Erlebnissen.

Eine weitere Gemeinde auf dem Weg nach Norden

So macht das Laufen Extraspass und wir kommen früher auf den Camping als erwartet. Die Rucksäcke stehen bei der Rezeption bereit und leider auch die Nachricht, dass das Restaurant schon Saisonschluss hat und Björn Thomas morgen auf den Camping kommt. Auf meiner Mail finde ich den Tür Code zur Hütte und beste Wünsche von Björn Thomas mit dem Verweis, dass das Paket schon in der Hütte ist.

Sulitjelma Turistsenter

Heute Abend wird es kein grosses Programm mehr geben. Alle geniessen eine lange und heisse Dusche, dann gibt es Nachtessen, Beutelnahrung statt Pizza und das Bett ist schnell bezogen.

Tagestracking auf Relive.com

Donnerstag 24.8.

Am Morgen ist Björn schon früh in der Rezeption. Ich staune dass er sich noch an mich erinnert, ist doch auch schon acht Jahre her! Wie immer gut gelaunt und hilfsbereit, drückt er uns seine Autoschlüssel in die Hand. Er habe ziemlich zu tun und ich wisse ja den Weg runter ins sechs Kilometer entfernte Dorf. Und nicht genug, er lässt uns gleich die Wäsche in die Maschine füllen und lässt uns wissen, dass er sie für uns dann auch gleich trocknen werde. Schon 2015 hat er mir sehr geholfen und war sehr hilfsbereit, dass erleichtert vieles!
Ich weiss dass er auch einen Transport- und Taxidienst für seine Kunden anbietet. Er bringt Leute an die Ausgangspunkte von Wanderungen, oder bringt Rucksäcke an andere Orte hin. Leider ist er morgen schon besetzt, aber er wird gleich seine Facebook Freunde anfragen, ob jemand Zeit hat, morgen unsere Rucksäcke nach Ny Sulitjelma zu bringen. Das sind doch immerhin 10 Kilometer und 550 Höhenmeter, in denen wir die für viele Tage beladenen Rucksäcke nicht hochschleppen müssen. Einfach Spitze der Mann!

So schnappen wir den Wagen von Björn Thomas und fahren runter nach Sulitjelma, wo seit diesem Jahr ein funkelnagelneuer und grosser Einkaufsladen steht. Hier hat es alles was das Herz begehrt und wir müssen aufpassen, dass unsere Rucksäcke dann nicht tonnenschwer werden. Dafür kaufen wir reichlich für den Ruhetag ein und Anja und ich freuen uns schon sehr auf Mels Abendessen. Mel ist eine leidenschaftliche und hervorragende Köchin, das lassen wir uns sehr gerne gefallen! So wird das ein Spitzen Ruhetag.

Nochmals Tusen Takk Björn Thomas, das war echt Klasse von dir!

Freitag 25.8.

Ruhetage sind auch immer wieder dafür da, die Planung gegebenenfalls anzupassen und auch das Wetter abzuklären. Die Wetterprognose sieht für die nächsten drei Tage hervorragendes Wetter voraus und für den vierten Tag und fünften Tag etwas Bewölkung und evt. ein paar kleine Schauer. In fünf Tagen wollen wir in Ritsem sein, wo eine grosse Herberge des schwedischen Wanderverbands STF steht.
Auch ist hier die grösste Planänderung von Anja und Mel, da der Vierbeiner Travis nicht mehr mit im Team ist. Hunde sind im Padjelanta nur in einer kurzen Zeit im Winter erlaubt. So kreierten wir vor der Tour einen Plan, um mit Travis über den Kungsleden nach Hukejaure zu gehen. Dieser Umweg ist jetzt aber hinfällig und ist gerade Mal ca. drei Tage kürzer.

Am Morgen deponieren wir wie abgesprochen unsere Rucksäcke vor der Hütte und laufen gemütlich nach Sulitjelma runter. Dort legen wir einen kleinen Kaffee- und Süssigkeitshalt ein, bevor wir uns an den Aufstieg zur Ny Sulitjelma Hütte machen.
Ich kann mich noch gut an 2015 erinnern, als ich diesen Aufstieg so ziemlich als die Hölle betitelt habe. Nun ja, so ohne Rucksack ist dass natürlich eher lächerlich und ich muss selber darüber schmunzeln. Doch damals hatte ich noch offen, ob ich Ritsem auslasse und über den Nordkalottleden laufen werde. Deswegen hatte ich Proviant für 14 Tage dabei und der Rucksack wog locker 30 Kilogramm! Da geht es dann schon mächtig in die Waden.

Sulitjelma

Aber heute geht das locker und flockig hinauf und schon nach einer Stunde, sehen wir die DNT Hütte Ny Sulitjelma vor uns erscheinen. Ein für mich etwas ungewohnter Blick, denn seit letztem Jahr steht da nur noch eine Hütte. Die altehrwürdige grosse und baufällige Herberge wurde abgerissen und nicht mehr ersetzt.

Ny Sulitjelma

Wie abgemacht stehen unsere Rucksäcke schon vor der Hütte bereit. Wir machen noch einen kleinen Kaffeestopp im Haus und schwingen danach unsere Rucksäcke auf den Rücken und machen uns auf den Weg, die nächsten 550 Höhenmeter bis zum Soriuspass in Angriff zu nehmen.
Ich freue mich riesig, dass das Wetter mittlerweile schon perfekt ist für diese Etappe zur Soriushütte. Der Pass ist absolut der Hammer zum laufen und die Landschaft einfach eine Wucht. Hinzu kommt, dass wir heute in einer meiner Lieblingshütte übernachten werden.

Storelvvatnan

Schon beim Storelvvatnan sticht das unglaubliche blau der Seen hervor. Die flauschigen Cumuli Wolken am Himmel geben der ganzen Landschaft einen würdigen Rahmen.

Bajep Såriåjávrásj
Soriuspass

Auf dem Pass scheint der Bajep Såriåjávrásj mit seiner Herzform und seinem blau nicht weniger Konkurrenzfähig zu sein in Sachen Schönheit. Es ist ein absoluter Genuss hier auf knapp 1100 Höhenmeter und die Temperaturen sind relativ mild.

Kurz nach dem Abstieg komme ich wieder an meinem Lieblingsstein vorbei. Ich spiele ja in einer Band mit dem Namen JackPot and the Nuggets und so erklärt sich wohl meine Liebe zu diesem „Nugget“ inmitten der Landschaft.

Golden Nugget
Brücke im Niemandsland

Ab und zu sind Standorte von Brücken in Norwegen nicht ganz erklärbar. Diese hier kurz vor der Soriushütte eigentlich ein leuchtendes Beispiel dafür. Doch dieses Jahr wollte ich sie nun endlich mal benützen und ja…sie hat tatsächlich eine Funktion!

Sorius

Und da endlich stehen die DNT Hütten Sorius am Ufer des Sees. Wie immer ein umwerfender Anblick an diesem kristallblauen See. Schnell sind die letzten Meter zur Hütte zurückgelegt und im Moment sind wir sogar die Ersten heute.

DNT Hütten Sorius

Die Stimmung ist wie eigentlich immer….einfach unbeschreiblich schön hier!

Am Abend trifft dann noch eine Familie aus Estland in der Hütte ein. Und einmal mehr bekommen wir den Beweis geliefert, dass wir definitiv keine unnützen Sachen im Rucksack haben, als uns der sehr gesprächige und freundliche Familienvater den seinen präsentiert. Da waren Dinge, wie eine riesige 2 Liter Wasserfilterkanne, ein LED Scheinwerfer oder die Solar-Outdoor-Dusche mit Brause! Unglaublich…kein Wunder war der Rucksack fast grösser als der Mann selbst.

Tagestracking auf Relive.com (Link)

Samstag 26.8.

Noch am Abend zuvor haben wir uns geeinigt, die nächsten zwei Tage lange Etappen zu machen und die kürzeste Etappe auf den dritten Tag zu legen. Obwohl die Wetterprognose kein schlechtes Wetter vorausgesagt, wollen wir den Padjelanta bei schönstem Wetter durchqueren können. Das bedeutet, dass wir heute ca. 30 Kilometer vor uns haben, um bis zur Sami Siedlung Stáloluokta zu gelangen.
Der Morgen ist an Schönheit definitiv nicht mehr zu überbieten und so laufen wir zeitig los, um den Tag voll auszukosten.

Der Weg führt entlang des Sees Bajep Sårjåsjávrre zur norwegisch-schwedischen Grenze. Bevor wir an die Grenze kommen, gilt es noch einen breiten Bach zu furten, an dem es eigentlich weiter oben eine Hängebrücke hätte. Diese ist aber seit Jahren defekt und es scheint weder die norwegische noch die schwedische Seite ein Interesse an deren Reparatur zu haben.

Es ist nun das vierte Mal dass ich hier durchlaufe und lustigerweise hat der Berg Suliskongen stets die gleiche Wolkenformation am Gipfel. Vermutlich ein Phänomen dass dem Gletscher Sulitjelmaisen und den hier vorherrschenden Windströmungen geschuldet ist.

Suliskongen

Ein kurzer Sprung und wir stehen an der schwedischen Grenze und auch dem Eingang zum UNESCO World Heritage Laponia und dem Padjelanta National Park.

Velkommen till Sverige
Im Hintergrund die Berge des norwegischen Rago National Parks

Ab hier gelten bis nach Hukejaure hoch die Gesetze der Sami. Auch alle Hütten der Touristen in diesem Gebiet werden von Sami und dem Badjelánnda Laponia Turism auf eigene Rechnung bewirtschaftet.

Nach dem Ende des See führt uns der Weg auf einen kleinen Hügel, von wo aus man einen atemberaubenden Blick über Padjelanta hat.

Padjelanta und Blick nach Stáddajåhkå
Padjelanta

Vier wunderschöne Kilometer folgen, bis wir uns für eine kurze Pause bei den Sami Hütten von Stáddajåhkå entschliessen.

Stáddajåhkå

Bei den letzten drei Malen habe ich immer hier übernachtet, da mir der Platz extrem gut gefällt. Doch heute wollen wir das super Wetter ausnützen und den ganzen Tag mit laufen verbringen.

Jiegnáffo

Ein schelmischer Blick von mir geht an den Hausberg Jiegnáffo von Stáddajåhkå. Zum vierten Mal kommt er um eine Besteigung von mir herum, aber eines Tages erwisch ich ihn!
An dieser Hüttensiedlung spurt nun auch der Padjelantaleden von Kvikkjokk ein und sofort befinden wir uns auch auf den weitherum bekannten Holzplankentrails.

Virihaure in Sicht

Als am späteren Nachmittag in der Ferne einer der grössten Binnenseen Schwedens, der Virihaure, in Sicht kommt, befinden wir uns noch knappe vier bis fünf Kilometer vor Stáloluokta. Stáloluokta ist quasi die „Hauptstadt“ Padjelantas und verfügt sogar über einen Hubschrauberflugplatz der Firma Fiskflyg, mit regelmässigem Flugplan nach Ritsem, Kvikkjokk und Arieplog.
Sehr oft herrscht hier ein richtiges Gewusel von Touristen, Outdoorern und Tagesbesuchern. Es ist Samstag, das Wetter perfekt und so beschliessen wir, kurz vor Stáloluokta das Zelt aufzustellen um der Hektik und dem Lärm etwas aus Weg zu gehen.

Camp am Viejejåhkå

Die Abendstimmung an dem kleinen Bach ist phantastisch und mit den doch merklich sinkenden Temperaturen, kündigt sich der Herbst mit grossen Schritten an. Für heute heisst es nur noch einen Topf Pasta „vernichten“, die Stille zu geniessen und in den warmen Schlafsack zu schlüpfen.

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Sonntag 27.8.

Die Nacht war sehr kalt und so sind unsere Zelte und das Gras mit Tau überzogen. Macht nichts, wir haben Zeit und es wird wieder ein wunderschöner Tag mit viel Sonne geben.

Auch heute werden es wohl um die 30 Kilometer sein und dies vor allem auf Planken des Padjelantaleden. Nach einem herzhaften Knäckebrot Frühstück (was sonst ;-)), machen wir uns auf den wunderschönen Weg nach Stáloluokta.

Im Blick, Stáloluokta

Als wir die grosse Hängebrücke vor der Siedlung überqueren und zur Sami Hütte Stáloluokta hochgehen, sind wir etwas überrascht kaum Leute zu sehen und auch keine Hubschrauber zu hören…es ist sonntäglich still hier!
Tatsächlich sind nicht viele Menschen da und ein einzelner Hubschrauber holt eine Ladung Übernachtungsgäste ab und schon ist es wieder still, herrlich.
Am Eingang der Hütte hängt eine Rucksackwaage. Wir sind doch ziemlich gespannt, wie es mit den Gewichten der Rucksäcke und dem vielen Proviant aussieht. Ich komme auf knapp 17 Kg. und bin absolut zufrieden. Meine Gewichtsreduktion der Ausrüstung hat sich bis jetzt voll ausbezahlt. Die ganzen Tage hatte ich kein Drücken auf den Schultern und das tragen ist merklich leichter. Letztes Mal hatte ich hier wohl noch an die 25 Kg. dabei. Dass ich etwas zuviel Proviant dabei habe ist mir bewusst und ich könnte hier sicher noch 1-2 Kg. leichter sein.
Anja ist mit ihren 13 Kg. nicht so zufrieden und hätte sich weniger erhofft. Mit ihrer Körpergrösse ist das auch ein stattliches Gewicht dass sie da mitträgt. Doch auch da macht der Proviant sehr viel aus und wer nicht hungern will…
Mel hat knappe 16 Kg. auf dem Rücken und ist relativ zufrieden damit. Alles in allem ist es im Rahmen dessen, was wir erwartet haben.

An der Hütte hängt ein Anschlag vom Kiosk der hier in Stáloluokta seit ein paar Jahren sogar ein paar Lebensmittel mehr, ausser Rentierfleisch, Fladenbrot und Fisch, im Sortiment hat. Leider macht er am Sonntag erst um 16.00 auf und so kommen wir heute nicht in den Genuss einer kleinen Surprise!

Stáloluokta

Auf unendlichen Plankenwegen verlassen wir die Siedlung, um über einen Hügel zur nächsten Sami Siedlung zu kommen, Árasluokta. Dort habe ich schon mehrere Male übernachtet und sie ist meine Lieblingssiedlung, da sie nicht so überlaufen ist und weil dort eine kleine, alte, herzensgute und freundliche Sami Frau einen kleinen Kiosk führt.

Plankenweg nach Árasluokta
Der wilde und tiefblaue Virihaure, im Hintergrund der Rago National Park
Es wird definitiv Herbst
Virihaure

Die 12 Kilometer nach Árasluokta sind auf den mehrheitlichen Plankenwegen schnell zurückgelegt und bei diesem Wetter ein absoluter Traum. Das tiefblau des Virihaure ist schlicht eine Wucht.

Árasluokta

Als wir den Sami Hütten Árasluokta näher kommen, ist nur ein einziger junger Wanderer zu sehen. Ich ahne schon dass da wohl nichts ist mit Kiosk, denn dieser hat die alte Sami Frau immer auf die Sekunde pünktlich um 17.00 geöffnet. Doch siehe da, die Türe ist offen und still und leise sitzt die Gute im Büdchen und lächelt uns mit ihrem schönsten , zahnlosen Lächeln an.
Was für ein Stück Glück dass wir da haben und so werden wir uns jetzt ein schönes Mittagsessen zubereiten, mit frischem getrockneten Rentierfleisch, geräucherter Braunforelle und Fladenbrot.

Wir geniessen den unerwarteten kulinarischen Höhepunkt des Tages und machen uns erst nach etwa einer Stunde wieder auf den Weg, zu unserem Nachtlager in der Sami Hütte Låddejåhkå. Es warten nochmals etwa 13 Kilometer auf uns und die Überschreitung eines 300 Meter hohen Hügels, dem Pårka.

Árasluokta
Brücke über Miellädno
Der 1270 Meter hohe Allak

Auf der Hochebene des Pårka findet man noch ein einzelnes, Milliarden Jahre altes Element eines Stromatolithen, das einzige bekannte in Europa.

Und weiter geht es, sachte den Hügel runter zu den Sami Hütten von Låddejåhkå.

Die Hütten im Tjavvda Tal in Sicht
Brücke über den Namensgeber der Hütten, Låddejåhkå

Obwohl hier ein beliebter Eingangsort für den Sarek National Park ist, sind meist nicht so viele Touristen vor Ort. Heute scheint aber eine Ausnahme zu sein und selbst die Hüttenwartin ist ziemlich erstaunt, diese Nacht eine volle Hütte zu haben.

Abkühlung erwünscht? 😉
Låddejåhkå

Der Trubel in der Hütte lässt uns ziemlich kalt und wir geniessen die wundervolle Abendstimmung. Die zwei letzten Tage waren schlicht der Hammer, trotz den langen Etappen. Für morgen steht nun mit rund 16 Kilometer die kürzeste Etappe an und führt uns aus dem National Park hinaus, zur STF Hütte Kutjaure des schwedischen Wanderverbands. Eine Etappe die geprägt wird, von den drei grössten Wanderhängebrücken im Padjelanta und kilometerlangen Plankenwegen.

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Montag 28.8.

Die Nacht war ruhig und der Schlaf tief. Der Wecker klingelt wie jeden Tag um 6.00 und der Abmarsch ist zwischen 7.30 und 8.00 geplant. In der Nacht brauste ein heftiger Sturm über die Hütte und wir alle denken an diejenigen, die da draussen zum Teil sehr exponiert im Zelt übernachtet haben. Gestern am Abend war es wieder zu verlockend, das Zelt irgendwo aufzubauen, aber der Wetterbericht sprach eine eindeutige Sprache.
Doch der Sturm war kurz und so ist es heute Morgen schon wieder ruhig um die Hütte. Der Himmel ist etwas bedeckt, aber es wird ein guter Tag zum laufen sein.

Vastenhaure

Nach einem kurzen und steilen Aufstieg, folgt der Weg heute oberhalb des Sees Vastenhaure zu den Brücken von Sáluhávrre. Dies ist eine der grössten Sami Siedlungen im Gebiet und liegt mehr oder weniger nur auf Inseln.

Herbstliche Umgebung für den Vastenhaure
Sáluhávrre
Die grösste der drei Stahlhängebrücken
Die zwei weiteren Stahlhängebrücken von Sáluhávrre

Hier trennt sich nun auch der Weg nach Kutjaure und Váisáluokta oder Gisuris und Akka. Beide Wege führen zum See Akkajaure von wo aus die altehrwürdige Aluminiumfregatte „Storlule“ die Wanderer auf die andere Seite des Sees nach Ritsem bringt.

Wir nehmen die Planken nach Kutjaure unter die Füsse, da hier erwartungsgemäss weniger Leute unterwegs sind und es landschaftlich mehr hergibt.

Der heilige Berg der Sami Áhkká

Die sechs Kilometer zur STF Hütte Kutjaure gehen flugs an uns vorbei und wir freuen uns auf einen gemütlichen Hüttenabend.

Die Ebene von Tsågahávrre
Viele Erinnerungen…

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass ich pausenlos an meine NPL Tour erinnert werde, an meine Touren danach. Oftmals habe ich fast ein wenig das Gefühl, hier schon ein wenig Zuhause zu sein, Altbekanntem und Vertrautem über den Weg zu laufen. Vielleicht sogar ein Stücklein Seele und Herz wiederzufinden, dass ich hier in all der Zeit zurückgelassen habe. Es sind ausnahmslos schöne Erinnerungen und positive Gefühle die mich bewegen.

Hukejaure

Und auch das ankommen an der STF Hütte Kutjaure fühlt sich wie ein nach Hause kommen an. Die Hüttenwartin ist nicht im Haus und auf einer Wanderung und bittet die Ankommenden, sich ein Bett auszusuchen und es sich gemütlich zu machen.

Kutjaure ist bekannt für sein „Badezimmer“ und seinen Pool. Im Moment herrschen zwar nicht unbedingt Temperaturen für ein erfrischendes Bad, aber das lasse ich mir definitiv nicht nehmen. Während Mel es vorzieht an der Wärme zu bleiben, gehen Anja und ich runter zum Pool.

Anja in Kutjaures Badezimmer

Anja entschliesst sich nach einem Zehentaucher dann doch eher für die „Katzenwäsche“ und mein Ausflug ins Gewässer wird dann doch eher Mittel zum Zweck und relativ kurz! Aber trotz allem… es hat gut getan und der Pool ist einmalig schön, direkt neben dem Wasserfall.

Abendstimmung über Kutjaure
Sieberjåhkå

Am späten Nachmittag kommt die Hüttenwartin in Kutjaure an und noch ein paar Gäste zusätzlich. Sie heisst uns herzlich willkommen und gibt allen die Auskünfte die benötigt werden. Auch wir benötigen jetzt eine, denn in den letzten Tagen hat sich bei Mel ein grosser Wunsch eingenistet und dessen Erfüllung sind wir hier jetzt ziemlich Nahe: Mels erster Hubschrauberflug!

Fiskflyg hat in den letzten Jahren sein Angebot an Hubschrauberflügen sehr ausgebaut. Obwohl es klare Beschränkungen seitens der Regierung gibt, haben die Sami im Padjelanta dem zugestimmt. Kein Wunder, denn dafür kriegen sie auch jegliche Flugleistung praktisch umsonst zur Verfügung gestellt. Die Taxiflüge zu den Hütten sind heute sehr beliebt, dies zeigt auch der fixe Flugplan in den Sommermonaten. Natürlich ist eine solche Fliegerei in einem UESCO Welterbe sehr fragwürdig und selbst ich als Heli Pilot, habe mich schon über den Lärm beklagt. Aber wie immer gibt es auch zwei Seiten und schlussendlich würden die Sami heute in diesem Gebiet wohl kaum mehr einigermassen kostendeckend Rentiere halten können, ohne den ganze Support aus der Luft und die Einnahmen aus dem Tourismus.
Ich selbst lebe Nahe an einem UNESCO Welterbe, in dem sich ein Fliegerschiessplatz der Luftwaffe und ein Zielgelände der Fliegerabwehrtruppen befindet, in dem Heliskiing betrieben wird und Rundflüge zum Programm gehören. Daher lebe ich mit all diesen Widersprüchen.

Nun bietet Fiskflyg einen Shuttelbetrieb über den See an, der in Konkurrenz mit dem Boot steht. Auf den Plakaten die an allen Hütten ausgehängt sind, entnahmen wir, dass der Preis von Vaisaluokta nach Ritsem bei 400 Kronen liegt, also 100 Kronen mehr als das Boot. Ein unschlagbarer Preis wenn man bedenkt, dass der Überflug 10 Minuten dauert und die Bootsüberfahrt 60 Minuten.
Aber für Anja und mich ist klar, wir möchten Mel diesen Herzenswunsch gerne erfüllen und wann bietet sich schon besser die Gelegenheit, als hier einen eh nötigen Transfer zu machen.

Doch eines ist mir noch ziemlich unklar und daher brauche ich den Tipp der Hüttenwartin. Wo ist der Landeplatz in Váisáluokta? Ich kenne die Sami Siedlung gut und dort kann kaum ein Hubschrauber landen? Merit die Wartin zeigt uns auf der Karte, dass der Landeplatz schon am Ausgang des Gårsså Tal liegt und nicht erst am See unten.

Ab 12.00 muss man sich am Landefeld befinden und um 12.30 kommt der Hubschrauber. Anmelden muss man sich nicht und kann man sich vorher auch gar nicht, wegen fehlender Mobilfunknetzabdeckung.

Der Tag morgen kann etwas regnerisch sein und ich hoffe der Nebel macht uns keinen Strich durch die Rechnung. Andernfalls haben wir knapp 1.5 Std. Zeit um nach Váisáluokta runterzuwetzen um das Boot zu erreichen.
Alles in allem wird das uns allen in die Karte spielen, denn wir möchten noch waschen, etwas einkaufen in Ritsem und dann endlich an die langersehnte Pizza kommen, die uns in Sulitjelma verwehrt war. Und dank der optimalen Startzeit des Hubschraubers, müssen wir uns auch nicht allzu früh aus den Federn begeben für die knapp 14 Kilometer.
Mel wird heute Nacht wohl kaum ein Auge zumachen, sie freut sich riesig und wir mit ihr!

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Dienstag 29.8.

Um heute genügend Reserve zu haben, starten wir nicht allzu spät. Die Hüttenwartin verabschiedet sich von uns und wünscht uns einen guten Flug. Es nieselt leicht und überall wabern Nebelbänke umher.

Und endlich hat es hier mal eine anständige Brücke gegeben!
Gårsså

Wir sind zeitlich sehr früh dran und kommen gut voran. Schon kurz nach 11.00 erreichen wir den Landeplatz von Fiskflyg.

Vom Landefeld sehe ich knapp den Akkajaure und habe auch etwas Mobilfunkempfang. Ich rufe schnell auf die Telefonnummer der Firma an und teile der Einsatzleitung mit, dass wir drei Personen mit Rucksäcken auf dem Váisá Landeplatz sind und evtl.. noch drei aus Kutjaure nachkommen könnten. Die drei Schweden waren aber noch nicht sicher ob sie hier auf den Hubschrauber gehen werden. Der Pilot ist froh um den Bescheid und bestätigt mir, dass es trotz den Nebelbänken fliegbar sein wird. Mel erkennt mein Lachen schon von weitem und erwidert es mit ihresgleichen. Super dass es klappt! Wir freuen uns alle.

12.30 schwebt der Hubschrauber pünktlich ein und eine Flughelferin winkt uns zur Maschine und nimmt uns unsere Rucksäcke ab.

Freude herrscht:-)
Nicht das wir beiden jetzt gerade unglücklich darüber wären!

Der Pilot begrüsst uns herzlich an Bord und „entschuldigt“ sich schon dafür, dass er mit uns gleich noch über Akka fliegen wird, da er dort auch noch drei Passagiere mitnehmen will. „Ach, mach nur“ ist unsere lapidare Bemerkung auf die fünf Minuten mehr Flugzeit! Ich komme kurz mit ihm ins Gespräch über die Maschine, da ich auf diesem Typ auch meine 300 Stunden geflogen bin…wie gerne würde ich gerade den Knüppel übernehmen!!

Anflug auf die Hütten von Akka
Und schon geht es über den See nach Ritsem
Fiksflyg Basis Ritsem

Ein kurzes Vergnügen, aber wenn man das Strahlen in Mels Gesicht sieht, dann hat es sich gelohnt. Ich bin sicher, das war nicht das letzte Mal für sie!

Nun ist es gerade mal 12.30 und wir können in Ruhe unsere Zimmer in der STF Ritsem beziehen, Kleider waschen, einkaufen und ein paar! Pizzen genehmigen. Der Zeitgewinn um einen halben Ruhetage einzulegen, ist mit dem Hubschrauber natürlich gewaltig. Ansonsten wären wir c.a. um 17.00 hier gewesen.
Ritsem ist kein Luxusort und die Preise sind alles andere als billig hier. Sehr oft wird lautstark reklamiert und gehadert. Auch ich habe meine Vorbehalte, aber ich weiss vor allem eines zu schätzen hier…
Seit vielen Jahren ist der gleiche „Hüttenwart“ auf der Herberge (ich schäme mich bis heute, dass ich seinen Namen immer wieder vergesse!). Der Gute ist schlicht die Nummer Eins an Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit. So oft hat er mir schon einen Gefallen gemacht, hat immer Zeit für ein „Schwätzchen“ oder hat wertvolle Tipps für die Landschaft oder das Wetter. Darum ein herzliches „Tack så mycket“ nach Ritsem!

Etwas was dieses Jahr auffällt, ist das extrem frühe Saisonende in Padjelanta. Sämtliche Hütten werden am kommenden Wochenende, dem 3.September schliessen!! Genau zu der Zeit, wo der Padjelanta in seinen schönsten Farben erwacht und viele wegen den kühlen Nächten lieber in einer Hütte übernachten möchten. Auch das Boot über den Akkajaure stellt den Betrieb ein und dies obwohl der Bus von Gällivare noch bis Ende September fährt, die Hubschrauberbasis noch besetzt ist und auch Ritsem noch einen etwas heruntergefahrenen Service anbietet. Der Hüttenwart kann es nicht verstehen und ist etwas enttäuscht, denn seine Herberge wäre noch ausgebucht gewesen. Aber ohne Boot und der Tarif des Fluges ist in der Nebensaison 3x! so hoch….da kommen nur noch wenige. Natürlich haben die Samis noch anderes zu tun und die ganzen Rentiere werden aus den Hochfjells zurückgetrieben. Aber es scheint doch etwas seltsam, dass eine so einträgliche Möglichkeit zurückgestellt wird. Schade!

Für uns drei geht nach dem wunderschönen Padjelanta eine Etappe zu Ende und mit Ritsem startet eine Neue, das Narvikfjell! Dass ich es geschafft habe, alles so zu drehen, dass ich die Zeit finde mit Anja und Mel durch das Narvikfjell, meine zweite Heimat zu laufen, ist für mich ein wahrgewordener Traum! Ich freue mich riesig drauf und nach den knapp 220 Kilometer seit Lønsdal, kann ich mit den Mädels schon ganz gut mithalten!

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Mittwoch 30.8.

Für die heutige Strecke zur STF Hütte nach Sitasjaure, können wir uns Zeit lassen. Die ganzen 20 Kilometer gehen der Kiessstrasse von Vattenfallen Energie entlang und sind daher gut zu laufen. Der Energiekonzern hat hier und im Narvikfjell so gut wie jeden See und jeden Bach angezapft und produziert den Löwenanteil an Energie im Norden.

Áhkká

Mittlerweile laufe ich diese Strasse schon zum sechsten Mal und so langsam kenne ich den Weg auswendig! Nun gut, allzu interessant ist er nicht und doch führt die Strasse entlang eines schönen, von Seen durchzogenen Fjells zum Sitassee hoch.

Basseluoppal

Immer wieder eindrücklich ist der Standort der STF Sitasjaure Hütte, die wie eine Trutzburg hoch auf dem Felsen, am Fusse des grossen Sitassee steht.

Sitasjaure

Wir sind erwartungsgemäss die einzigen in der grossen Hütte. Der Hüttenwart, der mit seiner Familie noch die letzten Tage hier verbringt, erwartet heute auch niemanden mehr. Er lädt uns ein, uns an dem grossen „Kanister“ sehr süssem Fruchtsaft auf dem Tisch zu verköstigen. Nebenbei fragt er uns, ob wir nicht drei Rollen Kehrichtsäcke nach Hukejaure mitnehmen könnten. Dies machen wir natürlich sehr gerne!

Wir heizen den Ofen schön ein und schon bollert es gemütlich in dem Holzhaus. Wir essen, reden, jassen und genehmigen uns einen gemütlichen Abend. Der ganz knappe und letzte Mobilfunkempfang den wir hier noch haben bis nach Katterat rüber, nutze ich, um die letzten Wetterdaten abzufragen. Morgen gibt es nochmals einen wahren Prachtstag und danach soll es etwas regnerisch und kühler werden. Aber wie so oft in Norwegen…Wetter findet draussen statt und das erst noch ohne zu fragen wie. Wir werden es sehen!

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Mittwoch 31.8.

Die Nacht war ruhig und wir haben geschlafen wie die Murmeltiere. Heute Morgen können wir nun mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass wir es bis zum 5. September nach Narvik schaffen werden. Dies natürlich mit einer grossen Vorfreude, denn Mel hat an diesem Tag Geburtstag und wir freuen uns natürlich sehr für sie, wenn wir diesen Tag bei einem schönen Abendessen und einem leckeren Glas Wein feiern können!

Doch zuerst kommt noch etwas Tourarbeit auf uns zu, aber als wir zum Fenster rausschauen, kann von Arbeit nicht mehr die Rede sein!

Der Weg nach Hukejaure hoch, ist an diesem Tag wie ein wunderschöner Traum. Es ist mild, sogar warm und die Sonne scheint von einem azurblauen Himmel.

Fortschritt auch hier… die Sami haben die Wanderwege auf zwei Spuren ausgebaut!

Wenn man im Fjell unterwegs ist, dann wird man meist, zum Teil 24 Std. von einer Vogelstimme begleitet. Dem Goldregenpfeifer oder wie in die Norweger nennen: Heilo.
Dieses zum Teil etwas klägliche Gefiepe teilt die Fjell Community in zwei Lager. Die einen hassen das Federvieh und nerven sich ab dem Gepfeife. Die anderen lieben den Vogel über alles und für sie ist ohne ihn, Fjell nicht Fjell.

Goldregenpfeifer / Heilo

Ich gehöre definitiv in die zweite Kategorie. Ohne sein Pfeifen würde mir sehr viel fehlen im Fjell. Wahrscheinlich eher zur ersten Kategorie gehört der Schweizer NPL Läufer Peter early retired, der uns alle 2023 mit seiner humorvollen und eigenen Art seine Tour präsentiert hat. Er hat den Vogel aber sehr köstlich als Migroskassen-Vogel beschrieben. Und tatsächlich, wenn die Verkäuferin, oder der Verkäufer, die Ware über den Scanner zieht, dann tönt das definitiv ziemlich ähnlich 😉

Ich habe mich immer irgendwie mit diesem Federvieh identifiziert und heute habe ich auf dem Weg nach Hukejaure doch tatsächlich einen kleinen Anflug Heilo gehabt…..

Na gut, ein bisschen Übung braucht es noch…ich bleibe dran!

Als wir am Áinnajohka eine Rast einlegen, ist es mittlerweile so warm, dass Anja und ich uns ein kleines Bad genehmigen. Dabei entdecke ich am Rand des Baches Versteinerungen von Pflanzen. Wie alt die wohl sein mögen?

Schon bald kommen wir über die trockenen Wege auf die Hochebene des Guojujávri. Der Tag ist so wunderschön und eindrücklich, dass meine Augen überall sind, nur nicht auf dem Weg und so kommt es wie es kommen muss. Die letzten 50 cm einer vier Meter langen Holzplanke sind nass und….zack! Die Dinger sind nun mal glatt wie Eis wenn sie nass sind. Aber nichts passiert. Ein bisschen „Tapete“ an der Hand und den Finger fehlt, da helfen Pflaster und für den Dreck am Rucksack und am Hintern, der nächste Bach! Aber wieder einmal wird man sich bewusst wie schnell es gehen kann, wenn man seine Aufmerksamkeit in der Landschaft deponiert hat.

Guojujávri

Schon bald sind wir auf dem Pass und blicken zum Kaisejaure runter, an dessen nordöstlichem Ende die Hukejaure Hütte liegt.

Kaisejaure

Nach den beiden grossen Hängebrücken am Kaisejaure, treffen wir auf einen Mann mit seinem Hund. Da er ohne Gepäck ist, nehmen wir schwer an, dass das der Stugvård von STF Berghütte Hukejaure ist. Ole begrüsst uns und bestätigt unsere Vermutung. Wir sollen es uns in der Hütte gemütlich machen, er werde noch eine kleine Runde mit dem Hund machen. Er habe übrigens noch sehr viel Fruchtsaft übrig, er würde uns dann von dem servieren…soviel wir möchten. (Der STF hat da wohl mal eine Sponsorenaktion gehabt ;-))

Hukejaure

Schon von weitem ist die alte Kota, oder auch Gamma, von Hukejaure zu sehen. Früher konnte man in ihr noch übernachten, aber jetzt ist sie geschlossen. Schnell haben wir uns in der Hütte eingerichtet und auch Ole ist schon bald zurück. Ole gehört zum Ausbildungsstab der schwedischen Fjell- und Bergführer und bildet auch Guides in Spitzbergen und Jan Mayen aus. Er ist ein überaus hilfsbereiter und sehr gesprächiger Hüttenwart und erzählt uns viele Anekdoten aus dem Hüttenwarts Alltag. Ein wahrlich nicht ganz einfacher Job, bei so manchem nicht einfachen Gast.
Der Kungsleden ist nicht weit und so verirren sich immer wieder Menschen hier hoch, die eigentlich hier nicht hingehören. Denn Hukejaure ist eine Gebirgshütte und das Wetter oft nicht ganz ohne. Es gibt hier kein Restaurant oder Kiosk und bezahlen kann man nur mit Bargeld. Dies wird zwar überall kommuniziert und gehört eigentlich auch zur Informationspflicht eines jeden Gastes, doch da haben sich die Zeiten wohl ziemlich geändert! Wer hier Hüttenwart ist, braucht definitiv gute Nerven.

In Hukejaure gibt es aber auch einzigartige Stimmungen. Die spezielle Lage der Hütte mit den vielen Tälern ringsum, den Seen und der Wetterscheide zum höchsten schwedischen Berg Kebnekaise hin, macht es so einzigartig hier. Ich mag den Ort sehr und komme immer gerne hier rauf.

Im Vergleich zu den norwegischen DNT Hütten, sind die schwedischen STF Hütten sehr rudimentär ausgerüstet. Die norwegische Gemütlichkeit fehlt hier.

Aufgrund des immer anwesenden Hüttenwarts, dem Satelliten Telefon für den Notfall, sind die Hütten auch einiges teurer als die in Norwegen. Meines Erachtens zu teuer, gerade wenn man bedenkt, dass die Hüttenwarte hier kaum entschädigt werden und es viele sind, die hier ihre Ferien investieren. So auch Ole. Aber er macht es gerne, da er den Kontakt zu den Leuten mag, egal ob einfach oder schwierig. Und wer möchte nicht an so einem Ort ein paar Wochen zuhause sein?

Ole will für uns am morgen früh versuchen, über seine marginale Satelittenleitung eine Wetterprognose abzurufen. Manchmal klappe es, manchmal nicht. Wir haben zwar unsere Garmin InReach Geräte, auf denen wir die Wetterprognose auch abrufen können, doch diese Prognosen sind dann wirklich nur sehr rudimentär und einfach.

Doch zuerst wird gegessen, getrunken (ca. 3 Liter Fruchtsaft) und dann ausgeruht und geschlafen.

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Donnerstag 1.9.

Mittlerweile ist der September eingetroffen. Ich spüre heute Morgen bei Anja und Mel deutlich, dass dieses Datum zum nachdenken Anlass gibt. Ist schon Wahnsinn was die beiden bis zum heutigen Tag alles erlebt haben. Ich habe immer gedacht, meine Tour 2013 sei schwierig und hart gewesen, doch wenn ich an all die Rückschläge der beiden denke, dann relativieren sich meine damaligen Probleme auf der Stelle. Ich bin schon tief beeindruckt wie die beiden das gemeistert haben und ich bin mir gar nicht sicher, ob ich nicht vorher den Handschuh geworfen hätte, nicht mal sicher, wieviele von den NPLrn 2023 dies durchgezogen hätten.
Seit dem 17. Mai sind Anja und Mel unterwegs und jetzt steht schon der Herbst vor der Türe. Zum grossen Glück hat sich seit ein paar Wochen alles eingespielt bei den Frauen und die Probleme sind alle über- und ausgestanden. Die zwei können mächtig stolz auf sich sein und für mich ist es eine grosse Ehre und Freude mitlaufen zu dürfen!

Der Wetterbericht versprüht nicht gerade allzu viel Optimismus und wir müssen heute wohl mit etwas Regen rechnen. Der Weg zurück nach Norwegen, zur DNT Hütte Gautelis ist allerdings nicht so weit und vielleicht schaffen wir es im Trockenen in die Hütte.

Abschied von Ole, Tack så mycket
Zu Besuch in Hukejaure, Singschwäne

So übel ist das Wetter eigentlich gar nicht heute und der erwartete Wind ist auch nicht vorhanden. Das freut mich, denn der Weg rüber nach Gautelis gehört für mich eigentlich zu den schönsten überhaupt im hohen Norden.

Sälka
Der See Vuolip Coarvejávri und das Trehakfjellet im Hintergrund
Und wieder mal in Norge
Frisch getüncht und aufgeschichtet. 2023 werden 1600 Kilometer Grenze neu markiert!

Kurz nach der Grenze bemerke ich, dass mich Anja vermehrt kritisch beobachtet. Ganz grundlos ist es ja nicht, denn sie liest gerade parallel zu ihrer Tour mein Buch „Schritt für Schritt nordwärts“ und hat gestern gerade die Zeilen über meinen Unfall bei Gautelis gelesen. Damals bin ich mit dem Bein durch den Schnee durchgesackt und habe mir eine tiefe Fleischwunde zugezogen. Die Narbe prangt noch heute auf meiner Kniescheibe. Und wäre es nicht genug, hat es mich 2017 keinen Kilometer von dort an einer Hängebrücke so über einen Stein gehauen, dass ich mir am gleichen Bein, eine zweite grosse Narbe eingehandelt habe.

Nur nicht wieder hinfallen Martin!

Doch dieses Mal komm ich hier heil durch und auch der Regen verschont uns bis kurz vor der Hütte.
Irgendwie haben wir alle drei heute ein bisschen Meditationswandern gehabt so scheint es mir. Alle waren in ihren Gedanken versunken und haben die mystische Landschaft mit ihren Bewohnern in sich aufgesogen.


In der DNT Hütte Gautelis sind wir heute alleine und so machen wir uns breit und es uns gemütlich. Der Ofen bollert leise vor sich hin und wir spielen noch etwas Karten zum Abschluss des Tages.
Meine Hoffnung gilt morgen auf möglichst wenig Regen. Der Gautelispass ist eine ziemlich steinige und rutschige Sache. Gerade das Blockgelände im Abstieg nach Cáihnavággi hat es in sich, wenn man die Blockfelder nicht gewöhnt ist.

Hüttenromantik in Gautelis

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Freitag 2.9.

In der Nacht hat es ordentlich geschüttet und gewindet, jetzt als ich erwache ist es Mucksmäuschenstill draussen. Der erste Blick nach draussen zeigt denn auch, dass es nicht mehr regnet, dafür ist alles dick in Nebel gehüllt. Naja, auch nicht gerade das was es für einen Pass von 1200 Höhenmeter braucht, aber es wird schon gehen.
Die Etappe heute ist eine der kürzesten mit knapp 14 Kilometer und der darauf folgende Tag nach Cunojaure wird sogar noch kürzer mit knapp 13 Kilometer. Eigentlich wäre das in einem Tag gut zu machen, aber ich muss die Mädels etwas bremsen und schlage vor, in Cáihnavággi zu entscheiden ob es noch weiter geht. Denn ich denke der Pass könnte heute Tribut fordern. Ich kenne das Gelände nur zu gut und bin schon fünf Mal über den Pass, bei allen möglichen Konditionen.

Der Nebel deckt die wunderschöne Landschaft ab und es ist mehrheitlich Grau in Grau, als wir den steilen ersten Anstieg bewältigen. Eine Stunde nach dem Start weiss ich, dass es etwas Mobilfunkempfang hat und so hat Anja heute die Möglichkeit ihrer Schwester Nicole zum 40gsten zu gratulieren. Mel nutzt die Möglichkeit endlich wieder mal mit dem Freund und der Familie zu telefonieren. Soziale Kontakte die Zuhause in der heutigen Zeit 24/7 normal sind, können hier ganz schön fehlen, wenn das Mobilnetz sich ein paar Tage verabschiedet.
Im Moment herrscht sogar noch etwas besserer Empfang als sonst, dies wird wohl der Baustelle am Gautelisvatnetdamm zuzusprechen sein, der unweit von uns ist. Man hört sogar die Bagger aus dem Nebel dröhnen. An solchen Orten werden meist mobile Antennen aufgestellt.

Anspruchsvoller Aufstieg zum Gautelispass

Die Steine trockenen nach dem Regen relativ schnell ab, aber der Nebel lässt immer wieder Feuchtigkeit zurück und macht die Steine sehr rutschig. Aber wir haben genug Zeit und lassen sie uns auch, denn hier ist schnell ein Unfall passiert!

Gautelispass 1200 MüM

Als wir auf den langgezogenen Pass kommen, lichtet sich endlich der Nebel etwas und wir nehmen nun endlich auch unsere Umgebung wahr. Zumindest Anja und Mel, denn ich kenne das Gelände ja mittlerweile in- und auswendig.

Der höchste Punkt auf NPL für Anja und Mel (1200 MüM)

Jeder Aufstieg hat nun mal auch einen Abstieg und der ist nordwärts berühmt und berüchtigt. Ein unglaubliches Blockfeld mit riesigen Steinen wird während einer Stunde zur Geduldsprobe für alle!

Blockfeld à la Cáihnavággi

Für mich ist es reiner Genuss über die Steine „runterzufliegen“. Ich bin es mir gewohnt aus den Bergen und kenne in meiner Heimat solche Blockfelder zur Genüge. Auch kommt jetzt der riesige Vorteil der festen Schuhe zum tragen. Da mein Schuh hart ist und eine dicke Sohle hat, kann ich bei rutschigen Steinen locker in die Zwischenräume stehen und habe so einen sicheren Halt. Bei Trail Runnern ist dies nicht möglich ohne eine grosse Verletzungsgefahr. So ist man gezwungen von einem Stein zum anderen zu laufen und riskiert ein ausrutschen auf den flechtenbewachsenen, rutschigen Steinen.
Anja kämpft am meisten mit dem Untergrund, sie liebt es wahrlich nicht. Doch sie meistert das Ganze bravourös, in dem sie sich Zeit nimmt, ein Lächeln aufs Gesicht setzt und das Ganze positiv sieht.
So kommen wir alle heil durch den Gerümpel und stehen schon am ersten von drei Seen des Cáihnavággis.

See Nr. 1
Der Pass im Hintergrund

Nach der Umrundung des Sees, geht es eine weitere, aber gut zu laufende Etage runter und schon kommen die DNT Hütten Cáihnavággi in Sicht.

Cáihnavággi

Wer mich kennt und meinen Blog verfolgt weiss, dass ist meine zweite Heimat hier und meine Lieblingshütten. So oft war ich schon hier und so oft habe ich mich immer wieder verliebt in diesen Flecken Erde. Wie ein Magnet zieht mich „meine“ kleine Hütte an und es ist, wie wenn ich Zuhause über die Türschwelle trete.

My home is my castle!

Aber ja, ich bin bestens vorbereitet und weiss natürlich, dass es dieses Jahr unter Umständen hier nur eine Rast geben wird und wir dann weiter nach Cunojaure runtergehen könnten. Das Tempo und die Kilometer werden von Anja und Mel auf ihrer NPL Tour gesetzt und das ist für mich eine Selbstverständlichkeit, ich bin hier als Gast.
Allerdings, wenn ich in die erschöpften Gesichter der beiden während dem kollektiven Suppe schlürfen sehe….ist hier wohl Feierabend. Und tatsächlich, verständlicherweise hat der Pass bei diesen Verhältnissen zuviel Energie gekostet und somit sind wir alle der Meinung, heute ist genug.

See Nr.2
Abendstimmung in Cáihna

So wird es also morgen einen sehr kurzen Tag geben, ich rechne mit etwa 3.5- 4 Std Laufzeit nach Cunojaure runter. Macht nichts, sind alle der Überzeugung. Die Etappen im Narvikfjell sind alle deutlich kürzer als im Padjelanta, dafür beinhalten sie auch mehr Höhenmeter, die Wege sind anspruchsvoller und die Hütten liegen sehr Nahe aufeinander.
Noch während dem Abendessen kommt mir plötzlich mit Schrecken in den Sinn, dass ich letztes Jahr ja das Problem hatte, dass der Zug in Katterat am Sonntag und Montag gar nicht hält! So musste ich den Plan auf Dienstag machen. Und heute ist Sonntag, das heisst dass wir perfekt auf Dienstag nach Katterat runterkommen. Wären wir eine Hütte weiter, wären wir zu früh gewesen und hätten eine Nacht am Bahnhof verbringen müssen. Glück gehabt (falls die schwedische Bahn nicht wieder den Fahrplan auf den Kopf gestellt hat und wieder alles anders ist dieses Jahr 😦 )

Tagestracking auf Relive.com (Link)

Samstag 3.9.

Aufgrund der kurzen Etappe heute, nehmen wir uns viel Zeit am Morgen. Wir geniessen das Hüttenleben, Frühstücken ausgiebig mit dem was noch da ist…..und das ist leider nicht mehr viel. Die Frauen stellen mittlerweile auch einen erhöhten Appetit fest und das planen für viele Tage, wird nicht mehr so einfach. Aber übermorgen sind wir in Narvik, da hält man etwas Hunger auch locker aus!

Bevor wir aufbrechen, treffen wir noch das ältere Paar, welches in der anderen kleinen Hütte war diese Nacht. Die beiden geniessen ein Wochenende in den Bergen, abseits von Arbeit und Trubel.
Kaum haben wir uns von ihnen verabschiedet und sind keine 100 Meter entfernt, läuft uns die Frau mit einem gelben Sack hinterher und ruft uns laut nach.
Da schenkt sie uns doch tatsächlich eine grosse Tüte Nachos Chips. Das ist aber toll und es ist immer wieder unglaublich, wie auf so einer Tour schon eine Packung Chips das Leben verändern kann! Dies habe ich auf meiner Tour auch immer wieder erlebt. Kaum kommen die Wörter Norge på langs ins Spiel, erlebt man die tollsten Dinge und Überraschungen. Die Menschen sind immer wieder dermassen fasziniert von der Reise und möchten immer irgendwie etwas zum Erfolg beitragen. So schön!

Mel bekommt die Aufgabe die Packung Chips am Rucksack festzubinden und zu tragen. Anja und ich werden da aber ein gutes Auge drauf werfen, man weiss ja nie 😉

See Nr.3

Nachdem wir bei mittlerweile schönstem Sonnenschein und Wärme, den dritten See des Cáihnavággi passieren, entdecken wir riesige Mengen an Blaubeeren am Wegrand. Wir entscheiden uns, bei der nächsten Pause einen Sack voll zu sammeln und für den nächsten Morgen das Müesli etwas aufzudonnern!

Plötzlich bleibt Mel stehen….

Aug um Aug, zum Glück nicht noch Zahn um Zahn!


Bei diesem Prachtexemplar handelt es sich um kein domestiziertes Rentier, sondern um ein wildes, wie sie hier oben noch anzutreffen sind. Mittelweile haben die domestizierten und halbdomestizierten Tiere die wilden Rentiere weit ins Fjell hinausgedrängt.

Blick nach Cunojaure
Storsteinfjellet

Am Ende des Tals öffnet sich die Weite des Stuorjalga und der Blick wird frei auf mein geliebtes Storsteinfjellet. Was war das für eine geniale Tour letztes Jahr auf den Gipfel und zum Gletscher! Ein sehnsüchtiger Blick geht rüber und ein Lächeln wandert über meine Lippen.

Blick ins Norddalen und das Durmålsfjellet
Ab und zu kann die Botanik überwältigend sein, gell Anja…..Anja……..ANJA?

Schon gestern habe ich die Frauen auf die Hängebrücke von Cunojaure vorgewarnt. Seit Jahren hängt dort ein Fossil dessen Vertrauenswürdigkeit eher mutige Menschen anspricht. Letztes Jahr hing sie schief und es war nur noch ein mürber Draht als Handlauf befestigt, auf dessen Stabilität ich niemals gesetzt hätte. Seit ich über diese Brücke gehe (2015) hat sich daran nie etwas geändert und es war ein Wunder, ist hier nie jemand im Bach ersoffen!

???

Als wir die Brücke sehen, muss ich mich erstmal setzen! Wasisndas? Da hängt doch tatsächlich eine aus bestem schwedischen Stahl gefertigte, neue und stabile Brücke! Wahnsinn, ich kann es nicht glauben. Soeben aufgestellt und noch für den letzten Schliff im Bau.

Aber ich muss schon schmunzeln. Liegt es jetzt an der kaum drei Kilometer entfernten schwedischen Grenze, oder war das sogar Entwicklungshilfe der Schweden für Norwegen, oder einfach pures Mitleid? Denn eigentlich dürfen die Norweger keine solchen Stahlbrücken für Wanderwege bauen, dies ist laut DNT gesetzlich geregelt (warum auch immer?).

Naja, was solls, sie hängt und sie wird gerne benutzt!

Der Weg rüber zur DNT Hütte Cunojaure ist nur noch kurz und ich hoffe mal, die kleine, neue, schnuckelige Hütte ist noch frei!

Cunojaure oder auch Cunojávri

Tatsächlich ist in der neuen Hütte niemand und es ist sogar noch warm und im Ofen Glut. Die Feierabendroutine läuft wie jeden Tag schnell an. Wasser und Holz holen, Feuer machen Körperpflege und rein in die Hüttenkleidung, Kaffee- und Suppenwasser kochen und gemütlich ins Sofa oder Lehnstuehl knallen!

Chillen ist angesagt

Der heutige Tag war mit vier Stunden sehr kurz, aber es macht definitiv Sinn. Die Wetterprognose hat für die nächste Hütte Hunddalen Dauerregen und viel Wind angesagt und hier scheint immer wieder die Sonne. Obwohl Luftlinie vielleicht 15 Kilometer entfernt, herrscht in Hunddalen oft ein sehr eigenes Klima. Das liegt an einem der Seitentäler, dass das Wetter direkt vom Meer heransaugt. Während hier, ein Gebirgszug weiter, schon kaum mehr was davon zu spüren ist. Ähnlich dem System Nordschweiz, Alpen, Südschweiz.

Die Cunojaure Hütte liegt sehr zentral und ist von vielbegangenen Wanderwegen umgeben. Zum einen von Schweden und dem Kungsleden, die schwedische STF Hütte Unna Allakas liegt 1.5 Std. von hier weg. Dann kommt der Weg vom Narvikfjell herunter den wir gegangen sind. Der Parkplatz im Norddalen ist knappe 10 Kilometer entfernt und der Weg morgen nach Hunddalen und Katterat zum Bahnhof wird auch oft begangen.
In der Hauptsaison kann es hier sehr überlaufen sein und man kann von Glück reden, wenn man noch ein Bett findet. Nach dem Brand 2015 der zweiten Hütte (wo ich auf meiner NPL Tour dort noch miterlebt habe), hat man sich entschieden eine kleinere zu bauen, was bei vielen grosses Unverständnis aufkommen liess. Heute sind wir froh, haben wir Platz in ihr gefunden.
Aber wir bleiben nicht lange alleine. Ein junger Schwede kommt schon bald herein und quartiert sich in einem der drei Zimmer ein. Danach folgt ein älterer Herr aus dem Schwarzwald, der den USB Anschluss für seine Powerbank sucht. Er ist mit seiner Frau in der alten, grossen Hütte.

Energieversorgung:

In den letzten Jahren haben die norwegischen DNT Sektionen, die meisten Hütten mit Solarpanels ausgebaut. In der Hütte findet man dann einen USB Anschluss und kann Handy oder Powerbank aufladen. Garantie für genügend Energie ist zwar nicht gegeben, aber ich habe selten eine leere Batterie angetroffen. Ich habe in meinen zwei Wochen die Powerbank kaum gebraucht und konnte das Smartphone fast pausenlos in den Hütten aufladen. Eine gute Powerbank ist sicher empfehlenswert. Eigene Solarpanels wie ich früher eins mitnahm, sind heute eigentlich praktisch überflüssig!

Wir unterhalten uns bis in den Abend mit dem jungen Schweden, als plötzlich die Türe aufgeht und der ältere Herr mit seiner Frau hereinkommt. „Dürfn wir uns zu eu neisitze?“ fragt er in breitem Schwarwald Schwäbisch. Rainer und Claudia sind beide 68 Jahre alt und sowas von energiebeladen und gesprächig, es ist echt eine Freude!
Sie sind auf dem Nordkalottleden, dachten aber, wieso nicht gerade vom Nordkap aus starten. Er ist mit knapp 30 Kg. auf dem Rücken unterwegs und sie auch mit satten 19 Kg. Wir können nur noch staunen. Während sie uns ihre wahnsinnigen Geschichten und Abenteuer erzählen, sieht man unseren Gesichtern alle an, dass wir dasselbe denken. „So möchte ich auch älter werden und noch soviel Energie haben!“ Wir sind total begeistert von den beiden, ihr riesiger Optimismus und ihre Zuversicht trotz schwerster Rückschläge im Leben, ist einfach nur bewundernswert. Wir schliessen die zwei sehr schnell ins Herz! Und es sind genau diese Begegnungen, die genau so wichtig und tief gehen, wie die wunderschönen Landschaften, die Leistung die man Tag für Tag erbringt. So muss es sein!

Tagestracking auf Relive.com (Link)

Sonntag 4.9.

Beim Frühstück sind Rainer und Claudia immer noch ein Thema bei uns und wir können es uns nicht verkneifen, sie ein bisschen als Vorbilder zu sehen! Aber wir machen uns gerade auch etwas Sorgen um die beiden, da in Cáihnavággi heute und morgen Schnee angesagt ist und das ist auf den Blockfeldern nun alles andere als ideal! Der Schwede wird ebenfalls dort hinaufgehen und verabschiedet sich denn auch kurz nach dem Frühstück.

Rainer und Claudia kommen schon bald zur Türe rein und teilen uns mit, dass sie die Hütte wechseln und hier in die kleine einziehen werden. Sie bleiben in Cunojaure und wollen das schlechte Wetter aussitzen. Zu Essen haben sie ja bei 49 Kilogramm Gepäck sicher genug dabei!
Als wir bereit zum gehen sind, verabschieden wir uns von den beiden. Es ist fast wie ein Abschied unter alten Freunden. Umarmungen und ein Versprechen, dass wir uns auf alle Fälle wiedersehen werden. Das haben wir uns gegenseitig versprochen, denn schliesslich ist der Feldberg und Zürich/Winterthur nicht so weit voneinander entfernt.

Abschied auf Zeit 🙂

Rainer und Claudia: Vielen herzlichen Dank euch beiden für die schöne Zeit in Cunojaure. Es hat echt Spass gemacht mit euch und wir freuen uns sehr, euch wieder zu sehen.
Wir hoffen euch ist es noch gut ergangen!
Und Rainer: Das Fliegerschiessen auf der Axalp ist versprochene Sache 😉

Für uns wird es jetzt Zeit aufzubrechen. Die Prognosen waren einiges optimistischer was das Wetter angeht, aber ich kenne es hier mittlerweile gut. Es ändert sich fast andauernd und kaum hat man die Regenjacke an, scheint die Sonne und wenn man schwitzt und sich wieder von der Jacke entledigt, wird man kurzerhand von einem Schauer geduscht. Heute ist genau so ein Tag. Dafür bietet dieses Wetter ein wahres Spektakel an Regenbogen!

Brücke über den Sealggajohka
Rudi schaut gelassen zu…

Bevor wir uns über den Sealggapass ins Oallavággi Tal begeben, gehen unsere Blicke über das türkisblaue, raue Wasser des Sees Seallajávrj.

Blick zurück nach Cunojaure

Nach dem Passübergang, kommen wir langsam in die Meeresströmung und der Wind beginnt ziemlich ungemütlich zu werden. Aber wir haben am Ausgang des Oallavággi noch einen Joker, die DNT Nothütte Oallavagge, dort können wir uns sicher etwas aufwärmen.

Oallavagge

Ich bin mächtig gespannt auf die neue Nothütte. Letztes Jahr haben sie gerade die Fundamente gemacht und diesen Juni wurde sie per Schwerlasthubschrauber hinaufgeflogen. Die alte Hütte war zwar auch ganz gemütlich und diente ihrem Zweck ohne weiteres. Aber sie war alt und auch das mit dem heizen ging nicht mehr so gut. Im Oallavagge herrschen im Winter oft auch raue Verhältnisse, da muss eine Hütte schon was aushalten können. Nothütten sind nicht für das übernachten vorgesehen, sondern wie der Name schon sagt, eine Zuflucht wenn das Wetter plötzlich umschlägt. In der Regel hat es aber auch 2,3 Betten drin, einen Ofen und Holz und sogar einen Gasherd. Oallavagge hat seit Jahren auch noch eine kleine Zusatzhütte mit Toilette und Holzvorrat.

Als ich die Türe aufschliesse und eintrete, bleibt mir zuerst mal die Spucke weg!! Wow…was für eine tolle Hütte ist das denn? Sogar mit einem Doppelbett, insgesamt vier Betten, einer Küchenzeile mit Gasherd und ein funkelnagelneuer Jøtul Ofen!

Es ist schlicht das Paradies und es ist auch kein Wunder, dass sich hier auch schon die ersten Übernachtungsgäste im Buch eingetragen haben. Darunter vor kurzem sogar ein Schweizer, der Toni.

Tagesbesuch DNT

Auch wir tragen uns in das Protokollbuch ein, denn auch Tagesgäste haben die Pflicht, sich einzutragen und den Aufenthalt zu bezahlen. Es ist ein kleiner Obolus denn man beim DNT entrichtet, um etwas an all die Aufwände zur Pflege der Hütten, dem Transport von Holz und Gas im Winter per Motorschlitten und den Bau, beizutragen. Eigentlich ist es sogar zu wenig, um dem allem Rechnung zu tragen, was der DNT in diesem Land mit Freiwilligenarbeit leistet.
Es ist auch dieses Jahr wieder zuhauf zu beobachten, dass es für viele Leute einfach eine Selbstverständlichkeit ist, die Hütten und ihre Ressourcen zu nutzen und zwar Gratis und Franko. Die Schätzungen gehen heute von bis zu 30%! Schwarznutzung der DNT Hütten aus. Es ist müssig zu erläutern was ich von solchen Menschen halte!
Fast schon eine bodenlose Frechheit ist es, dies dann auch noch in den sozialen Medien zur Schau zu stellen und damit anzugeben, wie toll man es hier hat ohne was zu bezahlen. Das norwegische Hüttensystem entstammt aus einer Zeit, in der das Wort Vertrauen noch eine grosse Bedeutung hatte. Leider scheint dies für viele Menschen keine Bedeutung mehr zu haben, was mich sehr traurig und auch wütend macht. Das Resultat sind dann irgendwelche Reservationssysteme die nicht funktionieren, Sektionen die Hütten nur noch in der Hauptsaison inkl. Hüttenwart aufschliessen und notabene irgendwann höhere Preise, siehe Schweden und das STF System!
Denn schlussendlich gilt immer noch das Sprichwort:

Jeder Gast ist König, wenn er sich auch königlich benimmt!

Und herzlichen Dank den DNT Freiwilligen, die noch ein Paket Knäckebrot zurückgelassen haben, das gibt uns noch die nötige Energie nach Hunddalen!

Draussen bläst der Wind unvermindert und kurz nach der Hütte gibt es noch einen Bach zu queren. Der Bach stellt sich allerdings als kleinstes Übel heraus und so kämpfen wir uns mit viel Rückenwind, den Sattel zum Nordbergryggen hoch.

Auf dem Nordbergryggen
Blick nach Hunddalen runter

Als wir auf dem Nordbergryggen ankommen, dreht der Wind eindeutig und nun spüren wir den Einfluss vom Meer deutlich. Die letzten zwei Kilometer laufen wir im Eilzugstempo runter…die warme Hütte lockt!

Hunddalen

Die DNT Hütte Hunddalen war zu Beginn meiner Zeit in dieser Region kein Favorit. Heute mag ich die Hütten sehr, gerade weil ich auch die Umgebung besser kennengelernt habe und sie irgendwie auch hier hin passen. Oft ist es der Beginn einer Tour, wie jetzt aber auch das Ende einer Tour, dass ich mit dem Ort und den Hütten verbinde. Daher gibt es hier immer ein lachendes oder auch ein weinendes Auge.

Vor uns ist noch ein Wanderer eingetroffen, wir haben ihn schon von weitem gesehen. Erste Englischversuche haben aber schnell bei beiden Parteien ergeben, dass es in „Schwizerdütsch“ praktikabler ist. Es ist der Toni, jener Toni dessen Eintrag wir in Oallavagge gesehen haben. Er ist seit Wochen unterwegs, gestartet in Kilpisjärvi und jetzt noch auf einer Extrarunde im Narvikfjell.

Mit ihm verbringen wir hier noch einen gemütlichen Abend in der warmen Hüte, essen unsere letzten Reste aus dem Rucksack und geniessen nochmal das Zusammensein, bevor es morgen nach Narvik geht.

Mittlerweile passt der Fahrplan der schwedischen Staatsbahn wieder etwas besser ins Konzept, obwohl die Logik noch immer nicht ganz lesbar ist. So müssen wir morgen um 11.00 in Katterat sein, um den Zug nach Riksgränsen zu nehmen, dort eine halbe Stunde warten und dann den Zug zurück nach Katterat und Narvik nehmen. Warum dieser Zug nicht in Katterat anhalten kann, wird wohl wieder mal Kostengründe haben, nehme ich an. Aber immerhin, so kommen wir in absehbarer Zeit nach Narvik, wo ich heute auf dem Nordbergryggen mit ganz wenig Empfang, die beiden Zimmer im Scandic Hotel reserviert habe. Toni wird noch einen Tag in Hunddalen bleiben und dann übermorgen nach Narvik fahren.

Tagestracking auf Relive.com (Link)

Montag 5.9.

Heute ist Mels grosser Tag, sie hat Geburtstag auf der Tour! Schon am Morgen wird sie von Anja und mir geknuddelt und klar ist, heute ist ihr Tag und zur Feier des Tages, werden wir schon in ein paar Stunden, in der Towerbar des Scandic Narvik, ein schönes, kühles Glas Weisswein zusammen geniessen!
Aber es gibt noch eine Überraschung für Mel. Etwas wobei ich all meine Gewichtsberechnungen des Rucksacks über den Haufen geworfen habe! Denn seit der Schweiz befindet sich in meinen Rucksack ein Plastiksack, mit ein paar Geschenken aus der Heimat. Die eineinhalb Kilo habe ich sehr gerne für das strahlen in ihrem Gesicht mitgetragen und es freut uns alle, ihr hier einen schönen Start in den Tag zu gönnen!

Während der Nacht hat es ordentlich gegossen und gewindet. Die Temperaturen sind abgesackt und ich fürchte heute Morgen eine kleine Überraschung vor der Türe vorzufinden. Doch so schlimm ist es nicht, aber die Berge haben einen leichten Zuckerguss abbekommen.

Hunddalen

Wir frühstücken noch zusammen mit Toni und verabschieden uns dann auf den 10 Kilometer langen Lauf, über die Kraftwerkstrasse zum Bahnhof nach Katterat.

Für mich wird es langsam Zeit, Abschied vom Fjell zu nehmen und ich spüre eine leichte Wehmut in mir aufkommen. Gerade jetzt wo die Herbstfarben richtiggehend explodieren, wo die Gipfel der Berge leicht angezuckert sind und wo die Frauen zu einem absoluten Highlight der Tour, dem Dividalen, unterwegs sind.
Aber ich habe auch eine tiefe Zufriedenheit in mir und spüre dass ich sehr glücklich bin. Ich sage immer dass ich jedes Mal ein Stück Herz und Seele im Fjell zurücklasse wenn ich heimgehe. Und es ist immer wieder wunderschön, dass genau das auf mich wartet und mich empfängt, wenn ich zurückkehre. So wird es auch beim nächsten Mal wieder sein!

Norddalen in Sicht

Wir kommen zeitig an den Bahnhof und können uns im geheizten Aufenthaltsraum des verlassenen Bahnhofs etwas aufwärmen.

Danke Anja und Mel, es war grossartig mit euch!

Der Zug kommt pünktlich und auch das umsteigen in Riksgränsen geht reibungslos von statten. Vorbei am Rombaksfjorden geht es in 35 Minuten nach Narvik runter.

Rombaksbotn

Die Ankunft in Narvik ist oft nach so vielen Tagen im Fjell, wie ein Hammerschlag ins Gesicht. All die Leute, der Lärm, die Lichter und überall dieses heftige Gewusel. Für mich wird das wieder permanente Realität, für Anja und Mel nur ein kurzes Intermezzo, bevor es zurück ins Fjell auf ihren Weg ans Nordkap geht.

DNT Hütte Narvik
Redlich verdient und nochmals Happy Birthday Mel

Ein tolles Nachtessen, ein gemütlicher Abend und vor allem ein weiches, warmes Bett und die Dusche vollbehängt mit Handwäschekleider, geht der Tag zu Ende.

Tagestracking auf Relive.com (Link)

Den Ruhetag von Anja und Mel verbringe ich noch in Narvik und werde am nächsten Tag gemeinsam mit ihnen aufbrechen. Sie werden den Zug zurück nach Katterat nehmen, wo ihre Wanderung weitergeht und ich werde den Bus nach Tromsø nehmen. Eigentlich hätte ich noch 4 Tage in Tromsø verbringen wollen, doch das Wetter sieht schlecht aus und so entscheide ich mich, nach einem Tag in der Stadt, den Flug vorzuschieben.

Auf der anderen Seite

Der Abschied fällt mir schwer von den beiden, im speziellen natürlich von Anja. Es werden noch weitere 6-7 Wochen vergehen, bis ich sie wieder sehen werde. Die Erfahrung, mal auf der anderen Seite von NPL zu stehen, nicht auf Tour, sondern Zuhause warten, ist für mich eine überaus wichtige Erfahrung geworden. Ich habe es nie als Selbstverständlichkeit angesehen, den Partner zurückzulassen und habe für das immer meinen grössten Respekt gehabt. Doch wenn man auf Tour ist, erlebt man jeden Tag so viel, ist abgelenkt, ist vertieft in den täglichen Ablauf, so dass man immer wieder fast den Draht zum Daheimgebliebenen verliert. Jetzt erfahre ich genau das Gegenteil und bin ziemlich überwältigt über die Auswirkungen. Eine Erfahrung, die ich eigentlich jedem einmal zutrauen möchte, der jemanden Zuhause lässt über längere Zeit.
Ich hatte das riesige Glück, die Möglichkeit zu haben, Anja zweimal auf der Tour zu besuchen. Es war mir immer bewusst, dass dies auch auf Mel Auswirkungen haben wird. Auch sie hat einen Freund und nicht die Möglichkeit gehabt, ausser bei der Rückführung von Travis, ihn zwischendurch zu sehen. Ich habe das im Vorfeld mit Mel abgeklärt und mir war klar, dass ich nur hochgehe, wenn es für beide und das Umfeld stimmt.
Ich habe hier immer eine sehr grosse Unterstützung erfahren und dafür bin ich unendlich dankbar, dass werde ich dir nie vergessen Mel!

Aber es macht für mich heute nun vieles klarer, was auch die allfällige Tour 2024 angeht. Ich werde dies heute mit anderen Augen betrachten können, die Erfahrung einsetzen, die ich damit gemacht habe, zurückzubleiben.
Ich bin für das alles unendlich dankbar, vor allem dir Anja, Danke!

Was für eine schöne Ablenkung dass Toni auf dem gleichen Bus nach Tromsø ist wie ich. Die vier Stunden vergehen wie im Flug und wir sind auch noch im gleichen Hotel.

Da an meinem letzten Tag das Wetter die Überschreitung des Tromsdalstinden nicht möglich macht und es wohl nur einen kleinen Ausflug auf die Fløya, den Hausberg gibt, geniesse ich daneben einfach wieder meine norwegische Lieblingsstadt.

Die Stadt ist seit drei Jahren einem ziemlichen Infrastruktur Bauprogramm unterworfen, daher ist es gerade auf der Hauptperipherie etwas chaotisch, doch ich liebe sie einfach und freue mich schon auf das nächste Mal!

Tromsø

Auf der Fløya herrscht ein ziemlicher Sturm und es bläst mich fast aus den Schuhen. Die Stimmung ist einmalig schön und die Aussicht wie immer wunderschön.

Tromsdalstinden…..ich komme wieder!

Nachdem meine Frisur zwanzig Zentimeter länger ist, entscheide ich mich wieder runter in die Stadt zu gehen, aber……da war doch noch was….

2023 hat sich ein 59 jähriger Frühpensionär durch Norge på langs getanzt und schlussendlich auch in viele Herzen, mit seinem Humor, seinen kultigen Videos, seinen direkten und lustigen Sprüchen, seinen tiefen Emotionen, seiner übergrossen Dankbarkeit für all das Erlebte. Und eben, bei jeder Möglichkeit hat er aus purer Freude getanzt.
Anja und Mel haben es nachgemacht, auch der Christian konnte es und ich konnte mich bis zu diesem Zeitpunkt drücken…


Aber eigentlich hast du mehr als recht Peter, das ist einfach ein Fest hier oben und Freude soll ausgedrückt werden: Der ist für dich, trotz Sturm, talentfreien Tanzgenen und endlosen Versuchen die Technik in Gang zu bringen 😉