Teil 2/13 : Die Fortsetzung
Kurz vor Evje angekommen, entdecke ich an meinen beiden zweitgrössten Zehen Blasen unter den Nägeln. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich keinerlei Schmerzen oder eine Behinderung dadurch, alles verläuft normal. Als ich den „Schaden“ sehe wird mir aber bewusst, ich muss reagieren, denn eine Infektion wird die Tour wohl sehr schnell beenden. Es muss ein Arzt her der sich das Ganze mal ansehen kann, doch weit gefehlt, hier ist nirgendwo ein Arzt auf Abruf.
Ich telefoniere nach Nissedal zu meinen zwei guten Seelen, Rene, mein Schwiegervater, und Ella, welche dort in einer Hütte seit Jahren den Sommer verbringen. Dort ist auch mein erstes Depot stationiert und die weiteren zwei Depot Pakete warten auf den Versand. Sie bieten mir an mich abzuholen und gleich einen Termin im Gesundheitszentrum Treungen zu organisieren, in welchem zwei Ärzte tätig sind. Ich bin froh dass sich sehr schnell eine Lösung auftut und nehme diesen Vorschlag gerne an. Schon am nächsten Tag bin ich unterwegs nach Treungen. Nach einer dreistündigen Fahrt komme ich im Gesundheitszentrum an und werde sogleich untersucht. Der Arzt ist etwas erstaunt über meine Zehen und noch erstaunter über meine Tour, kann mich aber damit beruhigen, dass alles halb so schlimm ist und ich wohl in den nächsten Wochen zwei Zehennägel in Norwegen zurücklassen würde. Ich soll aber trotzdem Acht geben um einer Infektion vorzubeugen, diese könnte dann doch schwerwiegendere Folgen nach sich ziehen.
Ich nehme danach die Einladung sehr gerne an, in das zehn Minuten entfernte Nissedal zu fahren, um dort in der Hütte eine zweitägige Pause mit allerlei Schlemmereien einzulegen. Geplant war eigentlich von Evje über das Åmli zum Nissersee zu gelangen, dies in einem unbekannten Gelände ohne jegliche Wege oder Wegweiser. Rund drei Tage waren eingeplant um diese Strecke zu laufen um dann danach in Nissedal wieder Material an „Bord“ zu nehmen. Nun kann ich sogar etwas hier lassen und etwas leichter diesen Weg gehen, da ich ja danach wieder hier zurückkommen werde. Die Rückfahrt nach Evje werde ich in den nächsten zwei Tagen organisieren.
Hütte Elgstein in Nissedal und die Nebenwirkungen des Hüttenlebens, siehe unten….
Am ersten Abend in der Hütte, checke ich die Wettersituation für die nächsten Tage und bin sehr erstaunt, als ich sehe dass da wohl etwas grösseres, sehr schnell im Anzug ist. Bis gestern waren die Prognosen noch sehr positiv, doch jetzt lese ich da etwas von Sturm mit Orkanböen und Schneefall bis ganz runter. Am nächsten Tag ist dann definitiv die Hölle los, Schnee und Windböen bis 100 Km/h. lassen mich doch leer schlucken. „Zehen“ sei Dank bin ich hier und nicht irgendwo auf 1000 Meter über Meer, auf einem extrem durchweichten Fjell mit meinem Ultraleicht Zelt ! Ich habe eigentlich erst im Norden mit der Möglichkeit solcher Wetterlagen gerechnet und nicht hier im Süden. Das hätte ganz schön ungemütlich werden können, der Arztbesuch hat Schlimmeres verhindert, ich bin wirklich froh darüber und doch….. wie soll das jetzt weiter gehen ?
Auch der zweite Tag ist nicht wirklich besser und es wird mir schnell klar, mein Plan mit diesem geplanten Weg über das Fjell, wird nicht funktionieren. Ich will aber unbedingt über Vrådal nach Rjukan gelangen, denn die Westseite der Hardangervidda über Hovden und Haukeli ist zu dieser Jahreszeit indiskutabel. Aber nach Evje zurückfahren und dann die 140 Km. der Strasse entlang laufen um nach fünf Tagen wieder hier zu landen, wie blöd ist das denn? Bei meiner Entzündung im rechten Bein, welche zweifelsohne vom Laufen auf Asphalt herrührt, würde dies wohl auch gleich das Aus bedeuten! Quizfrage, was nun? Muss ich also schon nach der ersten Woche auf meinen roten, ununterbrochenen Strich durch Norwegen verzichten müssen? Doch für wen soll denn dieser Strich sein, für mich? Definitiv nein, mein Plan ist es an das Nordkap zu laufen und das will ich nun auch machen!
Am Nationalfeiertag der Norweger, am 17. Mai, wird sich ein einigermassen gutes Wetterfenster aufmachen, dies kann mich in vier Tagen bis nach Rjukan bringen. Den Weg plane ich via Vrådal nach Morgedal und dann querfeldein zum grossen Sundsbarmvatn Stausee von wo ich nach Åmotsdal gelangen kann. Via Svartdalshejane kann ich dann Rjukan ins Auge fassen, dieser Weg ist allerdings noch etwas mit Schnee belegt und hält noch ein paar Fragezeichen offen.
Auf geht`s gen Norden!
Nach einem Umtrunk in Vrådal zum 17. Mai (zum Glück kann ich mich rechtzeitig loseisen dort 😉 ) erreiche ich nach etwas über 40 Kilometer das Ski Museum in Morgedal. Dort bekomme ich trotz geschlossenem Campingplatz, eine kleine Hütte. Dieser Tag verläuft zum guten Glück ohne weitere Beschwerden, was mich wieder zuversichtlich macht, denn jetzt kommen drei Etappen mehrheitlich abseits der Strassen, dies wird um einiges angenehmer zum laufen zu sein. Die Wetterprognosen sehen auch noch recht positiv aus, ich kann es wohl wagen auf 1000 Meter über Meer zu gehen um den direkten Weg nach Rjukan zu nehmen.
Der Weg ist nun definitiv zu Ende und das Gelände mehr ein See als Wiese.
Eine Zeltübernachtung inmitten von Baumaschinen, aber leider der einzige Platz der nicht unter Wasser steht.
Wiederum sind über 40 Kilometer in den Beinen und die Nachtruhe ist mehr als verdient. Am morgen weckt mich dann das Grollen eines Gewitters… Gewitter??? Unmöglich denke ich, aber es ist wirklich eines, denn die Temperaturen haben sich innerhalb von 24 Std. von 2-3 Grad bis über 20 Grad hochgearbeitet. Dass ich inmitten von Tonnen von Stahl sitze, beruhigt mich nun nicht wirklich, aber das Gewitter scheint Erbarmen mit mir zu haben und zieht an mir vorbei.
Schon wieder das Wetter …………..Teil 3/13 : Der Umweg