Teil 5/15 : Polarkreis in Sicht


Schon kurz nach der Strasse, der T-markierte Wanderweg verlief entlang des Spjeltfjellelva Bachs, stieg der Weg steil an. Der Pfad zog dem Südwestgrat des Artfjellet bis auf 800 Höhenmeter hoch. War der Aufsteig noch von vielen Nebelschwaden begleitet, zeigten sich plötzlich immer mehr Löcher in der Nebelwand. Kari hat am Vorabend überaus begeistert vom Spjeltfjelldalen erzählt, es sei wohl das schönste Tal überhaupt in Norwegen. Nun schien sich meine Taktik der kürzeren Etappen voll auszuzahlen. Das Wetter wurde auf den Punkt genau, hier im Spjeltfjelldalen immer besser.

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Spjeltfjellelva

Die Anstrengung steil hochzusteigen, zahlte sich aus, und wie ! Eine unglaubliche Szenerie tat sich vor mir auf….

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Spjeltfjelldalen

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Okstindan Gebirge ( in der Mitte der Oksskolten, mit 1916 MüM der höchste Nordnorweger )

Das riesige Tal lag ausgebreitet vor mir und als westlicher Abschluss krönte das Okstindan Gebirge mit seinen Schneegipfeln. 2013 war es mein Plan, über den Nordgrat den höchsten Nordnorweger, den Oksskolten zu besteigen. Damals war es schlechtes Wetter und meine Entzündung, welche das angestrebte Ziel verhinderte. 2015 sollte ich also nochmals eine Chance hierfür kriegen, doch……..schon von weitem war zu sehen, dass die Schneemassen dies 2015 nicht zulassen würden. Mit dem Fernglas waren die messerscharfen Schneewechten am Gipfelgrat gut zu sehen. Ein technisch einfacher Gipfelgrat wurde somit ohne Steigeisen und Pickel nicht besteigbar. Angesichts der phänomenalen Aussicht, war die Enttäuschung nur halb so gross. Irgendwie hatte ich die letzten Tage schon fast damit gerechnet.

Der erste Teil des Weges verlief dem Westhang des Artfjellets entlang. Dieser Hang war etwas mehr als 30% geneigt und voller Schneefelder. Eine doch etwas delikate Aufgabe wartete nun auf mich, denn ein abrutschen hier hätte fatale Folgen. Mit dem ganzen Gewicht in so steilem Gelände, auf gefrorenem Schnee abzurutschen und 50 Meter weiter unten im Geröllfeld zu landen, schien mir keine gute Idee. So vorsichtig wie möglich, tastete ich mich die rund 3 Kilometer vor, bis das Gelände weniger steil und auch die Schneefelder weniger wurden.

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Bessedørtinden, Okshornet, Oksskolten

Das Gelände wurde nun immer flacher und schon bald traf ich auf die Balskota Schutzhütte. Knapp mehr als die Hälfte der Tagesetappe war zurückgelegt.

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Balskota

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Okstindan Gebirge

Doch wo war eigentlich Øyvind? Nach dem Børgefjell war er mit seinen Freunden in die nächste Stadt mitgefahren um neue Schuhe zu organisieren. ( Das Børgefjell schien ein Schuhkiller zu sein ). Durch meine Abkürzung und den Weg über Hattfjelldal, hatte ich ihn wieder überholt. Doch Øyvind wäre nicht Øyvind, wenn er diesen Rückstand problemlos wieder wettmachen würde. In einem Wahnsinnslauf von 55 Kilometer tags zuvor, lief er tatsächlich von der Krutvasshütte bis zur Gressvasshütte. Für was ich 3 Tage benötigte, erledigte er in einem Tag! Sein deutscher „Mitläufer“ welcher er auf der Fähre getroffen hatte, war nun mit ihm unterwegs. Während ich also in Steikvasselv gård das schöne Leben frönte, rannte er buchstäblich an mir vorbei.

Ich nahm es weiterhin gemütlich und genoss das immer schöner werdende Wetter. Die Landschaft war sehr lieblich und doch, in Anwesenheit der Berge, etwas Alpin. Richtung Gressvasshütte, schossen dicke Nebelschwaden über den Hügel, eine starke und kalte Bise frischte immer mehr auf.

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Nebel im Anzug. Richtung Gressvasshütte

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Je näher ich dem Nebel kam, wurde es immer kälter und stürmischer. Der Weg war im Schnee nicht mehr zu erkennen und schon bald war ich dick eingehüllt von weissen, dichten Schwaden. Nur mit GPS fand ich mich einigermassen zurecht und fand dann nach rund 7 Stunden die komplett neu aufgebaute Gressvasshytta DNT.

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Gressvasshytta DNT

Was für eine super Hütte !! Zur Tür rein und schon erwartete mich wohlige Wärme. Es war niemand mehr da, aber laut Hüttenbuch war der Hüttenwart kaum zur Türe raus als ich ankam. Im Buch entdeckte ich nun tatsächlich den Eintrag von Øyvind und Christoph, welche am Morgen hier aufgebrochen waren.

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Gressvasshytta DNT

Es ist schlicht unglaublich was hier der DNT für tolle Hütten zu bieten hat. Im ganzen Land betritt man Hütten in einer Qualität, bei welchen kaum ein Hotel mithalten kann. Das besondere an den Einrichtungen ist, dass viele Freiwillige diese Hütten betreuen und pflegen. Zum Teil werden die Hütten wie Ferienhäuser gehalten und weisen einen privaten, gemütlichen Charme auf. Sofas, tolle Jøtul Öfen, Küchen welche hervorragend eingerichtet sind, Gas, Wasser meist unmittelbar in Hüttennähe ist üblich. Zum Schlafen braucht es bloss einen Seidenschlafsack, „nordisch“ ist hier Standart ! Aber es sind dann auch die vielen kleinen Details, wie Bilder, Fotos, Bücher und Hefte in welchen gemütliche Hüttenausflüge beschrieben sind. In jeder Hütte steckt ein grosser Teil Persönlichkeit drin.

Infos hierzu in Deutsch : Hüttenwandern oder die DNT Homepage

Draussen tobte ein veritabler Sturmwind, da kam mir solch eine gemütliche Hütte nur gerade richtig. Am Abend schossen mir viele Gedanken durch den Kopf, die Erinnerungen an 2013 waren hier so präsent, wie wenn es gestern gewesen wäre. Ich würde am nächsten Tag, also nun den gleichen Weg wie 2013 nach Umbukta gehen und das mit dem gleichen Plan wie damals….Norge på langs !

Es ist 6.00 als ich aus dem gemütlichen, warmen Bett stieg. Draussen blies der Wind unvermittelt mit der gleichen Stärke wie tags zuvor, und das Thermometer zeigte gerade mal 1 ° C an. Brrrr…… das würde eine eisige Sache, doch die Wetterprognosen verhiessen für den Tag eine massive Verbesserung und rund 15 ° C mehr. Die nächsten Tage sollten sich deutlich zur Sommernormalität verschieben, naja…. hoffen konnte man ja !

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Gressvatnet

Beim Oksfjell Bach teilte sich der Weg. Mein Weg führte nach Umbukta, der andere würde zur Kjenvasshütte führen, dies war meine letzte DNT Hütte 2013. Und, dieser Weg würde auch zum Einstieg zum Okskolten Gipfel führen. Nun musste der Berg also nochmals warten. Der Blick auf den Gressvatnet Stausee liess erkennen, dass der Seepegel deutlich unter dem Normalstand war. Was für ein Stück Glück, denn der markierte Pfad zum Damm würde eigentlich entlang des Ufers führen. Und dieser Weg lag direkt unter dem steil abfallenden Ridaren Bergrücken, an welchem noch riesige Massen Lawinenschnees lagen. Hinzu kamen grosse Bäche,welche ein Vorwärtskommen enorm erschweren würden. So konnte ich in den sandigen und steinigen, entwässerten Seegürtel runtergehen, in welchem das Laufen um einiges leichter war.

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Gressvatnet

Der Wind pfiff um die Ohren und es war eisig kalt. Doch ich konnte mir nichts schöneres vorstellen, als hier zu Fuss unterwegs zu sein. Dieses 1 zu 1 werden mit der Natur, das Knirschen unter den Füssen, der Wind der am Körper zerrt und das Gefühl der totalen Einsammkeit in dieser gewaltigen Landschaft.

Die Fussspuren der beiden anderen vom Vortag, waren noch deutlich zu sehen. Sie hatten die gleich Idee gehabt. Und schon nach gut eineinhalb Stunden, stand ich hinter der Dammkrone.

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Gressvatnet Staudamm

Bis vor ein paar Jahren, war es noch strengstens verboten den Damm zu überschreiten. Man musste einen fast 1 stündigen Umweg machen, um in das Storskardettal nach Umbukta zu gelangen. Irgendwann nahm aber wahrscheinlich das Überschreiten des Damms immer mehr zu und die Verantwortlichen liessen vom Verbot ab. Der Damm wird aus Mo I Rana kontrolliert und überwacht, und so wird man hier überall von Kameras beobachtet. Es wurde mir sogar erzählt, dass sich die Kontrolleure oft den Spass erlauben die Wanderer über eine Aussensprechanlage zu erschrecken, also Vorsicht !  😉

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Blick zurück über den Gressvatnet

Als ich den Damm überquerte, ging mein Blick westwärts Richtung Kjennvatnet See und Tverråtal. Und es schien wie wenn es gestern war, als ich 2013 dort am Ausgang des Tverråtal sass und pausierte. All die Erinnerungen kamen in mir hoch, als ich mit meinen Problemen haderte und doch nicht ans aufgeben denken wollte. Und doch ahnte ich wahrscheinlich schon dort, dass es in Umbukta wohl zu Ende ging mit meiner Tour. Es schüttelte mich und die Gefühle übernahmen die Kontrolle über meine Gedanken….

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Kjennvatnet und Blick Richtung Tverråtal

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2013: Kjennvatnet, im Hintergrund der Gressvatnet mit Damm

Schnell wurde ich durch das glitschige Blockgelände am Steinkota abgelenkt. Irgendwie war es unglaublich, es herrschte doch tatsächlich das exakt gleiche Wetter wie 2013 ! Es war kalt, neblig und es nieselte. Über die Flechten behangenen Felsen war das Laufen nicht gerade angenehm und ich musste höllisch aufpassen. Und dann stand ich plötzlich auf dem T-markierten Wanderweg nach Umbukta…

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Der Weg nach Umbukta

Ich zog meinen Rucksack ab und schrie meine ganze Anspannung aus dem Leib. Was für ein Gefühl, nach fast 26 Monaten wieder hier zu stehen !!! Ich war perfekt unterwegs, ich war absolut gesund und topmotiviert. Wie sagte Arnie schon….. i`ll be back ! Und ich war es !

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Storskardet Tal

Doch eines liess mich doch etwas ärgerlich werden. Da kommt man nach 2 Jahren hier hin zurück und hofft dann mal, dieses wunderschöne Storskardet Tal zu sehen und was ist jetzt ???? Das selbige Schei…wetter ! Ich hatte das Lachen wieder gefunden und ich tanzte schon fast durch das Tal, die Wehmut war vom Winde verweht……..

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Grasfjellkoja

Schneller als erwartet stand ich vor der Grasfjellkoja DNT, einer kleinen Schutzhütte auf halbem Weg nach Umbukta. Im Hüttenbuch fand ich dann auch meinen Eintrag von 2013. Ich schien tatsächlich noch irgendwie an eine Fortsetzung zu glauben……

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Eintrag im Hüttenbuch von 2013

Nach einer kleinen Pause, trat ich vor die Türe und…….. Norwegen schien mir diesen Tag wirklich noch zu versüssen. Die Wolken hatten aufgerissen!

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Storakersvatnet

Was für ein Vergleich zwischen 2013 und 2015……

Eigentlich befürchtete ich, dass sich die fast 30 Kilometer nach Umbukta in die Länge ziehen würden, doch die Kilometer flogen nur so an mir vorbei. Ich empfand es absolut nicht als Strapaze hier nochmals durchzulaufen, im Gegenteil !

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Noch links um das Rundfjellet und schon in Umbukta

Nach dem Rundfjellet erwartete mich nur noch das Umbuktamoor. Doch das hatte es in sich ! Nicht etwa wegen dem Weg, der war schon 2013 gut, sondern wegen den kleinen, schwarzen, beflügelten Biestern mit ihrem Saugrüssel! 2013 hatten mich die Viecher beinahe aufgefressen und ich war nicht darauf vorbereitet gewesen. Dieses Mal wollte ich es diesen Teufeln aber zeigen. Gut eingekleidet mit Moskitospray und Moskitonetz, brauchten sich die Dinger keine Hoffnung auf mich machen……… Doch, wo waren sie ??? Dieses Jahr war ich ja schon des öfteren überrascht worden, wie wenig Mücken unterwegs waren, doch hier sah, hörte und fühlte ich nicht eine einzige !! Schneefall bis fast Ende Mai, ein kalter Sommerstart und vor kurzem noch gefrierende Nächte waren wohl zuviel für die possierlichen Tierchen. Ich war nicht wirklich traurig über diese Tatsache, wirklich nicht.

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Umbukta in Sicht

Und so kam ich unbeheligt durch das Moor und erblickte nach dem Høgelimyra, die Strasse E 12 und die dutzenden, aneinander gereihten Skidoo – Garagen welche eingangs von Umbukta unschön in der Landschaft stehen. ( Ein Bild dass sich immer wiederholt, wenn man an die Schwedisch-Norwegische Grenze kommt und eine Grossstrasse vorbeiführt. Die Norweger haben ein restriktives Umweltschutz Gesetz, dass grosse Einschränkungen für motorisierte Fahrzeuge abseits der Strassen und Wege vorsieht. Eine Tatsache die in der Bevölkerung grossen Zuspruch hat. Die Schweden lassen hier einiges mehr zu. Daher parkieren die Norweger gerne ihre Skidoos und Quads an der Grenze, um dann in Schweden ihrer Leidenschaft zu frönen. Auch so kann Umweltschutz gehen 😉 ).

Nun stehe ich auf dem Asphalt und ein Jodler nach dem anderen ertönt über die Strasse Richtung Umbukta Fjellstue ( http://www.umbuktafjellstue.no/ ). Ich habe es geschafft, was für ein gewaltiges Gefühl !!!

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Umbukta Fjellstue

Genau 16 Tage habe ich gebraucht von der Skjækerdalshütte bis hierhin, Wahnsinn ! Geplant hatte ich glatt 5 Tage mehr und ich hatte auch noch einen Ruhetag in Røyrvik. Nie hatte ich das Gefühl zu schnell unterwegs zu sein, das Tempo war perfekt so. Nicht ganz unnütz, hatte ich doch meine Routenplanung dieses Mal etwas grosszügiger angelegt, dies kam mir nun sehr positiv entgegen.

Umbukta

Ich trat in das Restaurant ein und Maria schaute mich mit grossen Augen an “ den kenn ich doch ? „. Ich sah es ihr gleich an. Schnell war aber der Zwanziger gefallen und sie begrüsste mich überschwenglich. Schon kam Sølve der gute „Hausgeist“ der Fjellstue um die Ecke ein lautes „Hipphipphurra“ erschallte durch das Haus. Was für eine Willkommensfreude. Beide hatten 2013 meine Geschichte nur zu gut mitbekommen und haben mich damals wirklich unglaublich nett getröstet. Nun waren sie riesig froh, dass ich es hier hin zurück geschafft hatte. Auch Thor Inge, der Besitzer und zweimalige Norge på langs Läufer, stand plötzlich da und begrüsste mich sehr herzlich. Er, der normalerweise am Wochenende nicht in der Stube ist, hat es sich nicht nehmen lassen mich trotzdem zu treffen. Wir hatten uns 2013 leider verpasst. Er hatte meinen Weg im Internet verfolgt und wusste, dass ich heute hier eintreffen würde.

Maria hatte mittlerweile 2 unglaublich grosse Hamburger auf`s Feuer gelegt und Sølve zapfte ein eiskaltes, frisches Bier an. Paradies hier bin ich 🙂 Mein Plan war, hier mein 2. Depot zu verstauen, einen Ruhetag einzulegen und mit Thor Inge meinen Weiterweg anzuschauen. Denn Umbukta und seine Berge im Norden, hatten im Mai genauso wie der Rest Mittelnorwegens mehr als genug Schnee abbekommen. Ich entschloss mich, auch hier einen Ruhetag einzulegen. Zeit hatte ich genug und mein Körper konnte den Tag sicher gut gebrauchen. Am Abend sass ich mit Thor Inge zusammen und wir schauten uns die Möglichkeiten an. Die Sauvasshütte DNT, welche knapp 3 Stunden von Umbukta entfernt ist, liegt auf knapp 1000 Höhenmetern. Dahinter folgt ein Pass, der sich nochmals 200 Meter höher befindet. Dass hier noch viel Schnee liegen würde, war mehr als klar. Doch war es überhaupt begehbar ? Thor Inge wollte an meinem Ruhetag mit Sølve hochgehen, um bei der Hütte nach dem rechten zu schauen. Das war ja schon mal ein riesen Vorteil für mich. Und, Thor Inge erzählte mir noch von einer Variante, welche 10 Kilometer südlich auf der schwedischen Seite möglich wäre. Ein markierter Weg, welcher mich auf geringer Höhe bis zur Kvitsteindalstunethütte DNT bringen würde. Diese Hütte wäre sowieso die nächste nach der Sauvasshütte gewesen. Obwohl ich die Variante über die Sauvassberge vorziehen würde, hatte ich nun eine tolle Alternative. Mein norwegischer NPL Kollege hatte am sich Vortag ganz anders entschieden. Er war Richtung Mo I Rana gelaufen und dann quer über das Fjell zur Hauptstrasse E 6. Doch sein Tracking zeigte ein heilloses Zickzack, das war mit Sicherheit keine so gute Idee!

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Meine Esskur zeigte schon bald Wirkung. Die Energie flog mir an meinem Ruhetag förmlich zu. Thor Inge war mittlerweile vom Berg runtergekommen und erzählte mir, dass der Weg komplett schneebedeckt sei. Es sei guter Trittschnee gewesen, doch das könnte sich sehr bald ändern mit diesen Temperaturen. Eine Abkühlung über Nacht würde es ja nicht geben, denn um 23.30 ging die Sonne unter und um 2.00 wieder auf. Schliesslich war ich hier, Mitte Juli, keine 100 Kilometer Luftlinie vom Polarkreis entfernt. Damit entschied ich mich, am nächsten Tag den Weg über das schwedische Mjölkbäcken zu nehmen.

Es wurde ein langer Abschied von Umbukta. Diese Fjellstation hatte sich mittlerweile in mein Herz eingenistet. Ich hätte wohl nie daran geglaubt, als ich hier vor über 10 Jahren, auf dem Weg zu den Lofoten mit dem Auto durchfuhr ! Sølve brachte mich mit dem Auto zu der 4 Kilometer entfernten Grenze zum Matbussen.

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Findige Schweden hatten sich einen alten Trolleybus gekauft, zum Warenhaus umgebaut und stellen sich nun 4 Tage die Woche an die Grenze zu Norwegen und verkaufen dort wesentlich billigere EU Waren. Mehrheitlich besteht das Sortiment aus Süssigkeiten, welche in Norwegen schweineteuer sind. Doch das eine oder andere Stück Trockenfleisch, Büchsengetränk und sonstiges ist doch sehr billig zu erhalten.

Nach dem Einkauf, wollte ich mich von Sølve verabschieden, doch der Kerl wollte mich die rund 8 Kilometer zum Wanderweg nicht gehen lassen. Ich hätte ihn wohl zutiefst beleidigt, wenn ich sein Taxi Angebot nicht angenommen hätte. Und so fuhr mich der gute Mann bis nach Mjölkbäcken.

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Wir beide hatten Tränen in den Augen als wir uns verabschiedeten. Was für herzensguter Kerl er doch ist, immer hilfsbereit, interessiert und fröhlich. Ich hoffe doch sehr, irgendwann wieder dorthin zurückzukehren !

Und dann ging es los. Über einen wunderschönen, markierten Wanderpfad zog der Weg durch die schwedische Landschaft.

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Okstindan Gebirge

Im Rücken erstrahlte das weisse Okstindan Gebirge und der knallblaue Himmel und die gut 20°C liessen wahre Wanderhochgenüsse emporsteigen. Gemütlich zog sich die 6 stündige Wanderung durch das schwedische Fjell, über die Grenze zurück nach Norwegen.

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Für Schweden typisch…… Plankenwege

https://vimeo.com/163922936

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Grenzübertritt am Lil Uman See

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Blick ins Kvepsendalen. Weg für den nächsten Tag

Die Kvitsteindalstunet DNT Hütte wurde gerade erneuert, daher war nur die kleine Hütte benützbar. Es war nicht wirklich überraschend dass ich hier alleine war, daher zog ich gleich in die Hütte ein und konnte mich dort ausbreiten. Draussen war nun tatsächlich Flugwetter und die lästigen Biester nervten !

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Der hochgehende Litlumelva Fluss

Der Weiterweg in die 22 Kilometer entfernte Virvasshütte hing jetzt etwas vom Zustand der Brücke ab, welche den Litlumelva überquerte. Der Bach war sehr hochgehend und ein Waten wäre wohl sehr heikel geworden. Thor Inge hatte mich noch davor gewarnt, dass die Brücke im Herbst fortgeschwemmt wurde und vielleicht noch nicht erneuert war.

Doch die Sorgen erwiesen sich am Morgen als unberechtigt. Die neue Brücke stand und dem Weiterweg stand nichts im Wege.

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Das schneebedeckte Saufjellet

Ein absoluter Knallertag erwartete mich. Topwetter und herrlich frische Luft. Über das Djupvasskardbekken ging der Weg Richtung Kvepsendalen. Im Hintergrund waren die schneebedeckten Hügel von Sauvass zu sehen. Es war mit Sicherheit ein guter Entscheid gewesen, dort nicht rüberzulaufen.

Als die Virvasshütte DNT  in Sicht kam, waren noch Leute an der Hütte. Als ich ankam, waren schon alle wieder verschwunden. Ich betrat die riesige Hütte und wurde zuerst einmal von Millionen von Mücken empfangen. Draussen herrschten Sturmwinde und die Leute, welche drei Tage dort waren, hatten wohl die ganze Zeit alles offen gelassen. Nun, auch die Mücken schätzen den Wind nicht, also rein in die gute Stube. Zum Glück fand ich ein kleines, mückenloses Zimmerchen. Der eiskalte Wind peitschte über die Fläche vor der Hütte. Zelten wäre wohl eine ziemlich lärmige Angelegenheit geworden.

Es war ein absolut genialer Wandertag gewesen. Leichtes Terrain, guter Weg, perfektes Wetter und eine bombastisch schöne Landschaft. Die Wetteraussichten für die nächsten Tage meldeten etwas durchzogenes Wetter und wieder sehr kühle Temperaturen. Dies war mir allerdings recht, den die rund 10-12°C sind für mich absolut bestes Laufwetter. Der Weiterweg Richtung Dunderdalen (das Hauptverkehrstal mit der Hauptstrasse E6 und der Eisenbahnlinie)  und die Bolna Hütte, führte mich nun wieder auf über tausend Höhenmeter. Wieder kam ich in den Genuss des enorm schneereichen Sommers 2015. Allerdings, je weiter nördlich ich vorstiess und solange die Temperaturen immer wieder in den Keller fielen, war der Schnee oftmals jetzt gut zu laufen.

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Virvatnet

Es war bedeckt und windig, als ich die Virvasshütte verliess. Der ausgezeichnete Weg zog auf`s Virvassfjellet hoch, begleitet von hunderter Rentiere.

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Virvassdalen

Wenn zwei DNT Hütten weiter als 20 Kilometer auseinanderliegen, werden oftmals eine oder 2 Schutzhütten unterwegs an den Weg gebaut. Die Hütten sind klein, aber bestens eingerichtet mit Ofen und Feuerholz. Es hat Pritschen und einen Tisch. Die Hütten sind zwar nicht für die Übernachtung gedacht, im Notfall aber sicher bestens geeignet, hier an der Wärme zu nächtigen.

In der Corraskoia DNT Schutzhütte machte ich einen grösseren Rast, bevor es hoch ins komplett schneebedeckte Fjell ging. Zum Glück kam die Nebeldecke nicht ganz auf den Boden runter und so war die Navigation doch einiges einfacher.

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Die Wegmarkierungen schauten schon etwas hervor

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Der mystische Auronasa

Als ich so über das Fjell lief, verspürte ich plötzlich ein eigenartiges Gefühl. Ich hatte das Gefühl, dass mich seit einiger Zeit jemand verfolgte. „Stumpfsinn“ sagte ich mir, hier ist niemand und es war auch nichts zu hören oder zu sehen. Und doch, das Gefühl wurde immer stärker…….ich wurde immer unruhiger! “ Na gut…. wenn es Dich beruhigt, dann schau halt nach “ dachte ich, stellte meinen Rucksack ab und lief ein paar hundert Meter zurück. Und tatsächlich !! Neben meinen Spuren war da plötzlich eine zweite Spur, die vorher nicht da war……

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Wolf !

Ein einzelner Wolf schien mich zu verfolgen ! Die Spur war handtellergross, es musste also ein recht kapitaler Bursche sein. Doch wo war er ? Ich beobachtete die Gegend in die die Spur verschwand, doch es war absolut nichts zu sehen. Ich wollte das Tier aber nicht stören und lief zurück zu meinem Rucksack. “ Wow…. was für ein Erlebniss “ dachte ich, ich hatte eine grosse Freude so etwas mitzuerleben. Ihn zu sehen, das wär jetzt was, doch da es momentan ein Einzeltier sein musste, würde er oder sie wohl auch übervorsichtig sein. Das Gefühl blieb aber weiterhin. Nach einer guten 3/4 Std. praktizierte ich nochmals dasselbe. Ich stellte den Rucksack ab und lief wieder zurück. Unglaublich, der Wolf schien mich tatsächlich zu begleiten. Erst nach etwa 2 Stunden, als ich vom Fjell hinunterstieg, spürte ich, dass das Tier wohl weg sein musste. Phantastisch wie sogar der eigene Instinkt in dieser überwältigenden Natur plötzlich wieder zu funktionieren schien. Ein Erlebniss dass mich wirklich unglaublich beeindruckte.

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Blick über das Andfjellbekken

Der Schnee wurde weniger und die Zivilisation nahm langsam wieder zu!

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Aus Simons Buch ( Norwegen der Länge nach ) ,war mir das Kraftwerk mit den Entlüftungslöchern schon bekannt. Hier sollte man sich nicht zu Nahe an die Löcher begeben, da es gewaltige Entlüftungsexplosionen geben konnte. Das Buch von Simon war mir mittlerweile ein treuer Begleiter geworden. Er hatte mir kurz vor dem Abflug nach Norwegen, die elektronische Datei eines Exemplares zukommen lassen. Die Buchpräsentation fand statt, als ich in Umbukta war. Für mich war das eine grosse Ehre und ich verschlang seine Geschichte praktisch in einem Zug. Ich entwickelte nun jeden Tag ein kleines Ritual. Da wir beide praktisch die gleiche Routenführung hatten, lief ich die Etappe, und am Abend las ich dann in seinem Buch nach, wie es ihm auf dieser Etappe erging. Dies ergab dann immer wieder kuriose und zum Teil witzige Parallelen.Was mich natürlich sehr freute war, dass ich auch auf der Tour direkt mit ihm im Kontakt sein konnte.

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Randalselva

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Am Horizont das Dunderdalen

Die Zivilisation hatte mich wieder. Nach einem rund 2 stündigen Lauf über eine Schotterstrasse, stieg ich hinunter zur Bolnastua DNT.  Da die Hütte gleich an der Strasse liegt, wird sie oft auch von Autofahrern als Übernachtungsmöglichkeit gebraucht. Daher fehlt das Wanderfeeling hier etwas 😉 Doch es wurde vor kurzem eine neue Hütte zusätzlich dazu gebaut, welche natürlich wieder einen extrem hohen Standart aufwies. Die Nacht war zum Glück himmlisch ruhig und die Erholung perfekt.

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Die Bolnahütten an der E6

Hier würde nun der eigentliche Weiterweg der Norge på langs – Läufer über das wunderschöne Saltfjellet führen. Ein grosser Umweg um nach Lønstua zu kommen, dass ja auch an der E6 liegt, aber eben landschaftlich weitaus schöner und angenehmer zu laufen, als die 35 Kilometer der Strasse entlang. Doch das Saltfjellet war noch voll Schnee und Schmelzwasser. Es wäre wohl eine Tortur geworden dies zu erzwingen, daher entschied ich mich der E6 entlang zu gehen. Øyvind war mittlerweile auch aus dem Busch hervorgekommen und via die E6 in Lønstua angekommen. Sein Begleiter Christoph war mit einer gröberen Magengeschichte, irgendwo im Dunderdalen in einer Hütte zurückgeblieben. Øyvind teilte mir mit, dass die Strasse gut zu laufen sei. Es habe einen sehr breiten Kiessstreiffen am Rand, somit musste man nicht auf dem Asphalt laufen, und auch die nötige Distanz zu den z.T. 60 Tonnen Lastwagen war garantiert, die hier mit 80 Sachen vorbeidonnerten.

Und……… unterwegs sei ja noch das Polarkreis Center, mit einem grossen Restaurant und saftigen Hamburgern. Das würde ich wohl ebenfalls kaum auslassen! Aber mein grösstes Ziel war nun sicher der in unmittelbarerer Nähe liegende Polarkreis. Ein weiteres grosses Ziel lag vor mir………Wahnsinn !!

6. Teil : Schweden ich komme (Teil 1)