Teil 6/13 : Der Rückschlag
Was für ein Lauf in den letzten Tagen!! Von Geilo aus bis hierhin zog sich die Tour perfekt hin, selbst das Wetter hat sich gnädig gezeigt und mir ab und zu die Sonne vorbeigeschickt. Es lief endlich so, wie ich mir das in all den Jahren der Planung vorgestellt hatte, mal abgesehen davon, dass ich immer noch auf die Hütten angewiesen war da zelten bei dem moorigen Grund äusserst mühsam ist.
Der Tag dem Vinstre See entlang ist eine Wucht, wieder bekomme ich die Bestätigung, dass es sich extrem lohnt so früh loszugehen im Jahr. Nicht dass ich Menschenscheu wäre oder es nicht schätze andere Leute zu treffen, doch diese Einsamkeit und Stille auf dem Jotunheimvegen ist jedes Mühsal wert. Die Strasse ist an ein paar Orten noch von ein paar Schneefeldern bedeckt, und zum Teil sind tiefe Gräben ausgeschwemmt durch die Regenfälle der letzten Tage. „Da kommt noch viel Arbeit auf die Wegleute zu“ denke ich, denn schon in einem Monat wird hier wohl wieder der Touristenverkehr anrollen.



Und plötzlich sind wieder über 30 Kilometer auf dem Tacho. Die Übernachtungsmöglichkeit muss ausgewählt werden, abhängig vom nächsten Tag und Wetter, entscheide ich mich noch weiter bis zur DNT Hütte Oskampen zu gehen. Regen und Nebel sind angesagt für den folgenden Tag, und wenn schon eine Hütte in der „Nähe“ ist, so soll es dann auch eine trockene Übernachtung sein. Laut Karte folgt kurz nach dem Vinstresee eine Abkürzung über einen gekennzeichneten Wanderweg zur Oskampen Hütte. C.a. acht Kilometer oder zwei Stunden sind also noch angesagt bis zur Hütte, das sollte machbar sein, obwohl………..
Da ist wieder so ein brennen im Bein, aber dieses Mal im rechten Bein! Was zum Teufel, das kann doch nun wirklich nicht wahr sein, sollte ich nun eine weitere Entzündung am anderen Bein aufgelesen haben, war es zuviel des Guten in den letzten Tagen? Nun, es folgt ein Wanderweg und keine Strasse, das ist allemal eine gute Voraussetzung und zum Schluss werde ich ja in einer Hütte ankommen, wo ich mich dann richtig und gemütlich ausruhen kann. Etwa 100 Meter folge ich dem Weg, als ich bis zu den Hüften im Schnee steckenbleibe, da ist absolut kein Durchkommen. Neben den Schneefeldern herrscht eine grosse Schlammlandschaft, da ist ebenfalls kein Durchkommen, und ich habe den Oskampen Berg mit der darunter liegenden Hütte schon so nah vor Augen!

Aber es hilft nichts, dieser Wanderweg ist nicht begehbar, da kann ich noch lange hadern, es wird halt doch wieder die Schotterstrasse sein. Doch das Ganze hatte eine grossen Haken, den die Strasse führt nicht direkt an der Hütte vorbei sondern macht einen riesigen Bogen bevor sie dann c.a. einen Kilometer davor wieder diesen Wanderweg kreuzt. Statt acht Kilometer sind plötzlich sechzehn angesagt! Doch ich will in die Hütte, ich habe es mir fest in den Kopf gesetzt, also muss es wohl sein. Die Wettergötter versuchen mir zu Hilfe zu kommen und lassen nun den kalten Wind verschwinden und schicken mir die Sonne hervor. Es wird ein grandioser Abend aber leider auch ein sehr schmerzhafter. Nach der Hälfte der Distanz muss ich (das 1. Mal!) zu Schmerzmitteln greifen, eine Tatsache die ich eigentlich unbedingt vermeiden wollte, doch es geht nicht anders. Dank diesen, erreiche ich dann nach rund drei weiteren Stunden und einem extrem mühsamen Anstieg die Hütte.

Einmal mehr haben mich die Verhältnisse einen weiteren Weg laufen lassen als geplant war. Sicherlich hätte ich den Tag früher beenden können, mein Zelt aufschlagen und mich ausruhen können. Doch wenn man sich in eine tolle Hütte, mit einen warmen Ofen und einem vollen Vorratsraum begeben kann, dann nimmt man ohne Diskussion die eine oder andere Mühsal auf sich. So ergeht es jedenfalls auch mir, und der Entscheid ist absolut richtig, obwohl ich dafür etwas büssen muss.




Kurze Katzenwäsche am anliegenden Seelein, Bein dick mit Kühlsalbe eingepackt und mindestens drei Portionen gekocht und gegessen, geniesse ich nun die die Stille vor der Hütte. Weit weg hört man eine Herde Rentiere, und ab und zu ein fernes Grollen der Kaltfront, die sich langsam über den Himmel legt und die Sonne verdeckt.



Aufgrund der neuerlichen Entzündung plane ich nun nicht direkt nach Skåbu zu gehen, sondern legte eine Zwischenetappe zur DNT-Hütte Storhøliseter ein. Diese kleinere Etappe führt mich über zwölf Kilometer dem Oyangen See entlang nach Storhøliseter, von wo aus ich dann einen Tag später in etwa fünfzehn Kilometer nach Skåbu gelangen kann. Danach folgt dann wieder eine grosse Etappe nach Vinstra ins Gudbrandsdalen hinunter, die mit rund zweiunddreissig Kilometer zu Buche schlägt.

Es ist immer wieder erstaunlich wie schnell die Regeneration vorangeht, wenn die Umstände stimmen. Ich habe in den vergangenen Wochen gelernt auch mit widrigsten Umständen zurecht zu kommen. Die Ruhe und den riesen Luxus alleine in einer Hütte zu sein, sich auszubreiten und auf niemanden Rücksicht nehmen zu müssen, kann in schwierigen Momenten wahre Wunder wirken. So bin ich auch nicht erstaunt, am nächsten Morgen nach zehn Stunden Schlaf aufstehen zu können, mich Fit zu fühlen und voller Neugier auf den Tag eingehen zu können. Das Wetter hat definitiv umgeschlagen, aber es nieselt bloss aus tiefgrauen Wolken und der Weg zu meinen nächsten Ziel ist ja auch nicht allzu weit.
Doch, da war noch was…………… 500 Meter vor der Storhøliseter Hütte ist eine Sommerbrücke auf der Karte eingezeichnet, ist die wohl schon montiert? Wenn nicht, kann ich den zweifelsohne grossen Bach waten? Die vielen Niederschläge haben die Bäche zum Teil zu reisenden Flüssen anwachsen lassen, das lässt meinen Optimismus etwas dämpfen. Kann ich nicht über den Bach traversieren, müsste ich Off Road viele Kilometer nach Skåbu runtergehen und das Gelände am Bach entlang lässt auf der Karte nicht viel Freude emporsteigen. Nun…….. Play the game , wird schon schiefgehen!




Angesichts dieses Bildes, ist es wohl müssig zu erklären wie der Weg ist! Die folgenden zwölf Kilometer sind wohl das übelste an Nässe was ich bisher erlebt habe auf der Tour. Ohne Zweifel wäre diese Etappe mit dem Kanu machbar gewesen!


Der Jotunheimvegen war wirklich übelst zugerichtet, alle paar hundert Meter sieht die Strasse so aus. Hier kreuze ich nun die Strasse nach Skåbu und wende mich wieder dem Wasser zu.

Schon kommen langsam die Wiesen von Storhøliseter in Sicht, wenn da nicht noch der Graben mit dem Bach dazwischen liegen würde………..

Auf den letzten Meter ist dann noch etwas Gleichgewicht gefragt, ein „neben die Holzbohlen stehen“ wird mit einsinken bis zum Knie bestraft.

Und sie ist da!!! Ich gebe zu, mein Herz nimmt doch gleich einen kleinen „Hupfer“ vor Freude. Auch wenn der Bach eher gemächlich aussieht, ein Waten wäre nicht wirklich empfehlenswert gewesen, die Strömung zu stark. Wie sagen doch die Britten: Wirklich ein Stück Glück, ist es nicht? 🙂

Der Weg zur Hütte ist dann nur noch Makulatur. Und was für eine Hütte ist das denn? Eine absolute Traumlage und dann noch alles für mich alleine !




Der Abend bringt mir dann ein Schauspiel wie es kein Kino besser machen könnte. Eine Gewitterzelle nach der anderen jagt über die Bildfläche und wechselt sich mit Sonnenglanz und Regenbogen ab. Hinter der Hütte sind fünf Rentiere am Abendessen und ich sitze zuvorderst in der Loge auf dem besten Platz!


Am nächsten Morgen erstrahlt der blauste Himmel und das ganze Tal ist von einem Nebel bedeckt. Das Schauspiel geht weiter……







Selbst Theodor Caspari seines Zeichen Poet und Biologe geniesst diese phantastische Szenerie. (Sehr empfehlenswert ist Casparis „Vintereventyr“ 1901 )

Doch alles faulenzen und geniessen hat ein Ende. Ein junges Biologenehepaar welches mit ihren zwei kleinen Kindern am Abend unweit der Hütte am Vögel beobachten waren, macht mich auf einen wunderschönen Campingplatz in der Nähe von Skåbu aufmerksam. Der Besitzer, ein Holländer, sei neu und würde sich sicher auf Kundschaft freuen so früh in der Saison.
Als ich von der Hütte weggehe, sind die fünf Rentiere auch schon abmarschbereit. Keine zwanzig Meter von mir entfernt, begleiten sie mich nun die nächsten zehn Kilometer immer schön parallel zur Strasse hin.






Nach einem kurzen, aber nicht wirklich schmerzfreien Tag, komme ich im Camping an und bekomme auch gleich die beste Hütte am See. Die Freude ist riesengross auf beiden Seiten, es ist wieder einer dieser Momente in dem man viel zu erzählen hat, sei es als Norge på langser oder als Auswanderer welcher inmitten Norwegens Wildnis einen Camping eröffnet. Am Abend bekomme ich dann noch das Boot inklusive Junior (8 Jahre) um eine kleine Bootstour auf dem See zu machen. Leider ist der Elektro Aussenbordmotor so schwach, dass ich dem heranziehenden Schauer nicht ausweichen kann und ich dem kleinen Jungen unter meiner Jacke einreden muss, dass er ein Supermann sei und heute sicher nicht sterben müsse.



Nach einer erholsamen Nacht und einigen Kalorien mehr auf den Rippen, ziehe ich am Morgen los Richtung Vinstra. Der Weg hinunter ist aber gepflastert mit vielen Hindernissen. Ich bekomme die Info, dass die Strasse komplett gesperrt ist, weil zum Teil ganze Stücke weggespült waren. Die Unwetterschäden sind gross und ich werde mir wohl irgendwie einen Weg bahnen müssen. Die Situation im Gudbrandsdalen ist noch einiges chaotischer, da sind Häuser weggespült worden, viele Campingplätze sind momentan unter Wasser und auch die Bahnlinie ist unterbrochen. Mittlerweile wird das Gebiet kurzfristig zum Katastrophengebiet erklärt, und ich muss da mittendurch !!!
Es scheint nicht aufzuhören…….. Teil 7/13: Hindernisse über Hindernisse