Teil 7/13 : Hindernisse über Hindernisse
Auf dem Weg nach Vinstra gehen mir viele Sachen durch den Kopf. Einerseits bin ich nun kurz vor dem Rondane National Park, aber bisher konnte ich eigentlich praktisch nichts von alledem machen was ich geplant hatte. Hardanger, Hallingskarvet, Jotunheimen alles zog an mir vorbei ohne dass ich einen Fuss reinsetzen konnte. Doch ich bin nicht enttäuscht, im Gegenteil ich besuchte Gegenden und Orte welche mir unbekannt waren, von deren Existenz ich gar nichts wusste oder nicht wahrnahm. Es entwickelt sich jeden Tag eine spannende Suche nach dem „wie weiter?“, obwohl dies mit der Zeit doch auch viel Energie brauchte.
Und nun dies, ein Besuch in einem Gebiet welches zur Zeit von Hochwasser betroffen ist. In mir ist ein schlechtes Gefühl, den ich war 2005 selbst von einem solchen Hochwasser betroffen gewesen und bin mir bewusst was für menschliche Schicksale in einem solchen Ereignis stecken können. Der Weg nach Vinstra ist relativ kurzweilig, finde ich doch unterwegs immer wieder Möglichkeiten abzukürzen und den betroffenen Stellen auszuweichen. Mittlerweile habe ich eine Behandlung für mein Bein gefunden, die mir eine sehr schnelle Regeneration erlaubt. Schon eine Nacht genügt um mein „Fahrgestell“ wieder so herzurichten, damit ich den nächsten Tag angehen und eine weitere Etappe absolvieren kann.



In Vinstra beziehe ich Quartier und informiere mich über die Situation im Gudbrandsdalen und deren Einschränkungen. Ziel ist über Kwam zum Rondablikk hoch und weiter via Rondvassbu und Dorålseter durch den Rondane zu laufen. Wenn es etwas auf dieser Tour bis jetzt in Regelmässigkeit gegeben hat, dann ist es die Tatsache, dass ich mich nicht mehr über irgendwas wunderte. So ist es auch nicht verwunderlich, dass ich vor Rondane stehe, einem National Park in welchem die Rentiere am kalben sind und deshalb ziemlich deutlich darauf aufmerksam gemacht werde, den Park nicht zu betreten um die Tiere nicht zu stören.
Ich gebe zu, ich stehe ziemlich „belämmert“ vor diesen Plakaten und weiss im Moment gar nicht wie ich damit nun umgehen soll. Nachdem ich mich etwas genauer informierte, sehe ich, dass davor überall aufmerksam gemacht wird, nur dass ich das total übersehen habe. Aber warum? Nun die Lösung ist schnell gefunden, ich bin deutlich vor meiner geplanten Zeit vor Ort und habe diesem Aspekt keine Beachtung geschenkt. Obwohl ich grosse Umwege machen musste, die Tour völlig neu plante, kam ich natürlich auf den Strassen und Schotterwegen viel besser vorwärts als dass ich es auf Wanderwegen getan hätte. Ich hatte mir trotz den vielen Pausen einen Vorsprung erarbeitet, mit dem ich gar nicht gerechnet hatte. Nun ist der Park also noch eine Woche „zu“ und ich stehe vor der Entscheidung, was zu tun ist. Selbstverständlich kann ich quer durch den Park stapfen und wahrscheinlich wird mich zu dieser Zeit auch niemand sehen, wahrscheinlich würden mir auch die Einheimischen sagen ich solle nur gehen, doch……….. Ich kann das nicht, und zwar aus einem einfachen Grund: Ich gehöre zu jenen Menschen, die solche Einschränkungen akzeptieren und den hiesigen Gegebenheiten Respekt zollen. Es ist für mich keine Diskussion wert gegen diese Vorgabe zu verstossen, und ich nehme dies auch, vielleicht mit einem kleinen Seufzer, hin und sehe von einer Durchquerung ab.
Die Alternative ist schnell gemacht, es wird über das Dovrefjell gehen, was mich motiviert, eventuell auch noch ein paar Moschusochsen beobachten zu können. Die Wetterprognose kündet für die nächsten Tage wieder eine Kaltfront mit vielen Niederschlägen an, Niederschläge welche ab 500 Meter in Schnee übergehen können.
Doch der Weiterweg ist versperrt, Kwam ist schwer getroffen von Hochwasser und Murgängen. Der Fluss Lågen der durch das Gudbrandsdalen fliesst, ist fast doppelt so breit wie normal und verschingt grosse Flächen und macht sie unpassierbar. An diesem Punkt entscheide ich mich, von Vinstra aus den Bus bis nach Sjoa zu nehmen um nicht unnötig durch das Hochwassergebiet zu laufen. Ich kann es nicht verantworten als Tourist mit meinem Rucksack am Rücken durch ein Katastrophengebiet zu laufen, wie wenn nichts wäre. Ich erachte es als richtig, aus Pietätsgründen auf meine Grundsätze der Tour zu verzichten. Die Entscheidung ist mehr als richtig, als ich das schwer betroffene Gebiet sehe. Viele schlechte Erinnerungen kommen in mir hoch und ich hoffe bis heute, all den Leuten vor Ort wurde die Hilfe zu Teil die sie benötigten.

In Otta gönne ich mir die Übernachtung im Bahnhofhotel und geiesse den Abend bei herrlichem Essen und gemütlicher Gesellschaft der Chefin, mit welcher ich eine sehr interessante Diskussion über die Norweger führen kann. Es gab doch ein paar spannende Erkenntnisse über die Nordländer 😉
Am nächsten Morgen laufe ich früh los um dem angekündigten Regen ein Schnippchen zu schlagen. Ziel ist Dovre oder vielleicht schon Dombås wo ich mir dann einen Ruhetag gönnen will. Nun ja, lange geht es nicht und der Himmel öffnet sämtliche Schleusen.

Kurz nach Selist dann plötzlich Feierabend. Der extrem schmale Taleinschnitt ist bloss von der E6 und dem reissenden Fluss besetzt. Die Wege links und rechts sind weggespült, und so gibt es nur die eine Lösung, die viel befahrene, aber im Moment gesperrte E6!
Hier folgt eine kleine, amüsante Episode mit der norwegischen Polizei…. wenn es interessiert…. Ich empfehle an dieser Stelle gerne mein Buch zur Tour, das über viele weitere Anekdoten, Geschichten und Begebenheiten der Tour berichtet : Schritt für Schritt nordwärts 🙂
Der Weiterweg ist dann ein ununterbrochenes „Geplätschere“ der Strasse nach, und schneller als ich dachte, erreiche ich Dovre und danach Dombås. Hier beziehe ich ein Zimmer in einem Motel, den ich habe genug Wasser über den ganzen Tag gesehen und gespürt. Kaum angekommen, reisst der Himmel auf und die Sonne lässt auch mein Gemüt wieder etwas erstrahlen.

Fast unglaublich, aber mein Ruhetag in Dombås ist dann wohl einer der schönsten der ganzen Tour… Sonne praktisch den ganzen Tag.
Ich habe natürlich nicht nur Pech auf meinem Trip gen Norden. Denn, das Dovrefjell lässt mich etwas vor langen Spaziergängen entlang der Strasse fürchten. Doch hier kommt mir auch mal das Glück etwas entgegen. Von Dombås aus zieht ein alter Weg ins Fjell hoch und auf halbem Weg zur Fokstugu, ist ein brandneuer Schotterweg bis zur Fokstugu Hütte errichtet worden. Ich muss also nicht viele Kilometer der E 6 entlang laufen, sondern kann mich gemütlich auf dem neuen Weg „breitmachen“ und das phantastische Fjell geniessen. Der Weg ist übrigens kein geringerer als der bekannte Olavsvegen von Hamar nach Trondheim. Die Kaltfront hat mittlerweile die Temperaturen wieder gegen die 5 ° C sinken lassen, aber die Luft ist wunderbar klar und frisch. Das Wetter ist richtig wild und wechselt zwischen Sonnenschein und Schneegraupel hin und her, einfach tolles Wanderwetter.




Irgendwie hatte ich diesen Weg auf der Karte nicht beachtet, und bin mehr als freudig überrascht. Da ergibt sich also eine tolle Variante dem Dovrefjell entlang zu laufen, und dies auch noch etwas erhöht über dem „Tal“. Mein Ziel ist Furuhauglie dass über Hytter verfügt, denn die Nacht verspricht Schneefall und wenn es nicht eine Nacht im Zelt sein muss…………man wird ja auch älter !



Die Snøhetta zeigte sich zwar nicht vollumfänglich, aber man kann sich gut vorstellen was für tolle Touren da machbar wären.

Der Vålåsjoen kommt in Sicht, an dessen vorderen Ende Furuhauglie liegt.



In Furuhauglie entdecke ich im Gästebuch an der Rezeption den Eintrag eines Schweizers, welcher vor fünf Tagen hier übernachtet hat und………. auf Norge på langs ist! Leider habe ich keine weiteren Informationen über seine Route.
Ich bin nicht sicher ob ich jemals so viele Waffeln auf`s Mal verdrückt habe wie hier in Furuhauglie, aber sie waren wirklich mehr als lecker! Die Nacht kommt und es wird deutlich kälter. Am Morgen erwartet mich dann tatsächlich ein Schäumchen Schnee und es schneit tatsächlich immer noch, brrrrrrrrr…..! Der warme Schlafsack ist nicht zu verachten und so entscheide ich mich nochmals zurück in die warme „Höhle“ zu kriechen und mein weitergehen etwas nach hinten zu schieben. Da ich nur nach Hageseter oder Hjerkinn laufen will, kann ich den Tag etwas gemütlich angehen.

Am Mittag hört es dann auf zu schneien und die Front verzieht sich so schnell wie sie kam. Was mich danach erwartet, ist kaum mit Worten zu beschreiben und es treibt mir fast die Tränen in die Augen vor Schönheit. Einmal mehr sind alle negativen Erlebnisse wie weggeblasen, das Erlebnis Norge på langs beschert mir unglaubliche Momente des Lebens, einfach phantastisch!














In Furuhauglie sagte man mir, das die Hageseter Fjellstue geöffnet habe. Typisch norwegisch wird dies auch gleich telephonisch abgeklärt, ein Zimmer reserviert und mich auch gleich als Pilger angemeldet, denn das heisst günstiger übernachten und essen. Einmal mehr zeigt sich hier die überwältigende Gastfreundschaft der Norweger, einfach beispielhaft!
Ich bekomme dann auch ein tolles, grosses Zimmer und bin etwas erstaunt, nicht alleine im Haus zu sein. Der Besitzer sagt mir, das ein junger Pilger im Haus sei, der so ähnlich verdreht rede wie ich……. Es ist der Michel aus dem Schwarzwald der unterwegs von Hamar nach Trondheim ist. Als ich ihm erkläre dass ich auf dem Weg zum Nordkap sei, bleibt doch ein eher erstauntes Lächeln auf seinem Gesicht stehen…“wohin willst Du ziehn?“
Wir schlagen uns die Bäuche voll, trinken gemütlich ein paar Biere und geniessen den schönen Abend in Hageseter, es ist wirklich gemütlich 🙂
Noch am Abend frage ich mich, soll ich vielleicht ein paar Tage mit ihm Richtung Trondheim laufen? Mein nächstes Depot ist in Haltdalen, dass sich nördlich von Oppdal befindet. Doch es scheint mir ein zu grosser Umweg und ich entscheide mich den Weg über Folldal, Tynset und Tolga nach Rorøs zu gehen. Ich war noch nie in Rorøs, und viele Leute rühmen dieses Kleinod im Norden, das will ich nun auf meiner Reise besuchen. Ursprünglich war ja geplant von Folldal direkt nördlich in den Forollhogna National Park zu gehen, dieser Park liegt direkt an Haltdalen gelegen. Doch Forollhogna ist praktisch weglos und ist ein geschütztes Hochmoorgebiet. Hochmoor heisst eben Moor, und dies ist bei dieser Nässe kaum empfehlenswert zu begehen, also Røros!
Film Teil 2:
Endlich Normalität?……….Teil 8/13: Røros und das zweite Depot