Rago N.P. / Hellmobotn


Und mittlerweile läuft die Zeit und Mitte August ist nicht mehr fern, der Startpunkt zu meiner diesjährigen Tour in Norge. Wie ich schon im Blog Artikel Planungsvorfreude geschrieben habe, versuche ich den Rago schon 2022 in meine Planung mit einzubeziehen. Da dieser Teil von Nordland und Troms og Finnmark sehr wetterausgesetzt und das Gelände anspruchsvoller ist, als an anderen Orten im Land, wird es wohl mehr als einen Anlauf brauchen, um das für mich gewünschte Wetterfenster zu erwischen.

Seit rund drei Wochen beschäftige ich mich nun intensiv mit diesem Gebiet und habe mittlerweile auch ein paar Leute kennengelernt, die diesen Park und den nördlichen Teil des Tysfjords und Hellmobotn erwandert haben.
Vieles gelernt, einiges an Informationen dazugekommen und Theorien relativiert, könnte man diese Zeit als Fazit zusammenfassen.

Routing: Im Moment steht noch aus, ob ich mich vom Narvikfjell Richtung Fauske südwärts aufmachen kann, oder von Fauske über Hellmobotn nordwärts. Wie immer ist in Norwegen die Situation mit den öffentlichen Verkehrsmittel relativ schwierig und die sinnvollere Variante auch noch nicht eruiert.
Grundsätzlich habe ich aber nur den Teil zwischen den beiden Hütten, Rago Statskog und Røysvatn DNT etwas genauer geplant und erforscht. Da ich nicht darauf angewiesen bin, so schnell als möglich durch dieses Gebiet zu laufen, mir genug Zeit nehmen kann, ist für mich eine exakte Routenplanung nicht so massgebend.

Die etwas eigensinnige Routenwahl

Aber trotz aller Freiheit die ich habe, spielt die Dauer eine wichtige Rolle. Schliesslich will ich mich nicht mit 30 Kg. am Rücken, in ziemlich unwegsamen Gebiet dauernd durch steile Flanken hochquälen. Die Balance zwischen „sich Zeit nehmen“ und vorwärtskommen, wird meine Herausforderung sein.
Egal ob von Nord nach Süd oder Süd nach Nord, die Etappe vom Rago nach Røysvatn ist nur die halbe Miete. Denn Røysvatn liegt zwei lange Wandertage vom schwedischen Ritsem entfernt und/oder vier Tage von Narvik. Eine Ausnahme wäre das kleine Fährtaxi über den Hellmobotnfjord, dass ich aber ausser Betracht ziehe.
Zu und von Røysvatn habe ich zusätzlich noch eine etwas speziellere Routenplanung im Visier. Alles in allem würde die Tour auf satte 10 – 12 Tage anwachsen, was einiges an Proviant nötig macht.

Ein grosser Vorteil an diesem Gebiet liegt in den „Notausgängen“. Nördlich des Rago National Park befindet sich eines der grösseren Wasserenergiezentren Norwegens und mittlerweile auch grössere Windkraftbaustellen. Drei Fjorde werden regelmässig mit kleinen Fährtaxis angefahren und der östlich gelegene Padjelanta National Park in Schweden, ist auch erreichbar. Falls der Proviant zur Neige geht, ist also mehr oder weniger immer ein Ausgang in der Nähe.

Landschaft in zwei Teilen: Wenn man in diesem Gebiet bis nach Hellmobotn vom Rago National Park spricht, ist dies nicht richtig. Der Rago National Park gehört mit seinen 170 Km2 zu den kleinsten Parks in Norwegen. Wenn man nach rund zwei Wandertagen die kleine Ragohütte des Statskog erreicht und sich danach noch einen Tag weglos nordwärts begibt, dann überschreitet man schon die National Park Grenze.

Wer den geschützten Rahmen des Parks verlässt, befindet sich augenblicklich in einer Gegend, die seit Jahrzehnten unablässig für die Energieproduktion „benutzt“ wird. Stauseen, Starkstromleitungen, Strassen, Kraftwerksgebäude und mittlerweile in der Nähe der Küste, ganze Windparkanlagen. Der Reiz und die Schönheit dieser einzigartigen Landschaft, wird durch die Stromgewinnung immer wieder zerschnitten. Doch wir alle wollen Strom und Energie und dies erst noch so sauber wie möglich, also müssen wir wohl Kompromisse eingehen. Doch ganz so dramatisch wurde das Gebiet um die Gemeinde Tysfjords und Hellmobotn nicht in Mitleidenschaft gezogen und sehr viele Abschnitte kann man auch heute noch in ihrer Einzigartigkeit geniessen.

Ein Rago-Kilometer ist kein normaler Kilometer: Im Austausch mit allen, welche dieses Gebiet um Rago und Hellmobotn besucht haben, ist ein Faktor immer wieder mit aller Deutlichkeit angesprochen worden. Jeder Kilometer Laufstrecke ist doppelt und dreifach so anstrengend wie ein normaler Laufkilometer im Fjell!
Die wenigen aufgezeichneten „GPS-Tracks“ die ich erhalten habe, spiegeln dies mit aller Deutlichkeit wieder. Da wurde definitiv oft mit grosser Mühe nach dem einfachsten Weg gesucht. Wer sich zusätzlich die Topographiekarten in grosser Auflösung mal genauer anschaut, bemerkt sehr viele, extrem zusammengebundene Höhenlinien, was auf sehr viele steile Geländeübergänge schliessen lässt. Es kann ab und zu vorkommen, dass auch die Hände gebraucht werden müssen, um eine kleine Kletterstelle überwinden zu können. Oft muss zurückgegangen werden, weil Blockfelder undurchdringlich sein können.
Je mehr Leute sich durch dieses Gebiet ihren Weg bahnen, desto mehr Leute werden sich an Empfehlungen der Vorgänger/innen halten. Doch zu 100% darauf verlassen sollte man sich nicht.

Und wäre es nicht schon genug mit den unendlich vielen steilen Passagen, besteht das Gebiet vorwiegend aus schwarzem Granit. Nicht etwa der Stein ist schwarz, sondern der Belag auf ihm. Eine Mischung aus Flechten, Moos, Algen und Ablagerungen, die die Felsplatten bei Nässe so rutschig wie Eis machen können. Eine Mischung mit der Steilheit zusammen, die alles andere als angenehm ist und ein sehr hohes Unfallpotential haben kann!

Zum Dessert sind dann auch noch Wasserläufe zu waten, die schon mal locker Hüft- oder Bauchnabelhöhe erreichen und starke Strömungen haben können.

Eine Durchquerung dieses Gebiets beinhaltet also einiges an Abenteuerpotential, sollte aber trotzdem nicht auf die allzu leichte Schulter genommen werden.
2022 sind doch einige NPL Läufer/innen die sich dazu entschieden haben diese Querung zu machen. Nicht etwa aus reiner Abenteuerlust, sondern viel mehr, weil sich einige nur auf dem norwegischen Territorium bewegen möchten und somit den sehr angenehm zu gehenden, schwedischen Padjelanta National Park auslassen. Die Hauptstrasse E6 westlich dieser wilden Landschaft, ist natürlich alles andere als eine gute Alternative.
Hingegen sind auf Webseiten von NPL-Läufer/innen zum Teil Tages-Planungen von 25-30 Kilometer für diese Gegend genannt, die schon ziemlich optimistisch anmuten. Die lange Periode ohne Proviantnachschub, scheint da einige etwas zu fest zu beflügeln. Man darf gespannt sein.

Macht es Sinn?: Diese Frage wurde mir ein paar Mal während den Planungen gestellt. Ich kann dazu natürlich auch nicht viel sagen, da ich diese Gebiet bisher auch nur „angekratzt“ habe und so auch nicht den grossen Einblick habe. Wenn ich mir aber die grosse Faszination der bisherigen Läufer/innen so anhöre, trotz aller grossen Strapazen, dann macht es sicher sehr viel Sinn, sich dieser „Herausforderung“ zu stellen.

Wie ich eingangs schon erwähnte, ist dieser Teil Norwegens alles andere als bekannt für stabile Wetterverhältnisse. Die Küste wird immer wieder von heftigen Stürmen heimgesucht, die sich bis ins Hinterland ausweiten. Doch schon nur der kaum 50 Kilometer östlich gelegen, lieblichere Padjelanta National Park wird meist schon durch solches Wetter verschont, oder hat deutlich abgeschwächte Stürme zu verzeichnen.
Wer sich dazu entschliesst, diese Traverse zu machen, ist gut beraten, nur bei einigermassen guten Verhältnissen dort durchzulaufen (ausser er/sie hat einen Hang zu Masochismus ;-)).
Nässe die die Felsen glitschig machen, schlechte Sicht und hochgehende Bäche und Flüsse sind keine sehr angenehmen Begleiterscheinungen für ein solches Unternehmen. Und jede/r ist dann sicher besser beraten, sich auf den sehr guten Wanderwegen durch den wunderschönen Padjelanta zu begeben, wo es erst noch jede Nacht ein Dach über dem Kopf geben kann.

Sind die Verhältnisse gut und trocken, dann sind der Rago und Hellmobotn/Tysfjords eine sehr gut machbare Herausforderung, die über das „Kilometer abwandern“ hinausgeht. Und mit Sicherheit auch kein unlösbares Abenteuer!

Der Unterschied: Es ist natürlich ein grosser Unterschied, ob man dieses Gebiet anlässlich einer Fernwanderung wie Norge på langs durchqueren will und praktisch „gezwungen“ ist, nicht zuviel Zeit zu verlieren. Oder ob man so wie ich, einfach reingehen kann und jegliche Optionen offen hat.

Die Bilder und die Eindrücke die ich von den Rago-Kontakten erhalten habe, haben mich sehr fasziniert und für mich ist klar, dass ich dorthin möchte. Aber es ist auch völlig klar, dass ich für den Zeitpunkt und die Verhältnisse auch nur das Beste aussuchen werde. Einigermassen trockene Verhältnisse, ein relativ stabiles Wetterfenster von mindestens fünf Tagen, sind eine klare Voraussetzung. Daher ist für dieses Jahr alles offen und es wäre auch ein absoluter Glücksfall, wenn es schon 2022 klappen würde. Ein Vorteil nach Norge på langs…. jetzt kann ich es mir aussuchen 😉

Was, wenn nicht? Mein Ausgangsort wird das eher weiter entfernte Tromsø sein, da ich dieses Jahr auch wieder das grosse Glück habe, einen Direktflug aus der Schweiz zu kriegen. Falls die Wetterverhältnisse gegen Rago und Hellmobotn sprechen, werde ich viele Alternativen von Tromsø aus haben und mich vor Ort für etwas entscheiden. (Siehe mein Beitrag zu Tromsø) Natürlich ist auch immer mein Projekt NPL im Hinterkopf.

Kategorien:Allgemein